Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.empfangen, wie die Kinder sich nicht der Wohlthaten ihrer Eltern schämen, Wenn am Donnerstag Nachmittag ein Bettclmönch vom Kloster Ära empfangen, wie die Kinder sich nicht der Wohlthaten ihrer Eltern schämen, Wenn am Donnerstag Nachmittag ein Bettclmönch vom Kloster Ära <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103745"/> <p xml:id="ID_246" prev="#ID_245"> empfangen, wie die Kinder sich nicht der Wohlthaten ihrer Eltern schämen,<lb/> per 81,. Antonio, per la Naclonng, oder per ig, msäre l>>o heißes ja doch<lb/> immer, so oft man fragt, was das durchs Kapellgitter hineingeworfene Geld<lb/> dort am Boden soll? Die Mutter Gottes oder der Heilige solls haben. Es<lb/> sorgen schon Hände genug dafür, baß die Spenden nicht zu lange liegen<lb/> bleiben. So hats denn die Madonna genommen und da sie nach wie vor<lb/> die Hände faltet, wird nächstens eine neue Gabe nöthig sein. Von den<lb/> Kanzeln wird die nämliche Entäußerungslchre gepredigt. Da citirt man<lb/> die alten Kommunisten Se. Ambrosio,, Se. Gregorio, Se. Basilio und die<lb/> vielen Kirchenväter, welche den Reichthum verdammten, die Armuth lobpriesen,<lb/> besonders den heiligen Ambrosio führt man ^ gern im Munde, weil er die<lb/> Gläubigen ermahnte, gleich den Vögeln nicht zu ernten und nicht zu sammeln;<lb/> denn Bibelwort wird erst in der kirchenväterlichen Verdolmetschung zu Citaten<lb/> brauchbar. Hat man vollends einen Bettelpfleger wie den verstorbenen Pa-<lb/> lermitaner, Prinzen Palagonia, in seiner Nähe, der täglich an die drei¬<lb/> hundert Arme speiste,, so ist ein Rückhalt für die gepredigte Sorglosigkeit<lb/> zur Hand, und die Arbeit im Hause wird um so leichter der Unterhaltung<lb/> im Kirchenschiffe nachgesetzt. Der vorzügliche Jesuitenredner Pater Curci war<lb/> der einzige, den wir gegen das Versäumen der häuslichen über den kirchlichen<lb/> Pflichten eifern hörten. Sonst fragt kein Prediger danach, waS daheim halb<lb/> oder gar nicht besorgt wird, wenn nur zahlreiche Zuhö.rer zusammenströmen,<lb/> wo im Freien oder in der Kirche der Priester auf der Kanzel steht. Im All¬<lb/> gemeinen, man muß es nicht verkennen, ist die Theilnahme so untergeordneter<lb/> Art, daß der Prädicant völlig in die Luft spräche, wollte er auch noch die<lb/> wenigen Anwesenden an ihre häuslichen Pflichten erinnern. Besonders im<lb/> Kolosseum fällt die Winzigkeit dieser ambulanten Gemeinden aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_247" next="#ID_248"> Wenn am Donnerstag Nachmittag ein Bettclmönch vom Kloster Ära<lb/> Coeli ins Forum hinabsteigt und gefolgt von freiwilligen Vermummter<lb/> irgend einer Brüderschaft, sich ins Kolosseum begibt, um von der dor¬<lb/> tigen Holztribune zu predigen, so erstaunt man über den riesigen Rah¬<lb/> men , den sich dies Miniaturbildchen wählte. In einem Prachtbau,<lb/> der vor Zeiten 90,000 Zuschauer, das ist so viel wie daS halbe jetzige<lb/> Rom, beherbergte , schrumpft das Häuflein alter Weiber und zufällig<lb/> Vorübergehender, die dem Bettelmönch ihr Ohr gönnen, fast zur Null zu¬<lb/> sammen. Aber allenthalben ists nicht so schlecht mit der Zuhörerschaft bestellt.<lb/> Necrutirt sich die letztere bei gewöhnlichen Veranlassungen meistens aus<lb/> solchen, deren bürgerliche Stellung schon manche Aehnlichkeit mit der des<lb/> predigenden Baarfüßlers hat und gehen sie vom Beten zum Betteln über, so¬<lb/> bald ehren ein Gutigekleideter-nahe kommt, so ziehen die vielen Kirchenfeste<lb/> doch fortwährend eine Menge Leute von der Arbeit ab, welchen daheim ein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
