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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Differenz im Course, welche am Verfalltage zwischen dem ausbedungenen und
dem alsdann feststehenden Course ausbezahlt werden muß, ohne daß in der
Regel einer der beiden Theile an den Besitz oder die wirkliche Auslieferung
der besprochenen Papiere denkt. Report ist der Gewinn, den man auf Werth'
Papiere macht, auf die man vorschußweise Geld geliehen oder verliehen hat,
welche aber am Verfalltage zu dem laufenden Course behalten oder ausgelöst
werden müssen; auch dieses Geschäft kann rein aus Fictionen beruhen und nur
die Bezahlung der Differenz bezwecken. Daneben gibt es noch unzählige Com¬
binationen in Gestalt von Verleihungen von Werthpapieren, von Garantie¬
übernahme zu laufender Ristkos gegen entsprechenden Gewinnantheil, von
Zeitläufen u. s. w., bei denen allen gleichfalls irgend welche feste Grundlage
so wenig erforderlich ist, daß man über eine größere Quantität von Actien
oder Papieren irgend welcher Art handeln kann, als überhaupt deren vor¬
handen. Man sieht, welche Lockungen dies Geschäft der Sucht nach plötzlichem
Reichthum verleiht. Allerdings bestehen an manchen Orten durch Gesetz oder
Gebrauch Einrichtungen, nach denen der zu einer Lieferung Verpflichtete den
wirklichen Besitz der betreffenden Papiere nachweisen soll; allein abgesehen von
der Leichtigkeit, solche Schranken zu umgehen, greifen derartige Einrichtungen
sehr erschwerend in den reellen Lieferungsverkehr hinüber.

Naturgemäß steht nun jedem Streben auf Hauffe eins auf Baisse gegenüber
(Mine und Contremine, wie die Herren Agioteurö dies neuerdings bezeich¬
nen), und darin nun zeigt sich die Virtuosität des Börsenspielers, diesem Re¬
sultat möglichst nachzuhelfen durch Scheinkäufe und Scheinverkäufe oder auch
nur durch die bloßen Einleitungen dazu, um dadurch auf den Stand der Course
einzuwirken,' oder auch durch Verbreitung von Gerüchten und Ansichten, zu
welchem Zweck man sich gern der Zeitungen bedient, so weit diese sich dazu her¬
geben; man operirt auch gern durch die dritte und vierte Hand oder durch
eine fremde Börse, von deren CourSnotirungen man sodann eine Rückwirkung
auf die eigne Börse erwarten darf, was sich heutzutage vermittelst der telegra¬
phischen Depeschen vortrefflich bewerkstelligen läßt. Begreiflicherweise laufen
die Börsenmatadore allen übrigen Börsenspielern in solchen Operationen bei
weitem den Rang ab sowol durch ihr größeres Capital, daS ein augenblick¬
liches Opfer verträgt, als durch ihre weit verzweigten Verbindungen. Ueb-
rigens läßt sich durch geschickte Combination und Vertheilung der Geschäfte
oft mehr erreichen, als durch bloßes Hineinwerfen von Geld, so daß mitunter
selbst das kunstgeübte Auge des routinirten Börsenspielers dadurch beirrt wird,
so sehr er auch sonst im Stande ist, wenngleich nicht alle Schliche zu durch¬
schauen, so doch den Unterschied zwischen scheinbaren und wirklichen Geschäften
herauszufühlen, während das Gros in der Richtung deS gegebenen Impulses
mitläuft, aber doch mit einiger durch mancherlei Erfahrungen gewitzigten Vor-


Differenz im Course, welche am Verfalltage zwischen dem ausbedungenen und
dem alsdann feststehenden Course ausbezahlt werden muß, ohne daß in der
Regel einer der beiden Theile an den Besitz oder die wirkliche Auslieferung
der besprochenen Papiere denkt. Report ist der Gewinn, den man auf Werth'
Papiere macht, auf die man vorschußweise Geld geliehen oder verliehen hat,
welche aber am Verfalltage zu dem laufenden Course behalten oder ausgelöst
werden müssen; auch dieses Geschäft kann rein aus Fictionen beruhen und nur
die Bezahlung der Differenz bezwecken. Daneben gibt es noch unzählige Com¬
binationen in Gestalt von Verleihungen von Werthpapieren, von Garantie¬
übernahme zu laufender Ristkos gegen entsprechenden Gewinnantheil, von
Zeitläufen u. s. w., bei denen allen gleichfalls irgend welche feste Grundlage
so wenig erforderlich ist, daß man über eine größere Quantität von Actien
oder Papieren irgend welcher Art handeln kann, als überhaupt deren vor¬
handen. Man sieht, welche Lockungen dies Geschäft der Sucht nach plötzlichem
Reichthum verleiht. Allerdings bestehen an manchen Orten durch Gesetz oder
Gebrauch Einrichtungen, nach denen der zu einer Lieferung Verpflichtete den
wirklichen Besitz der betreffenden Papiere nachweisen soll; allein abgesehen von
der Leichtigkeit, solche Schranken zu umgehen, greifen derartige Einrichtungen
sehr erschwerend in den reellen Lieferungsverkehr hinüber.

