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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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wir Mädchen wanderten voran, dann B. mit unserm Vater. Folgendes war
,eS, was wir mit gespanntem Gehör erHaschen konnten:

Mein Vater meinte, B. könne sich von diesem traurigen Uebelstand seiner
häuslichen Verhältnisse nur durch ein eheliches Band befreien, und ob er niemand
kenne :c., da war denn unsere langgehabte Ahnung bestätigt: "er liebe un¬
glücklich'. Vor fünf Jahren habe er eine Person kennen gelernt, mit welcher
sich näher zu verbinden er für das höchste Glück seines Lebens gehalten hätte.
Es sei nicht daran zu denken, fast Unmöglichkeit, eine Chimäre, dennoch ist eS
jetzt noch wie am ersten Tag. Diese Harmonie, setzte er noch hinzu, habe er
"och nicht gefunden'. Doch es ist zu keiner Erklärung gekommen, er habe eS
noch nicht aus dem Gemüth bringen können'." Dann folgte ein Augenblick,
welcher uns für manche Mißverständnisse von seiner Seite und kränkendes Be¬
tragen entschädigte; denn er kannte meines Vaters freundschaftliches Anerbie¬
ten, ihm in seinen häuslichen Bedrängnissen womöglich beizustehn, und ich
glaube er war überzeugt von unsere Freundschaft für ihn.--Er sprach noch
von dem unglücklichen Verlust seines Gehörs, von dem elenden Leben, das er viele
Zeit in Physischer Rücksicht geführt. Er, B.. war so fröhlich beim Mittags¬
mahl (im Freien in Helena), seine Muse umschwebte ihn! Er beugte sich öfter
an die Seite und schrieb einige Takte mit der Bemerkung: "mein Spaziergang
mit Ihnen hat mir Noten genommen, doch auch wieder eingetragen." Dies
geschah alles im September des Jahres, 1816.




" Aus Berlin.
Berlin,

Die Entscheidung über die Steucrvorlagen ist in der
Hauptsache im Hause der Abgeordneten gefallen und das Ministern"" hat den um¬
standen nach. Ursache zu dem Resultat sich Glück zu wünsche", wenn auch die ^bäudestcuer mit einer über alle Erwartung großen Mehrheit verworfen ist. ^u
Anfang an hatte diese Steuer eine sehr geringe Aussicht angenommen zu werven.
Gewann sie selbst, gegen alle Wahrscheinlichkeit, die Mehrheit bei den Abgeordneten.
s° ist es außer jedem Zweifel, daß sie im Herrenhause gefallen wäre. Der ^any -
lamps drehte sich daher um die Salzsteuer. Ihr Ertrag ist auf mehr als die Ha^e
des Ertrags der ganzen Stcuersorderung der Negierung veranschlagt und wrrd
Wirklichkeit höchst wahrscheinlich bedeutend über die Verauschlaguug hinausgehen.
Ihr Fall durchlöcherte den Ministerialen Finanzplan so völlig, daß er die Regierung
genöthigt hätte, die von der Opposition gemachten Vorschläge, die ste "M"
Punkten und in allen Stadien der Berathung, in den Commissionen, in Hrcvat-
couserenzen und im Plenum unbedingt zurückgewiesen hatte, anzunehmen oder ^o-


Grenzboten. II. ig-N.

wir Mädchen wanderten voran, dann B. mit unserm Vater. Folgendes war
,eS, was wir mit gespanntem Gehör erHaschen konnten:

Mein Vater meinte, B. könne sich von diesem traurigen Uebelstand seiner
häuslichen Verhältnisse nur durch ein eheliches Band befreien, und ob er niemand
kenne :c., da war denn unsere langgehabte Ahnung bestätigt: „er liebe un¬
glücklich'. Vor fünf Jahren habe er eine Person kennen gelernt, mit welcher
sich näher zu verbinden er für das höchste Glück seines Lebens gehalten hätte.
Es sei nicht daran zu denken, fast Unmöglichkeit, eine Chimäre, dennoch ist eS
jetzt noch wie am ersten Tag. Diese Harmonie, setzte er noch hinzu, habe er
»och nicht gefunden'. Doch es ist zu keiner Erklärung gekommen, er habe eS
noch nicht aus dem Gemüth bringen können'." Dann folgte ein Augenblick,
welcher uns für manche Mißverständnisse von seiner Seite und kränkendes Be¬
tragen entschädigte; denn er kannte meines Vaters freundschaftliches Anerbie¬
ten, ihm in seinen häuslichen Bedrängnissen womöglich beizustehn, und ich
glaube er war überzeugt von unsere Freundschaft für ihn.--Er sprach noch
von dem unglücklichen Verlust seines Gehörs, von dem elenden Leben, das er viele
Zeit in Physischer Rücksicht geführt. Er, B.. war so fröhlich beim Mittags¬
mahl (im Freien in Helena), seine Muse umschwebte ihn! Er beugte sich öfter
an die Seite und schrieb einige Takte mit der Bemerkung: „mein Spaziergang
mit Ihnen hat mir Noten genommen, doch auch wieder eingetragen." Dies
geschah alles im September des Jahres, 1816.




" Aus Berlin.
Berlin,

Die Entscheidung über die Steucrvorlagen ist in der
Hauptsache im Hause der Abgeordneten gefallen und das Ministern»» hat den um¬
standen nach. Ursache zu dem Resultat sich Glück zu wünsche», wenn auch die ^bäudestcuer mit einer über alle Erwartung großen Mehrheit verworfen ist. ^u
Anfang an hatte diese Steuer eine sehr geringe Aussicht angenommen zu werven.
Gewann sie selbst, gegen alle Wahrscheinlichkeit, die Mehrheit bei den Abgeordneten.
s° ist es außer jedem Zweifel, daß sie im Herrenhause gefallen wäre. Der ^any -
lamps drehte sich daher um die Salzsteuer. Ihr Ertrag ist auf mehr als die Ha^e
des Ertrags der ganzen Stcuersorderung der Negierung veranschlagt und wrrd
Wirklichkeit höchst wahrscheinlich bedeutend über die Verauschlaguug hinausgehen.
Ihr Fall durchlöcherte den Ministerialen Finanzplan so völlig, daß er die Regierung
genöthigt hätte, die von der Opposition gemachten Vorschläge, die ste "M"
Punkten und in allen Stadien der Berathung, in den Commissionen, in Hrcvat-
couserenzen und im Plenum unbedingt zurückgewiesen hatte, anzunehmen oder ^o-


Grenzboten. II. ig-N.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/41>, abgerufen am 28.07.2024.