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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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gegen die griechischen und lateinischen Formen. Alle diese Erklärungen genü¬
gen ihnen nicht und sie wenden sich an einen eingeweihten Pariser, der ihnen
in der That eine höchst befriedigende Auskunft gibt: l.s rommUisme, mon eksr
monsieur! I^e romanti8me, e'e-ze 1'etoile gut pleure, e'est 1e vent o.ni vuxit,
e'est tu nuit q.u1 krisonns, 1a tleur <lui vole et l'oiseau ".M emdaums; e'est
1e ^et wespere, l'extt"8e allanKuis > la eitsrne sou8 Iss, palmiei'8, et l'espoir
vermeil et 8eS mille amours, 1'anKe et la perle^ 1a rode dlanene 6<Z8 faules,
v in belle otrusö, in"n8ieurl O'sse 1'inlwi et I'etoile, 1e edauä, 1e rompu,
le äesenivi'^, et pourtant en mens temp8 le plein et 1e ron<Z, 1s älarneti-al,
le p>rami<1a1, l'oriental, le nu a vit', 1'etieint, l'embrasse, le tourbillonriÄnt;
lltelle 8cierce nouvelle! L'est 1a pdilo8opdie vroviäentielle Aeometri8ant Ik8
f-tit8 aceüwplis, pui8 8'elanoant 6su8 1e vague 6e8 experience8 pour eiseler
Zeh s>brk8 sevretes .... -- Auch diese Aufklärung will den beiden Bürgern
nicht genügen. Endlich gibt ihnen ein ruhiger Beobachter folgende Auskunft:
Unter der Restauration machte die Negierung alle möglichen Anstrengungen,
die Vergangenheit wieder, herzustellen. Man hörte bei Hof wieder die alten
Namen aus der Zeit Louis XIV.> die Priester richteten eine geheime Propa¬
ganda ein, und eine strenge Censur untersagte den Schriftstellern, sich mit der
Gegenwart zu beschäftigen. Die königliche Kasse belohnte in einigen Dichtern
von Talent neben ihrer literarischen Leistung auch die religiöse und monarchische
Gesinnung. Religion und Monarchie waren die Stichworte der Zeit; ohne
sie konnte litau auf keinen Ruhm, auf keine Beförderung rechnen. Nachdem
man aber unter Napoleon so lange gefeiert, fühlte sich die ganze Jugend zur
Schriftstellerei getrieben, und da man sich mit der Gegenwart nicht beschäftigen
durste, so wandte sich auch die Dichtung zur Vergangenheit zurück und besang
den Thron und den Altar. Freilich gab es daneben noch eine oppositionelle
Literatur, und diese, die gewiß war, durch ihren Stoff die öffentliche Meinung
zu gewinnen, kümmerte sich nicht um die Form; sie hielt sich aus dem gebahn¬
ten Wege und blieb classisch. Die Dichter des Throns und deS Altars da¬
gegen, die der öffentlichen Meinung widerstrebten, mußten nach einem andern
Reizmittel suchen. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Menge durch einige
Poetische Verrenkungen, die sie immer weiter trieben. Frau von Staöl hatte
sie mit der deutschen Dichtung bekannt gemacht, und nach diesem Vorbilde
grub man nun auch in Frankreich die Trümmer der Vergangenheit, die mittel¬
alterliche Kunst und den mittelalterlichen Aberglauben aus; man hielt sich be¬
ständig ans dem Wege zwischen Rotte-Dame und der Morgue. Als nun Karl X.
die Censur aufhob, wurden die Fledermäuse des Mittelalters durch das plötz¬
liche Licht geblendet, sie hielten die Porte Se. Martin für eine Kathedrale
und setzten sich mit ihrem Costüm, ihren Wämmsern, Rüstungen, gothischen
Pfeilern u. s. w. darin fest. Endlich kam aber auch die Monarchie aus der


Grenzboten. II. -I8L7. Sj.

