Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auch zuerst zu scheitern und zwar grade an dem Punkte, wo. sie sich und der
Welt die meisten Erfolge versprach, an ihrer Unvereinbarkeit mit dem wirth¬
schaftlichen Gedeihen.

Freilich hat Louis Napoleon wiederholt es ausgesprochen, daß das
materielle Gedeihen Frankreichs sein und seiner Regierung Werk sei, allein diesen
Fortschritt auch vorausgesetzt, ist das eine Redeweise, von der sich nicht einmal
der nordamerikanische Präsident, geschweige denn irgend ein Monarch und nun
gar ein neufranzösischer freizuhalten weiß. Dem lieben Gott wird aus Höflich¬
keit so viel Antheil dabei gelassen, als man nicht umhin kann, anzuerkennen,
daß keine Regierung die Sonne scheinen und Regen fallen lasse; allein diese
schönen Gaben der Natur, wer anders hat das Volk in den Stand gesetzt, sie
vollständig zu benutzen, als diese oder jene weise Regierung? In Ane"ka
und in England soll die Phrase in der Regel nichts Anderes bedeuten, als
daß man Hindernisse im Verkehr entfernt habe, in Frankreich ist dagegen allen
Ernstes damit der Sinn verknüpft, daß die Regierung dabei in positiver Weise
eingegriffen habe. Das schiebt denn auch die Verantwortlichkeiten der ver¬
schiedenen Regierungen auf ganz verschiedene Flecke; die größte fällt natür¬
lich der französischen zu. Allein der ganze Gedanke eines günstigen Einflusses
von Regierungen auf das wirthschaftliche Gedeihen der Völker paßt bis auf
einen unbedeutenden Bruchtheil für unsere Zeiten nicht mehr. Dampf- und
Maschinenkrast, die Verbreitung der allgemeinen Bildung zum großen Theile
mit infolge deS regern Verkehrs, die gesteigerte Erfindungsgabe, das sind die
Regenten, welche das größere Gedeihen herbeizaubern. Soweit man übersehen
kann, waren es grade die Regierungen, welche dieser Entwicklung Hemmnisse
entgegenlegten. Die ersten Eisenbahnen sind von Privaten erbaut worden, und
man braucht nicht grade sehr alt zu sein, um sich zu erinnern, wie von oben her
der Nutzen der Eisenbahnen sehr ernstlich in Frage gestellt wurde. Und wäh¬
rend nun die Menschen sich abmühen und streben, dem Gewinn nachjagen und
größere Genußmittel erwerben, während sie dadurch zugleich die producirende
Thätigkeit fördern, den Regierungen mitunter selbst neue Steuerobjecte ver¬
schaffen, treten diese auf und sagen: lieben Leute, wir sinds, die direct oder
indirect euch zu all diesen Wundern verholfen haben! Als wenn es für irgend
eine dieser Regierungen nur möglich gewesen wäre, anders zu handeln.

ES ist dies ein sür die Beurtheilung der französischen Zustände besonders
wichtiger Punkt. Bekanntlich ist vor einiger Zeit in französischen und eng¬
lischen Blättern eine nicht uninteressante Polemik darüber geführt worden, ob
Frankreich wirklich wirthschaftlich so zurückgeschritten sei, wie es vielfach be¬
hauptet wurde. Die, welche diese Ansicht vertraten, stützten sich auf die Be-
völkerungStabellen, die auffallenderweise grade auf dem platten Lande eine
verminderte Zahl und ganz im Allgemeinen für Frankreich eine rückläufige


16 *

auch zuerst zu scheitern und zwar grade an dem Punkte, wo. sie sich und der
Welt die meisten Erfolge versprach, an ihrer Unvereinbarkeit mit dem wirth¬
schaftlichen Gedeihen.

