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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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und Kosten aufwendet, um eine Sache herzustellen, bestimmt deren Werth,
wenn es auch auf seine Forderung von Einfluß sein mag, sondern die größere
oder geringere Schwierigkeit für den Consumenten, jene Sache zu erhalten.
Mag die Forderung des Producenten mit Rücksicht auf das, was ihm seine
Waare an Zeit, Mühe und Auslagen kostet, noch so niedrig sein, der Con-
sument wird sicher nicht darauf eingehen, so lange er dieselbe Waare anders
woher wohlfeiler bekommen kann. Und so billig es auf den ersten, flüchtigen
Hinblick erscheinen möchte, wenn jedes ArbeitSproduct seinem Verfertiger nach
Verhältniß der von ihm bei dessen Erzeugung aufgewendeten Zeit, Mühe und
Kosten bezahlt werden müßte, so wäre dies doch nicht nur die größte Un¬
gerechtigkeit, sondern auch das entsetzlichste Unglück für die ganze menschliche
Gesellschaft, denn dadurch würde allein der Trägheit, Beschränktheit und Un¬
geschicklichkeit Vorschub gethan, und aller und jeder Antrieb zu tüchtigem,
fleißigem, umsichtigen Geschäftsbetrieb vernichtet, was am Ende zur unaus¬
bleiblichen Folge hätte, daß die zur Befriedigung deS Gesammtbedürfnisseö der
Menschheit erforderlichen Güter in immer geringerer Menge und immer schlech¬
terer Beschaffenheit erzeugt werden würden. Man nehme nur auf der einen
Seite einen fleißigen, geschickten und umsichtigen Arbeiter, der eine Sache an¬
zugreifen weiß, die rechten Bezugs- und Absatzquellen kennt, auf gute Werk¬
zeuge und Material hält -- und auf der andern Seite einen trägen, unge¬
schickten, der nöthigsten Geschäftskenntniß entbehrenden, mit schlechtem Werk¬
zeug, schlechtem und theurem Material versehenen. Was der erste in wenigen
Tagen mit mäßigen Kosten herzustellen im Stande ist, dazu braucht der an¬
dere Wochen und hat ungleich mehr Unkosten, weil er nicht alle Vortheile
im Betriebe zu nutzen weiß, und vieles an Material unnütz verwendet und
verdirbt. Schließlich aber sind die Erzeugnisse beider auch noch in ihrer Qua¬
lität himmelweit verschieden. Was wäre nun die Folge, wenn der obige,
scheinbar so billige Grundsatz über den Preis der Arbeit entschiede? Offenbar
die: "daß der schlechte Arbeiter für sein schlechtes Erzeugnis) einen zwei- bis
dreimal höhern Preis in Anspruch nehmen könnte, als der tüchtige für sein
besseres," weil ersterer mehr an Zeit und Kosten aufgewendet, eS herzustellen!
Nein, was alsdann gilt, wenn jemand durch seine Thätigkeit gar nichts oder
.völlig unnütze Dinge, die kein Mensch mag, hervorbringt: Daß nämlich
eine solche Thätigkeit für die Gesellschaft werthlos ist und keinen Anspruch auf
Lohn gibt: das muß natürlich auch für den Fall gelten, wo einer zwar etwas
an sich Brauchbares hervorbringt, allein ein Mehr an Zeit und Kosten darauf
verwendet, als bei vernünftigem Betriebe dazu erforderlich ist. Denn dieses
von ihm verwendete Mehr ist für den eigentlichen Arbeitszweck ebenso verloren,
als bei jenen völlig nutzlosen Beschäftigungen das Ganze. Das Publicum ist
daher in seinem vollen Recht, wenn es niemals darnach fragt, was ein Er-


und Kosten aufwendet, um eine Sache herzustellen, bestimmt deren Werth,
wenn es auch auf seine Forderung von Einfluß sein mag, sondern die größere
oder geringere Schwierigkeit für den Consumenten, jene Sache zu erhalten.
Mag die Forderung des Producenten mit Rücksicht auf das, was ihm seine
Waare an Zeit, Mühe und Auslagen kostet, noch so niedrig sein, der Con-
sument wird sicher nicht darauf eingehen, so lange er dieselbe Waare anders
woher wohlfeiler bekommen kann. Und so billig es auf den ersten, flüchtigen
Hinblick erscheinen möchte, wenn jedes ArbeitSproduct seinem Verfertiger nach
Verhältniß der von ihm bei dessen Erzeugung aufgewendeten Zeit, Mühe und
Kosten bezahlt werden müßte, so wäre dies doch nicht nur die größte Un¬
gerechtigkeit, sondern auch das entsetzlichste Unglück für die ganze menschliche
Gesellschaft, denn dadurch würde allein der Trägheit, Beschränktheit und Un¬
geschicklichkeit Vorschub gethan, und aller und jeder Antrieb zu tüchtigem,
fleißigem, umsichtigen Geschäftsbetrieb vernichtet, was am Ende zur unaus¬
bleiblichen Folge hätte, daß die zur Befriedigung deS Gesammtbedürfnisseö der
Menschheit erforderlichen Güter in immer geringerer Menge und immer schlech¬
terer Beschaffenheit erzeugt werden würden. Man nehme nur auf der einen
Seite einen fleißigen, geschickten und umsichtigen Arbeiter, der eine Sache an¬
zugreifen weiß, die rechten Bezugs- und Absatzquellen kennt, auf gute Werk¬
zeuge und Material hält — und auf der andern Seite einen trägen, unge¬
schickten, der nöthigsten Geschäftskenntniß entbehrenden, mit schlechtem Werk¬
zeug, schlechtem und theurem Material versehenen. Was der erste in wenigen
Tagen mit mäßigen Kosten herzustellen im Stande ist, dazu braucht der an¬
dere Wochen und hat ungleich mehr Unkosten, weil er nicht alle Vortheile
im Betriebe zu nutzen weiß, und vieles an Material unnütz verwendet und
verdirbt. Schließlich aber sind die Erzeugnisse beider auch noch in ihrer Qua¬
lität himmelweit verschieden. Was wäre nun die Folge, wenn der obige,
scheinbar so billige Grundsatz über den Preis der Arbeit entschiede? Offenbar
die: „daß der schlechte Arbeiter für sein schlechtes Erzeugnis) einen zwei- bis
dreimal höhern Preis in Anspruch nehmen könnte, als der tüchtige für sein
besseres," weil ersterer mehr an Zeit und Kosten aufgewendet, eS herzustellen!
