Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.ohne Erhebung des Charakters. Niemals war diese Uneigennützigkeit so selten, ohne Erhebung des Charakters. Niemals war diese Uneigennützigkeit so selten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104462"/> <p xml:id="ID_701" prev="#ID_700" next="#ID_702"> ohne Erhebung des Charakters. Niemals war diese Uneigennützigkeit so selten,<lb/> niemals die Selbstsucht so concentrirt, niemals die Fähigkeit eines hingebenden<lb/> Gefühlsso verkümmert, sont 6e8 barbarss armvs eint ont en Kains l'orclrs<lb/> eini 1k8 prvtöAe, et n'aspirent ein'ü. 1<z renverssr violemment. — Biran war in<lb/> der Kammer nicht an seinem Platz. Seine Auffassung war langsam, für jeden<lb/> Fall drängten sich ihm unzählige Gesichtspunkte aus, die ihn schwer zur Ent¬<lb/> scheidung kommen ließen, sein Stil trug das Gepräge deS einsamen und ab-<lb/> stracten Denkens. Dazu kam noch eine schwache Stimme und andere Aeußer-<lb/> lichkeiten, mit einem Wort, daS parlamentarische Wesen erschien ihm fehlerhaft,<lb/> we.it er sich verpflichtet glaubte, innerhalb desselben zu wirken, und es doch<lb/> nicht konnte. Desto günstiger war die Stellung innerhalb der wissenschaftlichen<lb/> Reaction, die sich von allen Seiten gegen den Sensualismus erhob. Wenn<lb/> es den Eklektikern hauptsächlich darauf ankam, unmittelbar auf die Ueberzeu¬<lb/> gungen der Jugend einzuwirken, so war es ihnen doch keineswegs unbequem,<lb/> in Bezug auf die methaphysische Begründung ihrer Ansichten auf Birans Werke<lb/> zu verweisen, die an Tiefsinn alle frühern Philosophen überbieten sollten.<lb/> Biran bemühte sich im Anfang eifrig, ihren neuen Forschungen, namentlich<lb/> über die Philosophie der Geschichte, zu folgen, aber er verlor bald die Lust,<lb/> vertiefte sich wieder in sein Inneres und entfloh dem geräuschvollen Leben der<lb/> Hauptstadt, um in der Einsamkeit seines Landguts seine Meditationen fortzu¬<lb/> setzen. Auch hier fand er nicht die Ruhe, die daS Ziel seines Lebens war; er<lb/> fühlte, daß seinem Leben etwas fehle. Seine Tagebücher sind voll von Klagen<lb/> und Wünschen. >l«z n'al <Z<z bg.se, pss ü'axpui, M8 ä<z modils oonswnt: ^'s<lb/> soussrö. (18-17). „Wo finde ich etwas, das sich gleich bleibe, sei eS in mir oder<lb/> außer mir? In mir verwischt die Zeit die süßesten und lebhaftesten Empfin¬<lb/> dungen; die Ideen verwischen sich, die mein geistiges Leben beseelten. Drau¬<lb/> ßen verwandeln sich die Gegenstände, und bleiben sie sich auch gleich, sie füllen<lb/> doch die Seele nicht aus, sie geben ihr keine Befriedigung. Woran soll ich<lb/> den Gedanken heften, damit er sich wiederfinde, sich stärke und sich genüge?"<lb/> (1819). Er hatte seine ganze Philosophie an? einen einzigen Punkt basirt,<lb/> auf die Freiheit des Willens, und er fühlte an der Unstetigkeit seines eignen<lb/> Willens das Schwankende dieser Stütze. Auch der Wille nährt sich von Ideen,<lb/> und diese bilden ebenso eine den Menschen überwältigende Welt, als die sinn¬<lb/> lichen Eindrücke. Die Uebersinnlichkeit der Ideen angenommen, muß man die<lb/> Quelle derselben zu entdecken streben. Seine Metaphysik führte ihn nicht zum<lb/> Absoluten, seine frühere Erziehung hatte wenige religiöse Keime in ihm zurück¬<lb/> gelassen, aber das Bedürfniß erregte in ihm den Durst nach Gott. ?our ins<lb/> T^unir ein Ässsspoir, ^<z pönserai ü, visu, ins relussisrai <Zan8 8on ssw.<lb/> Namentlich seit 1818 wird die religiöse Sehnsucht mächtig über ihn. Gott ist<lb/> ihm der absolute Wille, dessen sein eigner schwankender Wille als Stütze be-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
