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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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überwältigt, während in der Ostsee ein Bombardement gegen die am weitesten
vorgelegenen Werke von Sweaborg ausgeführt wurde.

Man erinnert sich wol deutlich der großen und hochgespannter Erwartungen,
welche die alliirten Flotten ins schwarze und baltische Meer geleiteten. Man
glaubte bei der Verbesserung, welche die Schiffsartillerie erfahren und bei der
größeren und gesicherteren Bewegungsfähigkeit, welche die Schraube den Fahr¬
zeugen gab, nichts Geringeres erwarten zu dürfen, als ein gewaltsames Ein¬
dringen der verbündeten Flotten in die Buchten von Sebastopöl und Kron¬
stäbe. Man hat sich dabei durchaus getäuscht und zwar weniger darum, weil
man die Zerstörungsgewalt der Artillerie und die Leistungsfähigkeit der Schisss¬
schraube überschätzte, als weil man nicht mit in Rechnung zog, daß der Geg¬
ner sich ebenfalls im Besitz einer nach modernen Principien ausgerüsteten
Geschützmacht befand, daß ferner, wenn auch der Bewegungsapparat eines
Schraubendampsers gegen das feindliche Feuer gesichert sein mag, es dennoch
keineswegs das Fahrzeug selbst ist, und daß bei der freien Action wider den
am Strande fortificatorisch etablirten Feind Bedenken eintreten, welche auch
dem muthigsten und rücksichtslosesten Vorgehen eine Grenze stecken. Das
Resultat, welches man aus den vorerwähnten Vorgängen hat ziehen können,
war aber dieses, daß gegen Küstenbefestigungen die für das Gefecht auf hohem
Meere Schiff gegen Schiff berechneten Schraubenzweidecker, Dreidecker und
Fregatten keine ausreichende Waffe sind; daß es dazu Fahrzeuge bedarf,
deren treibender Mechanismus nicht nur gegen die feindlichen Kugeln sicher
gestellt ist, sondern die selbst durch ihre Construction gegen eine Zerstörung
bewahrt werden, und daß man demnach in Zukunft zwischen einer
Gefechts- und Belagerungsmarine zu unterscheiden haben wird.

Gehen wir jetzt aus die einzelnen Fälle, welche der Krieg darbietet, im
Näheren ein. Eröffnet werden dieselben durch die Beschießung von Odessa.
(April 185i). Dieselbe ist wichtig, weil sie constatirt, daß, gegenüber einer
nur aus mittleren und kleinen Kalibern bestehenden Küstenartillerie, die mo¬
dernen Kriegsfahrzeuge sich in der Ueberlegenheit befinden und die Entscheidung
zuletzt zu ihrem Vortheil ausschlagen muß. Wie man weiß ist Odessa kein
Kriegshafen, und die dort vor Beginn des Krieges errichteten Batterien be¬
standen nur aus Geschützständen hinter Erdbrustwehren. Die stärksten vorhan¬
denen Kaliber gingen nicht über den Al-Pfünder hinaus. Hieraus ergaben
sich für den Angriff sofort zwei wichtige Vortheile: er brauchte nicht zu fürch¬
ten, mit großen Hvhlkugeln beschossen zu werden, weil ein 24-Pfünder deren
nicht größere als unsere preußischen leichten Feldhaubitzen (die siebenpfün-
digen) zu schleudern vermag, und es war außerdem leicht, sich außerhalb der
wirksamen Schußweite zu halten, die für den 2i-Pfünder sich nicht über
2500 Schritte hinaus erstreckt. Diesen Umständen entsprechend wurden die


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überwältigt, während in der Ostsee ein Bombardement gegen die am weitesten
vorgelegenen Werke von Sweaborg ausgeführt wurde.

Man erinnert sich wol deutlich der großen und hochgespannter Erwartungen,
welche die alliirten Flotten ins schwarze und baltische Meer geleiteten. Man
glaubte bei der Verbesserung, welche die Schiffsartillerie erfahren und bei der
größeren und gesicherteren Bewegungsfähigkeit, welche die Schraube den Fahr¬
zeugen gab, nichts Geringeres erwarten zu dürfen, als ein gewaltsames Ein¬
dringen der verbündeten Flotten in die Buchten von Sebastopöl und Kron¬
stäbe. Man hat sich dabei durchaus getäuscht und zwar weniger darum, weil
man die Zerstörungsgewalt der Artillerie und die Leistungsfähigkeit der Schisss¬
schraube überschätzte, als weil man nicht mit in Rechnung zog, daß der Geg¬
ner sich ebenfalls im Besitz einer nach modernen Principien ausgerüsteten
Geschützmacht befand, daß ferner, wenn auch der Bewegungsapparat eines
Schraubendampsers gegen das feindliche Feuer gesichert sein mag, es dennoch
keineswegs das Fahrzeug selbst ist, und daß bei der freien Action wider den
am Strande fortificatorisch etablirten Feind Bedenken eintreten, welche auch
dem muthigsten und rücksichtslosesten Vorgehen eine Grenze stecken. Das
Resultat, welches man aus den vorerwähnten Vorgängen hat ziehen können,
war aber dieses, daß gegen Küstenbefestigungen die für das Gefecht auf hohem
Meere Schiff gegen Schiff berechneten Schraubenzweidecker, Dreidecker und
Fregatten keine ausreichende Waffe sind; daß es dazu Fahrzeuge bedarf,
deren treibender Mechanismus nicht nur gegen die feindlichen Kugeln sicher
gestellt ist, sondern die selbst durch ihre Construction gegen eine Zerstörung
bewahrt werden, und daß man demnach in Zukunft zwischen einer
Gefechts- und Belagerungsmarine zu unterscheiden haben wird.

