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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Zeugniß diesem oder jenem Producenten an Zeit und Auslagen gekostet hat, sondern
die Waaren nur darnach bezahlt, was ihre Herstellung nach dem derzeitigen
Stande der Industrie, unter Benutzung aller Hilfsmittel der Production und
des Verkehrs, bei einsichtigen, tüchtigem Betriebe im Allgemeinen zu stehen kommt. '

Was wir demnach von der Gerechtigkeit der fraglichen Handwerkerfvrde-
rungen zu halten haben, ist klar. Keinem Menschen kann daS Recht beigelegt
werden, eine vollkommnere Betriebsmethode zu verbieten, weil er mit seiner
weniger vollkommnen neben ersterer nicht Schritt zu halte-n im Stande ist. Es
hieße dies den von uns an die Spitze gestellten Satz umkehren: "daß jede
Thätigkeit nur nach dem, was sie schafft, nicht nach dem, waS sie kostet,
gewürdigt werden kann": was zu den unsinnigsten Consequenzen führen müßte.
Wenn sich daher jemand beklagt, daß er Kundschaft verliere und mit den Prei¬
sen nachlassen müsse, weil ein anderer seine Producte billiger herstelle -- und
so liegt die Frage zwischen den Handwerkern und Fabrikanten -- so kann
man ihm nur rathen, daß er sich dieselben Vortheile im Geschäft aneigne,
wie sein Concurrent, und es ebenso gut mache, daß er sich also zu der Stufe
desselben emporschwinge. Dem Concurrenten dagegen befehlen zu wollen, er
. solle, damit der ändere mit ihm Schritt halte, es künftig nicht mehr so gut,
sondern schlechter machen, und zu der niedrigern Stufe, welche jener einnimmt,
herabsteigen, das wäre doch gradezu'Tollheit. Und daß eine so offenbar un¬
billige Zumuthung, wie sie in der That in dem angeführten Argumente der
Handwerker liegt, dadurch keinen bessern Stützpunkt erhält, daß man hinzufügt:
"man könne bei den durch die Concurrenz der Fabriken herabgedrückten Preisen
nicht leben:" ergibt das von uns entwickelte unumstößliche Gesetz über den
Werth der Arbeit ebenfalls. Denn darnach thut derjenige, welcher einen den
Werth seiner Leistung übersteigenden Preis von dem andern verlangt, und
dies dadurch beschönigt: daß er sonst nicht leben, nicht bestehn könne, nichts
anderes, als daß er bettelt. Ob jemand eine Gabe, unter einem solchen
das Mitleid erregenden Vorwande, von dem andern ohne alle Gegenleistung
anspricht, oder gegen eine im Werth weit geringere, bleibt sich dabei gleich.
Wie im erstern Falle das Ganze, was er erhält, so ist im letztern der Ueber¬
schuß über den Werth des von ihm dafür Gewährten ein Almosen, das man
ihm seiner bedrängten Umstände halber gibt. Mit dergleichen hat aber die
Volkswirthschaft ein für allemal nichts zu thun, indem sie einzig und allein
die Ausgleichung zwischen Leistung und Gegenleistung in freier Concurrenz als
legitim anerkennt, und dem Mitleid keinen Einfluß hierauf gestatten kann,
indem dergleichen sympathische Regungen, deren sittliches Verdienst hier nicht
weiter in Frage gestellt wird, niemals eine Grundlage für Regelung der Be¬
ziehungen im Haushalt der Gesellschaft abgeben können, ohne über kurz oder
lang den allgemeinen socialen Bankerott nach sich zu ziehen.


Zeugniß diesem oder jenem Producenten an Zeit und Auslagen gekostet hat, sondern
die Waaren nur darnach bezahlt, was ihre Herstellung nach dem derzeitigen
Stande der Industrie, unter Benutzung aller Hilfsmittel der Production und
des Verkehrs, bei einsichtigen, tüchtigem Betriebe im Allgemeinen zu stehen kommt. '

Was wir demnach von der Gerechtigkeit der fraglichen Handwerkerfvrde-
rungen zu halten haben, ist klar. Keinem Menschen kann daS Recht beigelegt
werden, eine vollkommnere Betriebsmethode zu verbieten, weil er mit seiner
weniger vollkommnen neben ersterer nicht Schritt zu halte-n im Stande ist. Es
hieße dies den von uns an die Spitze gestellten Satz umkehren: „daß jede
Thätigkeit nur nach dem, was sie schafft, nicht nach dem, waS sie kostet,
gewürdigt werden kann": was zu den unsinnigsten Consequenzen führen müßte.
Wenn sich daher jemand beklagt, daß er Kundschaft verliere und mit den Prei¬
sen nachlassen müsse, weil ein anderer seine Producte billiger herstelle — und
so liegt die Frage zwischen den Handwerkern und Fabrikanten — so kann
man ihm nur rathen, daß er sich dieselben Vortheile im Geschäft aneigne,
wie sein Concurrent, und es ebenso gut mache, daß er sich also zu der Stufe
desselben emporschwinge. Dem Concurrenten dagegen befehlen zu wollen, er
. solle, damit der ändere mit ihm Schritt halte, es künftig nicht mehr so gut,
sondern schlechter machen, und zu der niedrigern Stufe, welche jener einnimmt,
herabsteigen, das wäre doch gradezu'Tollheit. Und daß eine so offenbar un¬
billige Zumuthung, wie sie in der That in dem angeführten Argumente der
Handwerker liegt, dadurch keinen bessern Stützpunkt erhält, daß man hinzufügt:
„man könne bei den durch die Concurrenz der Fabriken herabgedrückten Preisen
nicht leben:" ergibt das von uns entwickelte unumstößliche Gesetz über den
Werth der Arbeit ebenfalls. Denn darnach thut derjenige, welcher einen den
Werth seiner Leistung übersteigenden Preis von dem andern verlangt, und
dies dadurch beschönigt: daß er sonst nicht leben, nicht bestehn könne, nichts
anderes, als daß er bettelt. Ob jemand eine Gabe, unter einem solchen
das Mitleid erregenden Vorwande, von dem andern ohne alle Gegenleistung
anspricht, oder gegen eine im Werth weit geringere, bleibt sich dabei gleich.
Wie im erstern Falle das Ganze, was er erhält, so ist im letztern der Ueber¬
schuß über den Werth des von ihm dafür Gewährten ein Almosen, das man
ihm seiner bedrängten Umstände halber gibt. Mit dergleichen hat aber die
Volkswirthschaft ein für allemal nichts zu thun, indem sie einzig und allein
die Ausgleichung zwischen Leistung und Gegenleistung in freier Concurrenz als
legitim anerkennt, und dem Mitleid keinen Einfluß hierauf gestatten kann,
indem dergleichen sympathische Regungen, deren sittliches Verdienst hier nicht
weiter in Frage gestellt wird, niemals eine Grundlage für Regelung der Be¬
ziehungen im Haushalt der Gesellschaft abgeben können, ohne über kurz oder
lang den allgemeinen socialen Bankerott nach sich zu ziehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/272>, abgerufen am 24.08.2024.