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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Lande, aber ihre, Anzahl war gering, und häufig war das Verhältniß des
Münzmeisters, welcher von einem deutschen Kreise für tüchtig befunden war
und in einer gesetzlichen Münze arbeitete, doch eine Thätigkeit voll befremdlicher
Praktiken. Die Controle war bei dem unvollkommenen Münzverfahren schwierig,
die Versuchung groß, die Moralität im Allgemeinen viel niedriger als jetzt.
Vom Landesherrn bis zum Handlanger und dem jüdischen Lieferanten herab
betrog bei Münzen jeder den andern. Der Landesherr ließ den Münzmeister
eine Reihe von Jahren arbeiten und reich werden, er ließ vielleicht stillschwei¬
gend geschehen, daß die Landesmünze zu leicht ausgebracht wurde, um in der
rechten Stunde dem Schuldigen den Proceß zu machen. Dann wurde diesem
wie einem Schwämme durch einen Druck alles ausgepreßt, was er in vielen
Jahren tropfenweis aufgesogen hatte. Es half ihm auch nicht, wenn er den
Dienst längst quittirt hatte, die habsüchtige Gerechtigkeit wußte nach vielen
Jahren noch an ihn zu kommen. Der Münzmeister aber, welcher nicht in
der bequemen Lage des Löwen war, durch einen einzigen Schlag mit der Tatze
seine Beute zu sichern, pflegte in unaufhörlicher Industrie seinen Münzherrn,
die Lieferanten, ja sogar seinen Kassirer, die Gesellen, und die Jungen zu be-
vortheilen, vom Publicum ganz zu geschweige". Nicht besser machten es die
andern genannten Würdenträger. Jedes Hand war gegen die des Andern
und der Fluch, welcher nach der Sage auf dem Gold der deutschen Zwerge
liegt, schien im 17. Jahrhundert noch alle die zu verderben, welche die glän¬
zenden Metalle in Geld verwandelten. -- Das gewöhnliche Geschäftsverfahren
war folgendes:

Der Münzmeister kaufte das Metall ein, bestritt die Kosten des Prägens
und zahlte für jede Mark kölnisch, welche er schlug, dem Landesherrn noch
einen Schlagschatz, welcher, wie es scheint, für gewöhnlich vier gute Groschen
betrug. Er mußte aber das feine Silber theuer bezahlen, die Löhne und die
Zuthaten stiegen fortwährend im Preise. Da hqlf er sich. Wenn er dem Münz¬
herrn wöchentlich für 1000 bis 2000 Mark den Schlagschatz zahlte, so ver¬
schwieg er ihm 60 Mark, die er außerdem geprägt hatte, und behielt den
Schlagschatz derselben sür sich; er prägte ferner scharf d. h. er machte daS
Geld am Silbergehalt um V- Gran schlechter als es sein sollte, (was gesetzlich
noch erlaubt war); er schlug je 100 Mark am Gewicht um etwa vier Loth zu
leicht, was von niemandem gemerkt wurde, und wenn er wußte, daß daS Geld
sogleich in entfernte Gegenden, besonders nach Polen verführt werden sollte,
so brach er am Gewicht noch dreister ab. Nicht sauberer war der Verkehr mit
den Lieferanten, welche ihm das Metall herbeischafften. Durch ganz Deutsch¬
land zog sich damals ein heimlicher Handel, der vom Gesetz hart verpönt und
von den städtischen Thorwächtern mit vielem Spürsinn verfolgt wurde, der
Handel mit gemünzten Metall und mit cingeschmolzenem Geld. Was der


Lande, aber ihre, Anzahl war gering, und häufig war das Verhältniß des
Münzmeisters, welcher von einem deutschen Kreise für tüchtig befunden war
und in einer gesetzlichen Münze arbeitete, doch eine Thätigkeit voll befremdlicher
Praktiken. Die Controle war bei dem unvollkommenen Münzverfahren schwierig,
die Versuchung groß, die Moralität im Allgemeinen viel niedriger als jetzt.
Vom Landesherrn bis zum Handlanger und dem jüdischen Lieferanten herab
betrog bei Münzen jeder den andern. Der Landesherr ließ den Münzmeister
eine Reihe von Jahren arbeiten und reich werden, er ließ vielleicht stillschwei¬
gend geschehen, daß die Landesmünze zu leicht ausgebracht wurde, um in der
rechten Stunde dem Schuldigen den Proceß zu machen. Dann wurde diesem
wie einem Schwämme durch einen Druck alles ausgepreßt, was er in vielen
Jahren tropfenweis aufgesogen hatte. Es half ihm auch nicht, wenn er den
Dienst längst quittirt hatte, die habsüchtige Gerechtigkeit wußte nach vielen
Jahren noch an ihn zu kommen. Der Münzmeister aber, welcher nicht in
der bequemen Lage des Löwen war, durch einen einzigen Schlag mit der Tatze
seine Beute zu sichern, pflegte in unaufhörlicher Industrie seinen Münzherrn,
die Lieferanten, ja sogar seinen Kassirer, die Gesellen, und die Jungen zu be-
vortheilen, vom Publicum ganz zu geschweige«. Nicht besser machten es die
andern genannten Würdenträger. Jedes Hand war gegen die des Andern
und der Fluch, welcher nach der Sage auf dem Gold der deutschen Zwerge
liegt, schien im 17. Jahrhundert noch alle die zu verderben, welche die glän¬
zenden Metalle in Geld verwandelten. — Das gewöhnliche Geschäftsverfahren
war folgendes:

Der Münzmeister kaufte das Metall ein, bestritt die Kosten des Prägens
und zahlte für jede Mark kölnisch, welche er schlug, dem Landesherrn noch
einen Schlagschatz, welcher, wie es scheint, für gewöhnlich vier gute Groschen
betrug. Er mußte aber das feine Silber theuer bezahlen, die Löhne und die
Zuthaten stiegen fortwährend im Preise. Da hqlf er sich. Wenn er dem Münz¬
herrn wöchentlich für 1000 bis 2000 Mark den Schlagschatz zahlte, so ver¬
schwieg er ihm 60 Mark, die er außerdem geprägt hatte, und behielt den
Schlagschatz derselben sür sich; er prägte ferner scharf d. h. er machte daS
Geld am Silbergehalt um V- Gran schlechter als es sein sollte, (was gesetzlich
noch erlaubt war); er schlug je 100 Mark am Gewicht um etwa vier Loth zu
leicht, was von niemandem gemerkt wurde, und wenn er wußte, daß daS Geld
sogleich in entfernte Gegenden, besonders nach Polen verführt werden sollte,
so brach er am Gewicht noch dreister ab. Nicht sauberer war der Verkehr mit
den Lieferanten, welche ihm das Metall herbeischafften. Durch ganz Deutsch¬
land zog sich damals ein heimlicher Handel, der vom Gesetz hart verpönt und
von den städtischen Thorwächtern mit vielem Spürsinn verfolgt wurde, der
Handel mit gemünzten Metall und mit cingeschmolzenem Geld. Was der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/292>, abgerufen am 12.12.2024.