gegen die griechischen und lateinischen Formen. Alle diese Erklärungen genü¬
gen ihnen nicht und sie wenden sich an einen eingeweihten Pariser, der ihnen
in der That eine höchst befriedigende Auskunft gibt: l.s rommUisme, mon eksr
monsieur! I^e romanti8me, e'e-ze 1'etoile gut pleure, e'est 1e vent o.ni vuxit,
e'est tu nuit q.u1 krisonns, 1a tleur <lui vole et l'oiseau «.M emdaums; e'est
1e ^et wespere, l'extt»8e allanKuis > la eitsrne sou8 Iss, palmiei'8, et l'espoir
vermeil et 8eS mille amours, 1'anKe et la perle^ 1a rode dlanene 6<Z8 faules,
v in belle otrusö, in»n8ieurl O'sse 1'inlwi et I'etoile, 1e edauä, 1e rompu,
le äesenivi'^, et pourtant en mens temp8 le plein et 1e ron<Z, 1s älarneti-al,
le p>rami<1a1, l'oriental, le nu a vit', 1'etieint, l'embrasse, le tourbillonriÄnt;
lltelle 8cierce nouvelle! L'est 1a pdilo8opdie vroviäentielle Aeometri8ant Ik8
f-tit8 aceüwplis, pui8 8'elanoant 6su8 1e vague 6e8 experience8 pour eiseler
Zeh s>brk8 sevretes .... — Auch diese Aufklärung will den beiden Bürgern
nicht genügen. Endlich gibt ihnen ein ruhiger Beobachter folgende Auskunft:
Unter der Restauration machte die Negierung alle möglichen Anstrengungen,
die Vergangenheit wieder, herzustellen. Man hörte bei Hof wieder die alten
Namen aus der Zeit Louis XIV.> die Priester richteten eine geheime Propa¬
ganda ein, und eine strenge Censur untersagte den Schriftstellern, sich mit der
Gegenwart zu beschäftigen. Die königliche Kasse belohnte in einigen Dichtern
von Talent neben ihrer literarischen Leistung auch die religiöse und monarchische
Gesinnung. Religion und Monarchie waren die Stichworte der Zeit; ohne
sie konnte litau auf keinen Ruhm, auf keine Beförderung rechnen. Nachdem
man aber unter Napoleon so lange gefeiert, fühlte sich die ganze Jugend zur
Schriftstellerei getrieben, und da man sich mit der Gegenwart nicht beschäftigen
durste, so wandte sich auch die Dichtung zur Vergangenheit zurück und besang
den Thron und den Altar. Freilich gab es daneben noch eine oppositionelle
Literatur, und diese, die gewiß war, durch ihren Stoff die öffentliche Meinung
zu gewinnen, kümmerte sich nicht um die Form; sie hielt sich aus dem gebahn¬
ten Wege und blieb classisch. Die Dichter des Throns und deS Altars da¬
gegen, die der öffentlichen Meinung widerstrebten, mußten nach einem andern
Reizmittel suchen. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Menge durch einige
Poetische Verrenkungen, die sie immer weiter trieben. Frau von Staöl hatte
sie mit der deutschen Dichtung bekannt gemacht, und nach diesem Vorbilde
grub man nun auch in Frankreich die Trümmer der Vergangenheit, die mittel¬
alterliche Kunst und den mittelalterlichen Aberglauben aus; man hielt sich be¬
ständig ans dem Wege zwischen Rotte-Dame und der Morgue. Als nun Karl X.
die Censur aufhob, wurden die Fledermäuse des Mittelalters durch das plötz¬
liche Licht geblendet, sie hielten die Porte Se. Martin für eine Kathedrale
und setzten sich mit ihrem Costüm, ihren Wämmsern, Rüstungen, gothischen
Pfeilern u. s. w. darin fest. Endlich kam aber auch die Monarchie aus der


Grenzboten. II. -I8L7. Sj.
