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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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chen wird, die eS in Wirklichkeit ebensowenig gibt, wie man die einzelnen
Theile Berlins verschiedene Städte nennen könnte, Hamburg, Altona und der
ganze herrliche, meilenweite Kranz von mit Villen besäeten Dörfern in der
Umgegend, sind im Grunde nur Eins, in Freud und Leid, durch alles was
Menschen Zusammenhalt, fest aneinandergeknüpst. Von einem selbstständigen
Handel Altonas reden, wie vor einigen Jahren ein preußischer Commercicnrath
Weber hier gethan, ist ungefähr dieselbe Weisheit, als wollte man die vom
rechten unabhängigen Bewegungen des linken Fußes hervorheben. Wir sind
auch gar nicht der Ansicht, als ob das in "all zu nah" verhochdeutschte Al¬
tona eine Hamburg schädliche Bedeutung jemals gehabt habe oder haben könne;
ganz im Gegentheil, der der freien Reichsstadt unter fremder Leitung erwach¬
sene Sproß hat dieselbe frühzeitig gelehrt, Beschränkungen und Verkehrthei¬
ten im Handel rechtzeitig und energisch abzuschütteln, so z. B. in den zwan¬
ziger Jahren die noch über 3 Proc. betragenden Einfuhrzölle, durch die sich
'zum Nachtheil Hamburgs die Speicher in Altona mit Waaren angefüllt hat¬
ten, so neuerdings die großen Hafenabgaben, die Hamburg im Gegensatz zu
Altona den Schiffen abnahm. Altona ist reich durch Hamburg, und Hamburg
reicher durch Altona geworden. Wie viel großartiger aber könnten sich all
diese Verhältnisse an der Unterelbe noch gestalten, ständen dem nicht die Ent¬
wicklungen politischer Zustände entgegen, die allein es hindern, daß hier sich
die Stätte eines Handels und eines Reichthums bilde, die es selbst amerika¬
nischen Gebilden gleich thun könnte. Welch ein Unterschied müßte zwischen
einem Hamburg und einem Altona sein, die groß sind, trotzdem jedes für sich
den wunderlichsten Geboten kleinstaatlicher Engherzigkeit folgte, und einem
freien, verbundenen Hamburg-Altona, dann der unbestritten größten Han¬
delsstadt des europäischen Continents, der wahren Hauptstadt des deutschen
Nordens. Es ist eine von den trübseligen Gestaltungen deutscher Entwicklung,
daß nicht, wie fast alle kraftvollen Nationen dies wenigstens versucht und die
meisten auch durchgeführt haben, auch für Deutschland der wichtigste Handels¬
platz, die eigentliche Brücke nach dem Auslande, der Ort, wo ein lebhafter
Verkehr, wo der stete Kampf mit fremden und feindlichen Kräften rascher den¬
ken und sicherer handeln lehrt, nicht auch der Mittelpunkt der politischen Thä¬
tigkeit Deutschlands geworden ist. Leider haben die kleinlichen Verhältnisse
einer Reichsstadt auch die Entwicklung und Stellung Hamburgs nach Innen
und nach Außen gehemmt und verschoben.

Noch eine andere Nachbarstadt als Altona ist, wenngleich in viel gerin¬
gerem Maße an der Hamburger Börse vertreten, das am jenseitigen Elbufer
belegene Harburg. Die Elbe mit den dazwischen liegenden Inseln ist hier etwa
eine Meile breit, der Weg zwischen den Inseln hindurch noch viel weiter,
und so ist der Verkehr zwischen Hamburg und Harburg trotz der Dampfschiffe von


chen wird, die eS in Wirklichkeit ebensowenig gibt, wie man die einzelnen
Theile Berlins verschiedene Städte nennen könnte, Hamburg, Altona und der
ganze herrliche, meilenweite Kranz von mit Villen besäeten Dörfern in der
Umgegend, sind im Grunde nur Eins, in Freud und Leid, durch alles was
Menschen Zusammenhalt, fest aneinandergeknüpst. Von einem selbstständigen
Handel Altonas reden, wie vor einigen Jahren ein preußischer Commercicnrath
Weber hier gethan, ist ungefähr dieselbe Weisheit, als wollte man die vom
rechten unabhängigen Bewegungen des linken Fußes hervorheben. Wir sind
auch gar nicht der Ansicht, als ob das in „all zu nah" verhochdeutschte Al¬
tona eine Hamburg schädliche Bedeutung jemals gehabt habe oder haben könne;
ganz im Gegentheil, der der freien Reichsstadt unter fremder Leitung erwach¬
sene Sproß hat dieselbe frühzeitig gelehrt, Beschränkungen und Verkehrthei¬
ten im Handel rechtzeitig und energisch abzuschütteln, so z. B. in den zwan¬
ziger Jahren die noch über 3 Proc. betragenden Einfuhrzölle, durch die sich
'zum Nachtheil Hamburgs die Speicher in Altona mit Waaren angefüllt hat¬
ten, so neuerdings die großen Hafenabgaben, die Hamburg im Gegensatz zu
Altona den Schiffen abnahm. Altona ist reich durch Hamburg, und Hamburg
reicher durch Altona geworden. Wie viel großartiger aber könnten sich all
diese Verhältnisse an der Unterelbe noch gestalten, ständen dem nicht die Ent¬
wicklungen politischer Zustände entgegen, die allein es hindern, daß hier sich
die Stätte eines Handels und eines Reichthums bilde, die es selbst amerika¬
nischen Gebilden gleich thun könnte. Welch ein Unterschied müßte zwischen
einem Hamburg und einem Altona sein, die groß sind, trotzdem jedes für sich
den wunderlichsten Geboten kleinstaatlicher Engherzigkeit folgte, und einem
freien, verbundenen Hamburg-Altona, dann der unbestritten größten Han¬
delsstadt des europäischen Continents, der wahren Hauptstadt des deutschen
Nordens. Es ist eine von den trübseligen Gestaltungen deutscher Entwicklung,
daß nicht, wie fast alle kraftvollen Nationen dies wenigstens versucht und die
meisten auch durchgeführt haben, auch für Deutschland der wichtigste Handels¬
platz, die eigentliche Brücke nach dem Auslande, der Ort, wo ein lebhafter
Verkehr, wo der stete Kampf mit fremden und feindlichen Kräften rascher den¬
ken und sicherer handeln lehrt, nicht auch der Mittelpunkt der politischen Thä¬
tigkeit Deutschlands geworden ist. Leider haben die kleinlichen Verhältnisse
einer Reichsstadt auch die Entwicklung und Stellung Hamburgs nach Innen
und nach Außen gehemmt und verschoben.

Noch eine andere Nachbarstadt als Altona ist, wenngleich in viel gerin¬
gerem Maße an der Hamburger Börse vertreten, das am jenseitigen Elbufer
belegene Harburg. Die Elbe mit den dazwischen liegenden Inseln ist hier etwa
eine Meile breit, der Weg zwischen den Inseln hindurch noch viel weiter,
und so ist der Verkehr zwischen Hamburg und Harburg trotz der Dampfschiffe von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/94>, abgerufen am 28.07.2024.