Nein, was alsdann gilt, wenn jemand durch seine Thätigkeit gar nichts oder
.völlig unnütze Dinge, die kein Mensch mag, hervorbringt: Daß nämlich
eine solche Thätigkeit für die Gesellschaft werthlos ist und keinen Anspruch auf
Lohn gibt: das muß natürlich auch für den Fall gelten, wo einer zwar etwas
an sich Brauchbares hervorbringt, allein ein Mehr an Zeit und Kosten darauf
verwendet, als bei vernünftigem Betriebe dazu erforderlich ist. Denn dieses
von ihm verwendete Mehr ist für den eigentlichen Arbeitszweck ebenso verloren,
als bei jenen völlig nutzlosen Beschäftigungen das Ganze. Das Publicum ist
daher in seinem vollen Recht, wenn es niemals darnach fragt, was ein Er-


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[0271] und Kosten aufwendet, um eine Sache herzustellen, bestimmt deren Werth, wenn es auch auf seine Forderung von Einfluß sein mag, sondern die größere oder geringere Schwierigkeit für den Consumenten, jene Sache zu erhalten. Mag die Forderung des Producenten mit Rücksicht auf das, was ihm seine Waare an Zeit, Mühe und Auslagen kostet, noch so niedrig sein, der Con- sument wird sicher nicht darauf eingehen, so lange er dieselbe Waare anders woher wohlfeiler bekommen kann. Und so billig es auf den ersten, flüchtigen Hinblick erscheinen möchte, wenn jedes ArbeitSproduct seinem Verfertiger nach Verhältniß der von ihm bei dessen Erzeugung aufgewendeten Zeit, Mühe und Kosten bezahlt werden müßte, so wäre dies doch nicht nur die größte Un¬ gerechtigkeit, sondern auch das entsetzlichste Unglück für die ganze menschliche Gesellschaft, denn dadurch würde allein der Trägheit, Beschränktheit und Un¬ geschicklichkeit Vorschub gethan, und aller und jeder Antrieb zu tüchtigem, fleißigem, umsichtigen Geschäftsbetrieb vernichtet, was am Ende zur unaus¬ bleiblichen Folge hätte, daß die zur Befriedigung deS Gesammtbedürfnisseö der Menschheit erforderlichen Güter in immer geringerer Menge und immer schlech¬ terer Beschaffenheit erzeugt werden würden. Man nehme nur auf der einen Seite einen fleißigen, geschickten und umsichtigen Arbeiter, der eine Sache an¬ zugreifen weiß, die rechten Bezugs- und Absatzquellen kennt, auf gute Werk¬ zeuge und Material hält — und auf der andern Seite einen trägen, unge¬ schickten, der nöthigsten Geschäftskenntniß entbehrenden, mit schlechtem Werk¬ zeug, schlechtem und theurem Material versehenen. Was der erste in wenigen Tagen mit mäßigen Kosten herzustellen im Stande ist, dazu braucht der an¬ dere Wochen und hat ungleich mehr Unkosten, weil er nicht alle Vortheile im Betriebe zu nutzen weiß, und vieles an Material unnütz verwendet und verdirbt. Schließlich aber sind die Erzeugnisse beider auch noch in ihrer Qua¬ lität himmelweit verschieden. Was wäre nun die Folge, wenn der obige, scheinbar so billige Grundsatz über den Preis der Arbeit entschiede? Offenbar die: „daß der schlechte Arbeiter für sein schlechtes Erzeugnis) einen zwei- bis dreimal höhern Preis in Anspruch nehmen könnte, als der tüchtige für sein besseres," weil ersterer mehr an Zeit und Kosten aufgewendet, eS herzustellen! Nein, was alsdann gilt, wenn jemand durch seine Thätigkeit gar nichts oder .völlig unnütze Dinge, die kein Mensch mag, hervorbringt: Daß nämlich eine solche Thätigkeit für die Gesellschaft werthlos ist und keinen Anspruch auf Lohn gibt: das muß natürlich auch für den Fall gelten, wo einer zwar etwas an sich Brauchbares hervorbringt, allein ein Mehr an Zeit und Kosten darauf verwendet, als bei vernünftigem Betriebe dazu erforderlich ist. Denn dieses von ihm verwendete Mehr ist für den eigentlichen Arbeitszweck ebenso verloren, als bei jenen völlig nutzlosen Beschäftigungen das Ganze. Das Publicum ist daher in seinem vollen Recht, wenn es niemals darnach fragt, was ein Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/271>, abgerufen am 22.07.2024.