ohne Erhebung des Charakters. Niemals war diese Uneigennützigkeit so selten,
niemals die Selbstsucht so concentrirt, niemals die Fähigkeit eines hingebenden
Gefühlsso verkümmert, sont 6e8 barbarss armvs eint ont en Kains l'orclrs
eini 1k8 prvtöAe, et n'aspirent ein'ü. 1<z renverssr violemment. — Biran war in
der Kammer nicht an seinem Platz. Seine Auffassung war langsam, für jeden
Fall drängten sich ihm unzählige Gesichtspunkte aus, die ihn schwer zur Ent¬
scheidung kommen ließen, sein Stil trug das Gepräge deS einsamen und ab-
stracten Denkens. Dazu kam noch eine schwache Stimme und andere Aeußer-
lichkeiten, mit einem Wort, daS parlamentarische Wesen erschien ihm fehlerhaft,
we.it er sich verpflichtet glaubte, innerhalb desselben zu wirken, und es doch
nicht konnte. Desto günstiger war die Stellung innerhalb der wissenschaftlichen
Reaction, die sich von allen Seiten gegen den Sensualismus erhob. Wenn
es den Eklektikern hauptsächlich darauf ankam, unmittelbar auf die Ueberzeu¬
gungen der Jugend einzuwirken, so war es ihnen doch keineswegs unbequem,
in Bezug auf die methaphysische Begründung ihrer Ansichten auf Birans Werke
zu verweisen, die an Tiefsinn alle frühern Philosophen überbieten sollten.
Biran bemühte sich im Anfang eifrig, ihren neuen Forschungen, namentlich
über die Philosophie der Geschichte, zu folgen, aber er verlor bald die Lust,
vertiefte sich wieder in sein Inneres und entfloh dem geräuschvollen Leben der
Hauptstadt, um in der Einsamkeit seines Landguts seine Meditationen fortzu¬
setzen. Auch hier fand er nicht die Ruhe, die daS Ziel seines Lebens war; er
fühlte, daß seinem Leben etwas fehle. Seine Tagebücher sind voll von Klagen
und Wünschen. >l«z n'al <Z<z bg.se, pss ü'axpui, M8 ä<z modils oonswnt: ^'s
soussrö. (18-17). „Wo finde ich etwas, das sich gleich bleibe, sei eS in mir oder
außer mir? In mir verwischt die Zeit die süßesten und lebhaftesten Empfin¬
dungen; die Ideen verwischen sich, die mein geistiges Leben beseelten. Drau¬
ßen verwandeln sich die Gegenstände, und bleiben sie sich auch gleich, sie füllen
doch die Seele nicht aus, sie geben ihr keine Befriedigung. Woran soll ich
den Gedanken heften, damit er sich wiederfinde, sich stärke und sich genüge?"
(1819). Er hatte seine ganze Philosophie an? einen einzigen Punkt basirt,
auf die Freiheit des Willens, und er fühlte an der Unstetigkeit seines eignen
Willens das Schwankende dieser Stütze. Auch der Wille nährt sich von Ideen,
und diese bilden ebenso eine den Menschen überwältigende Welt, als die sinn¬
lichen Eindrücke. Die Uebersinnlichkeit der Ideen angenommen, muß man die
Quelle derselben zu entdecken streben. Seine Metaphysik führte ihn nicht zum
Absoluten, seine frühere Erziehung hatte wenige religiöse Keime in ihm zurück¬
gelassen, aber das Bedürfniß erregte in ihm den Durst nach Gott. ?our ins
T^unir ein Ässsspoir, ^<z pönserai ü, visu, ins relussisrai <Zan8 8on ssw.
Namentlich seit 1818 wird die religiöse Sehnsucht mächtig über ihn. Gott ist
ihm der absolute Wille, dessen sein eigner schwankender Wille als Stütze be-
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