Freilich hat Louis Napoleon wiederholt es ausgesprochen, daß das
materielle Gedeihen Frankreichs sein und seiner Regierung Werk sei, allein diesen
Fortschritt auch vorausgesetzt, ist das eine Redeweise, von der sich nicht einmal
der nordamerikanische Präsident, geschweige denn irgend ein Monarch und nun
gar ein neufranzösischer freizuhalten weiß. Dem lieben Gott wird aus Höflich¬
keit so viel Antheil dabei gelassen, als man nicht umhin kann, anzuerkennen,
daß keine Regierung die Sonne scheinen und Regen fallen lasse; allein diese
schönen Gaben der Natur, wer anders hat das Volk in den Stand gesetzt, sie
vollständig zu benutzen, als diese oder jene weise Regierung? In Ane«ka
und in England soll die Phrase in der Regel nichts Anderes bedeuten, als
daß man Hindernisse im Verkehr entfernt habe, in Frankreich ist dagegen allen
Ernstes damit der Sinn verknüpft, daß die Regierung dabei in positiver Weise
eingegriffen habe. Das schiebt denn auch die Verantwortlichkeiten der ver¬
schiedenen Regierungen auf ganz verschiedene Flecke; die größte fällt natür¬
lich der französischen zu. Allein der ganze Gedanke eines günstigen Einflusses
von Regierungen auf das wirthschaftliche Gedeihen der Völker paßt bis auf
einen unbedeutenden Bruchtheil für unsere Zeiten nicht mehr. Dampf- und
Maschinenkrast, die Verbreitung der allgemeinen Bildung zum großen Theile
mit infolge deS regern Verkehrs, die gesteigerte Erfindungsgabe, das sind die
Regenten, welche das größere Gedeihen herbeizaubern. Soweit man übersehen
kann, waren es grade die Regierungen, welche dieser Entwicklung Hemmnisse
entgegenlegten. Die ersten Eisenbahnen sind von Privaten erbaut worden, und
man braucht nicht grade sehr alt zu sein, um sich zu erinnern, wie von oben her
der Nutzen der Eisenbahnen sehr ernstlich in Frage gestellt wurde. Und wäh¬
rend nun die Menschen sich abmühen und streben, dem Gewinn nachjagen und
größere Genußmittel erwerben, während sie dadurch zugleich die producirende
Thätigkeit fördern, den Regierungen mitunter selbst neue Steuerobjecte ver¬
schaffen, treten diese auf und sagen: lieben Leute, wir sinds, die direct oder
indirect euch zu all diesen Wundern verholfen haben! Als wenn es für irgend
eine dieser Regierungen nur möglich gewesen wäre, anders zu handeln.

ES ist dies ein sür die Beurtheilung der französischen Zustände besonders
wichtiger Punkt. Bekanntlich ist vor einiger Zeit in französischen und eng¬
lischen Blättern eine nicht uninteressante Polemik darüber geführt worden, ob
Frankreich wirklich wirthschaftlich so zurückgeschritten sei, wie es vielfach be¬
hauptet wurde. Die, welche diese Ansicht vertraten, stützten sich auf die Be-
völkerungStabellen, die auffallenderweise grade auf dem platten Lande eine
verminderte Zahl und ganz im Allgemeinen für Frankreich eine rückläufige