Naturgemäß steht nun jedem Streben auf Hauffe eins auf Baisse gegenüber
(Mine und Contremine, wie die Herren Agioteurö dies neuerdings bezeich¬
nen), und darin nun zeigt sich die Virtuosität des Börsenspielers, diesem Re¬
sultat möglichst nachzuhelfen durch Scheinkäufe und Scheinverkäufe oder auch
nur durch die bloßen Einleitungen dazu, um dadurch auf den Stand der Course
einzuwirken,' oder auch durch Verbreitung von Gerüchten und Ansichten, zu
welchem Zweck man sich gern der Zeitungen bedient, so weit diese sich dazu her¬
geben; man operirt auch gern durch die dritte und vierte Hand oder durch
eine fremde Börse, von deren CourSnotirungen man sodann eine Rückwirkung
auf die eigne Börse erwarten darf, was sich heutzutage vermittelst der telegra¬
phischen Depeschen vortrefflich bewerkstelligen läßt. Begreiflicherweise laufen
die Börsenmatadore allen übrigen Börsenspielern in solchen Operationen bei
weitem den Rang ab sowol durch ihr größeres Capital, daS ein augenblick¬
liches Opfer verträgt, als durch ihre weit verzweigten Verbindungen. Ueb-
rigens läßt sich durch geschickte Combination und Vertheilung der Geschäfte
oft mehr erreichen, als durch bloßes Hineinwerfen von Geld, so daß mitunter
selbst das kunstgeübte Auge des routinirten Börsenspielers dadurch beirrt wird,
so sehr er auch sonst im Stande ist, wenngleich nicht alle Schliche zu durch¬
schauen, so doch den Unterschied zwischen scheinbaren und wirklichen Geschäften
herauszufühlen, während das Gros in der Richtung deS gegebenen Impulses
mitläuft, aber doch mit einiger durch mancherlei Erfahrungen gewitzigten Vor-


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[0101] Differenz im Course, welche am Verfalltage zwischen dem ausbedungenen und dem alsdann feststehenden Course ausbezahlt werden muß, ohne daß in der Regel einer der beiden Theile an den Besitz oder die wirkliche Auslieferung der besprochenen Papiere denkt. Report ist der Gewinn, den man auf Werth' Papiere macht, auf die man vorschußweise Geld geliehen oder verliehen hat, welche aber am Verfalltage zu dem laufenden Course behalten oder ausgelöst werden müssen; auch dieses Geschäft kann rein aus Fictionen beruhen und nur die Bezahlung der Differenz bezwecken. Daneben gibt es noch unzählige Com¬ binationen in Gestalt von Verleihungen von Werthpapieren, von Garantie¬ übernahme zu laufender Ristkos gegen entsprechenden Gewinnantheil, von Zeitläufen u. s. w., bei denen allen gleichfalls irgend welche feste Grundlage so wenig erforderlich ist, daß man über eine größere Quantität von Actien oder Papieren irgend welcher Art handeln kann, als überhaupt deren vor¬ handen. Man sieht, welche Lockungen dies Geschäft der Sucht nach plötzlichem Reichthum verleiht. Allerdings bestehen an manchen Orten durch Gesetz oder Gebrauch Einrichtungen, nach denen der zu einer Lieferung Verpflichtete den wirklichen Besitz der betreffenden Papiere nachweisen soll; allein abgesehen von der Leichtigkeit, solche Schranken zu umgehen, greifen derartige Einrichtungen sehr erschwerend in den reellen Lieferungsverkehr hinüber. Naturgemäß steht nun jedem Streben auf Hauffe eins auf Baisse gegenüber (Mine und Contremine, wie die Herren Agioteurö dies neuerdings bezeich¬ nen), und darin nun zeigt sich die Virtuosität des Börsenspielers, diesem Re¬ sultat möglichst nachzuhelfen durch Scheinkäufe und Scheinverkäufe oder auch nur durch die bloßen Einleitungen dazu, um dadurch auf den Stand der Course einzuwirken,' oder auch durch Verbreitung von Gerüchten und Ansichten, zu welchem Zweck man sich gern der Zeitungen bedient, so weit diese sich dazu her¬ geben; man operirt auch gern durch die dritte und vierte Hand oder durch eine fremde Börse, von deren CourSnotirungen man sodann eine Rückwirkung auf die eigne Börse erwarten darf, was sich heutzutage vermittelst der telegra¬ phischen Depeschen vortrefflich bewerkstelligen läßt. Begreiflicherweise laufen die Börsenmatadore allen übrigen Börsenspielern in solchen Operationen bei weitem den Rang ab sowol durch ihr größeres Capital, daS ein augenblick¬ liches Opfer verträgt, als durch ihre weit verzweigten Verbindungen. Ueb- rigens läßt sich durch geschickte Combination und Vertheilung der Geschäfte oft mehr erreichen, als durch bloßes Hineinwerfen von Geld, so daß mitunter selbst das kunstgeübte Auge des routinirten Börsenspielers dadurch beirrt wird, so sehr er auch sonst im Stande ist, wenngleich nicht alle Schliche zu durch¬ schauen, so doch den Unterschied zwischen scheinbaren und wirklichen Geschäften herauszufühlen, während das Gros in der Richtung deS gegebenen Impulses mitläuft, aber doch mit einiger durch mancherlei Erfahrungen gewitzigten Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/101>, abgerufen am 22.07.2024.