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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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scher Gelegenheitsdichter mit dem Lorbeer gekrönt und geadelt worden und da¬
rauf wegen einer unglücklichen Liebe mit zerbrochenen Herzen nach Italien
gegangen und im Dienst eines Cardinals gestorben war. Von Italien wand
sich der jüngere Bruder durch die Kriegswirren deS schmalkaldischen Krieges nach
der Heimath zurück, trat in herzoglichen Dienst, wurde von den pommerschen Her¬
zögen als politischer Agent in daS Kaiserlager, zum Reichstag nach Augsburg,
als Sollicitator an daS Kammergericht geschickt, ließ sich dann in Greifswald
nieder, gründete einen Hausstand, erlangte als gewandter Notarius in Pom¬
mern Praris und Vermögen, zog nach Strcilsund, wurde dort Bürgermeister
und starb hoch an Jahren in Ehren als ein gewandter, schlauer, hitzköpfiger
und wahrscheinlich nicht selten harter und parteiischer Herr.

Aus dem ersten Theil seiner Selbstbiographie ist daS Folgende wortgetreu
in unsere Sprache übertragen. Es war nöthig vieles wegzulassen, alles, waS
der pommerschen Geschichte angehört, so die Einführung der Reformation in
Greifswald, die Händel von Wullenweber und Hans Moller. Einige für
leichteres Verständniß zugesetzte Wörter sind durch Klammern s Z bezeichnet. Die
Erzählung SastrowS beginnt folgendermaßen:

1488--1342.

Um das Jahr 1488 ist mein Vater zu Rcmzin im Kruge, der am Kirch¬
hofe auf Anklam zu liegt und unter die Junker Osten zu Quilow gehört,
öden Wirthj Hans Sastrow geboren worden. Nun hatte dieser Haus Sastrow
an Vermögen, Gestalt, Stärke und Verstand die sJunkerl Horne, welche eben¬
falls zu Nanzin wohnten, weit übertroffen, so daß er schon vor seinem Ehe¬
stande sich mit ihren Hofhusen wol vergleichen konnte. DaS hat denn die
Horne übel verdrossen, sie haben sich aufs äußerste beflissen, ihm Schimpf.
Spott, Schaden, Nachtheil zu bereiten, ihm auch Gesundheit und Leben zu
gefährden. Und da sie für ihre Person nicht konnten noch dursten, haben sie
ihren Vogt abgerichtet, in den Krug zu gehn, zu zechen, Zank und Unwillen
mit dem Wirth anzufangen und denselben mit Schlägen bis zum Tode abzu¬
fertigen. Denn obglnch der Horne vier in Ranzin saßen, so sind doch ihre
Hufen, Einahme und Vermögen so gering gewesen, daß sie sich alle vier mit
einem Pflugvogt haben behelfen können. -- Aber was geschieht? da der Wirth
wußte, daß die Horne ihm nachstellten und leicht vermerkte, was der Vogt im
Sinne hatte, ist er diesem zuvorgekommen, und hat ihn so abgefertigt, daß
er kaum auf allen Vieren aus dem Kruge hat kriechen können.

Als Hans Sastrow nun spürte, daß der Horne Feindseligkeit nicht auf¬
hörte, sondern täglich zunahm, so hat er, um sich und die Seinen aus der
Gefahr zubringen, ungefähr ums Jahr 1487 sich mit seinem Junker, dem
alten Hans Osten zu Quilow, wegen seiner Bauernpflicht in Güte gänzlich


scher Gelegenheitsdichter mit dem Lorbeer gekrönt und geadelt worden und da¬
rauf wegen einer unglücklichen Liebe mit zerbrochenen Herzen nach Italien
gegangen und im Dienst eines Cardinals gestorben war. Von Italien wand
sich der jüngere Bruder durch die Kriegswirren deS schmalkaldischen Krieges nach
der Heimath zurück, trat in herzoglichen Dienst, wurde von den pommerschen Her¬
zögen als politischer Agent in daS Kaiserlager, zum Reichstag nach Augsburg,
als Sollicitator an daS Kammergericht geschickt, ließ sich dann in Greifswald
nieder, gründete einen Hausstand, erlangte als gewandter Notarius in Pom¬
mern Praris und Vermögen, zog nach Strcilsund, wurde dort Bürgermeister
und starb hoch an Jahren in Ehren als ein gewandter, schlauer, hitzköpfiger
und wahrscheinlich nicht selten harter und parteiischer Herr.

Aus dem ersten Theil seiner Selbstbiographie ist daS Folgende wortgetreu
in unsere Sprache übertragen. Es war nöthig vieles wegzulassen, alles, waS
der pommerschen Geschichte angehört, so die Einführung der Reformation in
Greifswald, die Händel von Wullenweber und Hans Moller. Einige für
leichteres Verständniß zugesetzte Wörter sind durch Klammern s Z bezeichnet. Die
Erzählung SastrowS beginnt folgendermaßen:

1488—1342.

Um das Jahr 1488 ist mein Vater zu Rcmzin im Kruge, der am Kirch¬
hofe auf Anklam zu liegt und unter die Junker Osten zu Quilow gehört,
öden Wirthj Hans Sastrow geboren worden. Nun hatte dieser Haus Sastrow
an Vermögen, Gestalt, Stärke und Verstand die sJunkerl Horne, welche eben¬
falls zu Nanzin wohnten, weit übertroffen, so daß er schon vor seinem Ehe¬
stande sich mit ihren Hofhusen wol vergleichen konnte. DaS hat denn die
Horne übel verdrossen, sie haben sich aufs äußerste beflissen, ihm Schimpf.
Spott, Schaden, Nachtheil zu bereiten, ihm auch Gesundheit und Leben zu
gefährden. Und da sie für ihre Person nicht konnten noch dursten, haben sie
ihren Vogt abgerichtet, in den Krug zu gehn, zu zechen, Zank und Unwillen
mit dem Wirth anzufangen und denselben mit Schlägen bis zum Tode abzu¬
fertigen. Denn obglnch der Horne vier in Ranzin saßen, so sind doch ihre
Hufen, Einahme und Vermögen so gering gewesen, daß sie sich alle vier mit
einem Pflugvogt haben behelfen können. — Aber was geschieht? da der Wirth
wußte, daß die Horne ihm nachstellten und leicht vermerkte, was der Vogt im
Sinne hatte, ist er diesem zuvorgekommen, und hat ihn so abgefertigt, daß
er kaum auf allen Vieren aus dem Kruge hat kriechen können.

Als Hans Sastrow nun spürte, daß der Horne Feindseligkeit nicht auf¬
hörte, sondern täglich zunahm, so hat er, um sich und die Seinen aus der
Gefahr zubringen, ungefähr ums Jahr 1487 sich mit seinem Junker, dem
alten Hans Osten zu Quilow, wegen seiner Bauernpflicht in Güte gänzlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/13>, abgerufen am 25.08.2024.