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[0433] gegen die griechischen und lateinischen Formen. Alle diese Erklärungen genü¬ gen ihnen nicht und sie wenden sich an einen eingeweihten Pariser, der ihnen in der That eine höchst befriedigende Auskunft gibt: l.s rommUisme, mon eksr monsieur! I^e romanti8me, e'e-ze 1'etoile gut pleure, e'est 1e vent o.ni vuxit, e'est tu nuit q.u1 krisonns, 1a tleur <lui vole et l'oiseau «.M emdaums; e'est 1e ^et wespere, l'extt»8e allanKuis > la eitsrne sou8 Iss, palmiei'8, et l'espoir vermeil et 8eS mille amours, 1'anKe et la perle^ 1a rode dlanene 6<Z8 faules, v in belle otrusö, in»n8ieurl O'sse 1'inlwi et I'etoile, 1e edauä, 1e rompu, le äesenivi'^, et pourtant en mens temp8 le plein et 1e ron<Z, 1s älarneti-al, le p>rami<1a1, l'oriental, le nu a vit', 1'etieint, l'embrasse, le tourbillonriÄnt; lltelle 8cierce nouvelle! L'est 1a pdilo8opdie vroviäentielle Aeometri8ant Ik8 f-tit8 aceüwplis, pui8 8'elanoant 6su8 1e vague 6e8 experience8 pour eiseler Zeh s>brk8 sevretes .... — Auch diese Aufklärung will den beiden Bürgern nicht genügen. Endlich gibt ihnen ein ruhiger Beobachter folgende Auskunft: Unter der Restauration machte die Negierung alle möglichen Anstrengungen, die Vergangenheit wieder, herzustellen. Man hörte bei Hof wieder die alten Namen aus der Zeit Louis XIV.> die Priester richteten eine geheime Propa¬ ganda ein, und eine strenge Censur untersagte den Schriftstellern, sich mit der Gegenwart zu beschäftigen. Die königliche Kasse belohnte in einigen Dichtern von Talent neben ihrer literarischen Leistung auch die religiöse und monarchische Gesinnung. Religion und Monarchie waren die Stichworte der Zeit; ohne sie konnte litau auf keinen Ruhm, auf keine Beförderung rechnen. Nachdem man aber unter Napoleon so lange gefeiert, fühlte sich die ganze Jugend zur Schriftstellerei getrieben, und da man sich mit der Gegenwart nicht beschäftigen durste, so wandte sich auch die Dichtung zur Vergangenheit zurück und besang den Thron und den Altar. Freilich gab es daneben noch eine oppositionelle Literatur, und diese, die gewiß war, durch ihren Stoff die öffentliche Meinung zu gewinnen, kümmerte sich nicht um die Form; sie hielt sich aus dem gebahn¬ ten Wege und blieb classisch. Die Dichter des Throns und deS Altars da¬ gegen, die der öffentlichen Meinung widerstrebten, mußten nach einem andern Reizmittel suchen. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Menge durch einige Poetische Verrenkungen, die sie immer weiter trieben. Frau von Staöl hatte sie mit der deutschen Dichtung bekannt gemacht, und nach diesem Vorbilde grub man nun auch in Frankreich die Trümmer der Vergangenheit, die mittel¬ alterliche Kunst und den mittelalterlichen Aberglauben aus; man hielt sich be¬ ständig ans dem Wege zwischen Rotte-Dame und der Morgue. Als nun Karl X. die Censur aufhob, wurden die Fledermäuse des Mittelalters durch das plötz¬ liche Licht geblendet, sie hielten die Porte Se. Martin für eine Kathedrale und setzten sich mit ihrem Costüm, ihren Wämmsern, Rüstungen, gothischen Pfeilern u. s. w. darin fest. Endlich kam aber auch die Monarchie aus der Grenzboten. II. -I8L7. Sj.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/433>, abgerufen am 28.07.2024.