Gehen wir jetzt aus die einzelnen Fälle, welche der Krieg darbietet, im
Näheren ein. Eröffnet werden dieselben durch die Beschießung von Odessa.
(April 185i). Dieselbe ist wichtig, weil sie constatirt, daß, gegenüber einer
nur aus mittleren und kleinen Kalibern bestehenden Küstenartillerie, die mo¬
dernen Kriegsfahrzeuge sich in der Ueberlegenheit befinden und die Entscheidung
zuletzt zu ihrem Vortheil ausschlagen muß. Wie man weiß ist Odessa kein
Kriegshafen, und die dort vor Beginn des Krieges errichteten Batterien be¬
standen nur aus Geschützständen hinter Erdbrustwehren. Die stärksten vorhan¬
denen Kaliber gingen nicht über den Al-Pfünder hinaus. Hieraus ergaben
sich für den Angriff sofort zwei wichtige Vortheile: er brauchte nicht zu fürch¬
ten, mit großen Hvhlkugeln beschossen zu werden, weil ein 24-Pfünder deren
nicht größere als unsere preußischen leichten Feldhaubitzen (die siebenpfün-
digen) zu schleudern vermag, und es war außerdem leicht, sich außerhalb der
wirksamen Schußweite zu halten, die für den 2i-Pfünder sich nicht über
2500 Schritte hinaus erstreckt. Diesen Umständen entsprechend wurden die


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[0179] überwältigt, während in der Ostsee ein Bombardement gegen die am weitesten vorgelegenen Werke von Sweaborg ausgeführt wurde. Man erinnert sich wol deutlich der großen und hochgespannter Erwartungen, welche die alliirten Flotten ins schwarze und baltische Meer geleiteten. Man glaubte bei der Verbesserung, welche die Schiffsartillerie erfahren und bei der größeren und gesicherteren Bewegungsfähigkeit, welche die Schraube den Fahr¬ zeugen gab, nichts Geringeres erwarten zu dürfen, als ein gewaltsames Ein¬ dringen der verbündeten Flotten in die Buchten von Sebastopöl und Kron¬ stäbe. Man hat sich dabei durchaus getäuscht und zwar weniger darum, weil man die Zerstörungsgewalt der Artillerie und die Leistungsfähigkeit der Schisss¬ schraube überschätzte, als weil man nicht mit in Rechnung zog, daß der Geg¬ ner sich ebenfalls im Besitz einer nach modernen Principien ausgerüsteten Geschützmacht befand, daß ferner, wenn auch der Bewegungsapparat eines Schraubendampsers gegen das feindliche Feuer gesichert sein mag, es dennoch keineswegs das Fahrzeug selbst ist, und daß bei der freien Action wider den am Strande fortificatorisch etablirten Feind Bedenken eintreten, welche auch dem muthigsten und rücksichtslosesten Vorgehen eine Grenze stecken. Das Resultat, welches man aus den vorerwähnten Vorgängen hat ziehen können, war aber dieses, daß gegen Küstenbefestigungen die für das Gefecht auf hohem Meere Schiff gegen Schiff berechneten Schraubenzweidecker, Dreidecker und Fregatten keine ausreichende Waffe sind; daß es dazu Fahrzeuge bedarf, deren treibender Mechanismus nicht nur gegen die feindlichen Kugeln sicher gestellt ist, sondern die selbst durch ihre Construction gegen eine Zerstörung bewahrt werden, und daß man demnach in Zukunft zwischen einer Gefechts- und Belagerungsmarine zu unterscheiden haben wird. Gehen wir jetzt aus die einzelnen Fälle, welche der Krieg darbietet, im Näheren ein. Eröffnet werden dieselben durch die Beschießung von Odessa. (April 185i). Dieselbe ist wichtig, weil sie constatirt, daß, gegenüber einer nur aus mittleren und kleinen Kalibern bestehenden Küstenartillerie, die mo¬ dernen Kriegsfahrzeuge sich in der Ueberlegenheit befinden und die Entscheidung zuletzt zu ihrem Vortheil ausschlagen muß. Wie man weiß ist Odessa kein Kriegshafen, und die dort vor Beginn des Krieges errichteten Batterien be¬ standen nur aus Geschützständen hinter Erdbrustwehren. Die stärksten vorhan¬ denen Kaliber gingen nicht über den Al-Pfünder hinaus. Hieraus ergaben sich für den Angriff sofort zwei wichtige Vortheile: er brauchte nicht zu fürch¬ ten, mit großen Hvhlkugeln beschossen zu werden, weil ein 24-Pfünder deren nicht größere als unsere preußischen leichten Feldhaubitzen (die siebenpfün- digen) zu schleudern vermag, und es war außerdem leicht, sich außerhalb der wirksamen Schußweite zu halten, die für den 2i-Pfünder sich nicht über 2500 Schritte hinaus erstreckt. Diesen Umständen entsprechend wurden die 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/179>, abgerufen am 12.12.2024.