empfangen, wie die Kinder sich nicht der Wohlthaten ihrer Eltern schämen,
per 81,. Antonio, per la Naclonng, oder per ig, msäre l>>o heißes ja doch
immer, so oft man fragt, was das durchs Kapellgitter hineingeworfene Geld
dort am Boden soll? Die Mutter Gottes oder der Heilige solls haben. Es
sorgen schon Hände genug dafür, baß die Spenden nicht zu lange liegen
bleiben. So hats denn die Madonna genommen und da sie nach wie vor
die Hände faltet, wird nächstens eine neue Gabe nöthig sein. Von den
Kanzeln wird die nämliche Entäußerungslchre gepredigt. Da citirt man
die alten Kommunisten Se. Ambrosio,, Se. Gregorio, Se. Basilio und die
vielen Kirchenväter, welche den Reichthum verdammten, die Armuth lobpriesen,
besonders den heiligen Ambrosio führt man ^ gern im Munde, weil er die
Gläubigen ermahnte, gleich den Vögeln nicht zu ernten und nicht zu sammeln;
denn Bibelwort wird erst in der kirchenväterlichen Verdolmetschung zu Citaten
brauchbar. Hat man vollends einen Bettelpfleger wie den verstorbenen Pa-
lermitaner, Prinzen Palagonia, in seiner Nähe, der täglich an die drei¬
hundert Arme speiste,, so ist ein Rückhalt für die gepredigte Sorglosigkeit
zur Hand, und die Arbeit im Hause wird um so leichter der Unterhaltung
im Kirchenschiffe nachgesetzt. Der vorzügliche Jesuitenredner Pater Curci war
der einzige, den wir gegen das Versäumen der häuslichen über den kirchlichen
Pflichten eifern hörten. Sonst fragt kein Prediger danach, waS daheim halb
oder gar nicht besorgt wird, wenn nur zahlreiche Zuhö.rer zusammenströmen,
wo im Freien oder in der Kirche der Priester auf der Kanzel steht. Im All¬
gemeinen, man muß es nicht verkennen, ist die Theilnahme so untergeordneter
Art, daß der Prädicant völlig in die Luft spräche, wollte er auch noch die
wenigen Anwesenden an ihre häuslichen Pflichten erinnern. Besonders im
Kolosseum fällt die Winzigkeit dieser ambulanten Gemeinden aus.
Wenn am Donnerstag Nachmittag ein Bettclmönch vom Kloster Ära
Coeli ins Forum hinabsteigt und gefolgt von freiwilligen Vermummter
irgend einer Brüderschaft, sich ins Kolosseum begibt, um von der dor¬
tigen Holztribune zu predigen, so erstaunt man über den riesigen Rah¬
men , den sich dies Miniaturbildchen wählte. In einem Prachtbau,
der vor Zeiten 90,000 Zuschauer, das ist so viel wie daS halbe jetzige
Rom, beherbergte , schrumpft das Häuflein alter Weiber und zufällig
Vorübergehender, die dem Bettelmönch ihr Ohr gönnen, fast zur Null zu¬
sammen. Aber allenthalben ists nicht so schlecht mit der Zuhörerschaft bestellt.
Necrutirt sich die letztere bei gewöhnlichen Veranlassungen meistens aus
solchen, deren bürgerliche Stellung schon manche Aehnlichkeit mit der des
predigenden Baarfüßlers hat und gehen sie vom Beten zum Betteln über, so¬
bald ehren ein Gutigekleideter-nahe kommt, so ziehen die vielen Kirchenfeste
doch fortwährend eine Menge Leute von der Arbeit ab, welchen daheim ein
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