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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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schlachtet, die Sklaven erhielten ein Maß Wein mehr als gewöhnlich, saßen
mit der Herrschaft zu Tisch und genossen überhaupt eine Scheinsreiheit. An dem
andern Fest hing man an den Hausthüren und Kreuzwegen so viel wollene
Puppen auf, als Menschen im Hause waren,, damit die Götter der Lebenden
schonen und sich mit diesen stellvertretenden Opfern begnügen möchten.

Aus Catos Vorschriften für den Meier und die Meierin steht man, daß
die Besitzer schon damals bei ihren Leuten dem Hange zur Frömmelei und
allerlei Aberglauben zu steuern hatten, zu dem das Landvolk und namentlich
die Frauen im Alterthum, wie in neuerer Zeit überall geneigt hat. Schon
begann der Unfug der orientalischen Sterndeutern in Italien sich einzunisten
und diese und andre Wahrsager auf dem Lande umherzuziehen. Feldzauber war
schon in den Zwölftafelgesetzen verboten, und Wetterzauber, Behexung der
Saat und des Viehs ist ebenfalls ohne Zweifel schon in alter Zeit geglaubt und
geübt worden. Nicht minder streng aber alö die unnützen und unbefugten Opfer
und Gottesdienste verpönt waren, wurde von den Gutsbesitzern jener Zeit auf
die Beobachtung der vorgeschriebenen heiligen Gebräuche gehalten. In jedem
Jahr wurde ein Gelübde für das Gedeihen der Rinder gethan, kein Spaten
an unberührtes Erdreich gesetzt, kein Hain gelichtet, ohne ein VersöhnungSopfer
für den Gott oder für die Göttin, in deren heiligen Bezirk man etwa unbe¬
wußterweise eingedrungen wäre. Jedes Jahr wurde ein Schwein, ein Schaf
und ein Stier als Opfer um die jungen Saaten geführt, und folgendes Gebet
dabei gehalten: "Vater Mars, ich flehe zu dir und bitte dich, daß du mir
gnädig seist, meinem Hause und meinen Leuten, um dessenwillen habe ich um
mein Feld, Land und Boden das Schwein, Schaf und den Stier führen lassen.
Ich bitte dich, daß du sichtbare und unsichtbare Krankheiten, Hungersnoth und
Verwüstung, Hagelschlag und Unwetter von mir wehren, abwenden und fern¬
halten mögest. Daß du Saat und Früchte, Weinstöcke und Bäume wachsen
und gedeihen lassen mögest. Daß du Hirten und Vieh gesund erhalten und
gutes Gedeih" und Gesundheit verleihen mögest mir und meinem Hause und
meinen Leuten. Um dessenwillen, auf daß mein Feld, Land und Boden
gesichert sei, nimm dies Opfer des Schweins, Schafs und Stieres gnädig an."

Der Hausherr erfüllte übrigens nicht blos die Gebote der Religion für
seine Angehörigen und in ihrem Namen, sondern heilte auch ihre leiblichen
Uebel und Schäden. Calvo Buch enthalt eine Anzahl von Hausmitteln, die
für den damaligen Zustand der Medicin nicht ohne Interesse sind. Sie waren,
wie er selbst rühmte, erprobt; denn mit der selbstverordneten Diät und den
eignen Vorschriften habe er sich und die Seinigen gesund erhalten. Fasten
durfte bei ihm ein Patient niemals, sondern sie bekamen "Gemüse, Enten,
Tauben oder Hasenbraten zu essen; dies war, wie er bemerkte, eine leichte und
angenehme Diät, nur daß man viel dabei träumte. Gegen die wissenschaftliche


schlachtet, die Sklaven erhielten ein Maß Wein mehr als gewöhnlich, saßen
mit der Herrschaft zu Tisch und genossen überhaupt eine Scheinsreiheit. An dem
andern Fest hing man an den Hausthüren und Kreuzwegen so viel wollene
Puppen auf, als Menschen im Hause waren,, damit die Götter der Lebenden
schonen und sich mit diesen stellvertretenden Opfern begnügen möchten.

Aus Catos Vorschriften für den Meier und die Meierin steht man, daß
die Besitzer schon damals bei ihren Leuten dem Hange zur Frömmelei und
allerlei Aberglauben zu steuern hatten, zu dem das Landvolk und namentlich
die Frauen im Alterthum, wie in neuerer Zeit überall geneigt hat. Schon
begann der Unfug der orientalischen Sterndeutern in Italien sich einzunisten
und diese und andre Wahrsager auf dem Lande umherzuziehen. Feldzauber war
schon in den Zwölftafelgesetzen verboten, und Wetterzauber, Behexung der
Saat und des Viehs ist ebenfalls ohne Zweifel schon in alter Zeit geglaubt und
geübt worden. Nicht minder streng aber alö die unnützen und unbefugten Opfer
und Gottesdienste verpönt waren, wurde von den Gutsbesitzern jener Zeit auf
die Beobachtung der vorgeschriebenen heiligen Gebräuche gehalten. In jedem
Jahr wurde ein Gelübde für das Gedeihen der Rinder gethan, kein Spaten
an unberührtes Erdreich gesetzt, kein Hain gelichtet, ohne ein VersöhnungSopfer
für den Gott oder für die Göttin, in deren heiligen Bezirk man etwa unbe¬
wußterweise eingedrungen wäre. Jedes Jahr wurde ein Schwein, ein Schaf
und ein Stier als Opfer um die jungen Saaten geführt, und folgendes Gebet
dabei gehalten: „Vater Mars, ich flehe zu dir und bitte dich, daß du mir
gnädig seist, meinem Hause und meinen Leuten, um dessenwillen habe ich um
mein Feld, Land und Boden das Schwein, Schaf und den Stier führen lassen.
Ich bitte dich, daß du sichtbare und unsichtbare Krankheiten, Hungersnoth und
Verwüstung, Hagelschlag und Unwetter von mir wehren, abwenden und fern¬
halten mögest. Daß du Saat und Früchte, Weinstöcke und Bäume wachsen
und gedeihen lassen mögest. Daß du Hirten und Vieh gesund erhalten und
gutes Gedeih« und Gesundheit verleihen mögest mir und meinem Hause und
meinen Leuten. Um dessenwillen, auf daß mein Feld, Land und Boden
gesichert sei, nimm dies Opfer des Schweins, Schafs und Stieres gnädig an."

Der Hausherr erfüllte übrigens nicht blos die Gebote der Religion für
seine Angehörigen und in ihrem Namen, sondern heilte auch ihre leiblichen
Uebel und Schäden. Calvo Buch enthalt eine Anzahl von Hausmitteln, die
für den damaligen Zustand der Medicin nicht ohne Interesse sind. Sie waren,
wie er selbst rühmte, erprobt; denn mit der selbstverordneten Diät und den
eignen Vorschriften habe er sich und die Seinigen gesund erhalten. Fasten
durfte bei ihm ein Patient niemals, sondern sie bekamen „Gemüse, Enten,
Tauben oder Hasenbraten zu essen; dies war, wie er bemerkte, eine leichte und
angenehme Diät, nur daß man viel dabei träumte. Gegen die wissenschaftliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/148>, abgerufen am 01.07.2024.