16 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104332"/>
          <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> auch zuerst zu scheitern und zwar grade an dem Punkte, wo. sie sich und der<lb/>
Welt die meisten Erfolge versprach, an ihrer Unvereinbarkeit mit dem wirth¬<lb/>
schaftlichen Gedeihen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_351"> Freilich hat Louis Napoleon wiederholt es ausgesprochen, daß das<lb/>
materielle Gedeihen Frankreichs sein und seiner Regierung Werk sei, allein diesen<lb/>
Fortschritt auch vorausgesetzt, ist das eine Redeweise, von der sich nicht einmal<lb/>
der nordamerikanische Präsident, geschweige denn irgend ein Monarch und nun<lb/>
gar ein neufranzösischer freizuhalten weiß. Dem lieben Gott wird aus Höflich¬<lb/>
keit so viel Antheil dabei gelassen, als man nicht umhin kann, anzuerkennen,<lb/>
daß keine Regierung die Sonne scheinen und Regen fallen lasse; allein diese<lb/>
schönen Gaben der Natur, wer anders hat das Volk in den Stand gesetzt, sie<lb/>
vollständig zu benutzen, als diese oder jene weise Regierung? In Ane«ka<lb/>
und in England soll die Phrase in der Regel nichts Anderes bedeuten, als<lb/>
daß man Hindernisse im Verkehr entfernt habe, in Frankreich ist dagegen allen<lb/>
Ernstes damit der Sinn verknüpft, daß die Regierung dabei in positiver Weise<lb/>
eingegriffen habe. Das schiebt denn auch die Verantwortlichkeiten der ver¬<lb/>
schiedenen Regierungen auf ganz verschiedene Flecke; die größte fällt natür¬<lb/>
lich der französischen zu. Allein der ganze Gedanke eines günstigen Einflusses<lb/>
von Regierungen auf das wirthschaftliche Gedeihen der Völker paßt bis auf<lb/>
einen unbedeutenden Bruchtheil für unsere Zeiten nicht mehr. Dampf- und<lb/>
Maschinenkrast, die Verbreitung der allgemeinen Bildung zum großen Theile<lb/>
mit infolge deS regern Verkehrs, die gesteigerte Erfindungsgabe, das sind die<lb/>
Regenten, welche das größere Gedeihen herbeizaubern. Soweit man übersehen<lb/>
kann, waren es grade die Regierungen, welche dieser Entwicklung Hemmnisse<lb/>
entgegenlegten. Die ersten Eisenbahnen sind von Privaten erbaut worden, und<lb/>
man braucht nicht grade sehr alt zu sein, um sich zu erinnern, wie von oben her<lb/>
der Nutzen der Eisenbahnen sehr ernstlich in Frage gestellt wurde. Und wäh¬<lb/>
rend nun die Menschen sich abmühen und streben, dem Gewinn nachjagen und<lb/>
größere Genußmittel erwerben, während sie dadurch zugleich die producirende<lb/>
Thätigkeit fördern, den Regierungen mitunter selbst neue Steuerobjecte ver¬<lb/>
schaffen, treten diese auf und sagen: lieben Leute, wir sinds, die direct oder<lb/>
indirect euch zu all diesen Wundern verholfen haben! Als wenn es für irgend<lb/>
eine dieser Regierungen nur möglich gewesen wäre, anders zu handeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_352" next="#ID_353"> ES ist dies ein sür die Beurtheilung der französischen Zustände besonders<lb/>
wichtiger Punkt. Bekanntlich ist vor einiger Zeit in französischen und eng¬<lb/>
lischen Blättern eine nicht uninteressante Polemik darüber geführt worden, ob<lb/>
Frankreich wirklich wirthschaftlich so zurückgeschritten sei, wie es vielfach be¬<lb/>
hauptet wurde. Die, welche diese Ansicht vertraten, stützten sich auf die Be-<lb/>
völkerungStabellen, die auffallenderweise grade auf dem platten Lande eine<lb/>
verminderte Zahl und ganz im Allgemeinen für Frankreich eine rückläufige</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 16 *</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] auch zuerst zu scheitern und zwar grade an dem Punkte, wo. sie sich und der Welt die meisten Erfolge versprach, an ihrer Unvereinbarkeit mit dem wirth¬ schaftlichen Gedeihen. Freilich hat Louis Napoleon wiederholt es ausgesprochen, daß das materielle Gedeihen Frankreichs sein und seiner Regierung Werk sei, allein diesen Fortschritt auch vorausgesetzt, ist das eine Redeweise, von der sich nicht einmal der nordamerikanische Präsident, geschweige denn irgend ein Monarch und nun gar ein neufranzösischer freizuhalten weiß. Dem lieben Gott wird aus Höflich¬ keit so viel Antheil dabei gelassen, als man nicht umhin kann, anzuerkennen, daß keine Regierung die Sonne scheinen und Regen fallen lasse; allein diese schönen Gaben der Natur, wer anders hat das Volk in den Stand gesetzt, sie vollständig zu benutzen, als diese oder jene weise Regierung? In Ane«ka und in England soll die Phrase in der Regel nichts Anderes bedeuten, als daß man Hindernisse im Verkehr entfernt habe, in Frankreich ist dagegen allen Ernstes damit der Sinn verknüpft, daß die Regierung dabei in positiver Weise eingegriffen habe. Das schiebt denn auch die Verantwortlichkeiten der ver¬ schiedenen Regierungen auf ganz verschiedene Flecke; die größte fällt natür¬ lich der französischen zu. Allein der ganze Gedanke eines günstigen Einflusses von Regierungen auf das wirthschaftliche Gedeihen der Völker paßt bis auf einen unbedeutenden Bruchtheil für unsere Zeiten nicht mehr. Dampf- und Maschinenkrast, die Verbreitung der allgemeinen Bildung zum großen Theile mit infolge deS regern Verkehrs, die gesteigerte Erfindungsgabe, das sind die Regenten, welche das größere Gedeihen herbeizaubern. Soweit man übersehen kann, waren es grade die Regierungen, welche dieser Entwicklung Hemmnisse entgegenlegten. Die ersten Eisenbahnen sind von Privaten erbaut worden, und man braucht nicht grade sehr alt zu sein, um sich zu erinnern, wie von oben her der Nutzen der Eisenbahnen sehr ernstlich in Frage gestellt wurde. Und wäh¬ rend nun die Menschen sich abmühen und streben, dem Gewinn nachjagen und größere Genußmittel erwerben, während sie dadurch zugleich die producirende Thätigkeit fördern, den Regierungen mitunter selbst neue Steuerobjecte ver¬ schaffen, treten diese auf und sagen: lieben Leute, wir sinds, die direct oder indirect euch zu all diesen Wundern verholfen haben! Als wenn es für irgend eine dieser Regierungen nur möglich gewesen wäre, anders zu handeln. ES ist dies ein sür die Beurtheilung der französischen Zustände besonders wichtiger Punkt. Bekanntlich ist vor einiger Zeit in französischen und eng¬ lischen Blättern eine nicht uninteressante Polemik darüber geführt worden, ob Frankreich wirklich wirthschaftlich so zurückgeschritten sei, wie es vielfach be¬ hauptet wurde. Die, welche diese Ansicht vertraten, stützten sich auf die Be- völkerungStabellen, die auffallenderweise grade auf dem platten Lande eine verminderte Zahl und ganz im Allgemeinen für Frankreich eine rückläufige 16 *

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/131
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/131>, abgerufen am 12.12.2024.