Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.rann gewonnen zu haben. Der Verlauf im Bauernspiegel war zu rasch ge¬ rann gewonnen zu haben. Der Verlauf im Bauernspiegel war zu rasch ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104051"/> <p xml:id="ID_1101" prev="#ID_1100" next="#ID_1102"> rann gewonnen zu haben. Der Verlauf im Bauernspiegel war zu rasch ge¬<lb/> wesen, um behaglich beim Einzelnen verweilen zu können und namentlich daS<lb/> Leben des Bauernhauses in seinen mannigfachen Beziehungen zu zeichnen.<lb/> Nu zeigt uns in einem großen lebenswarmen Bilde daS Leben deS Land¬<lb/> manns, besonders aber die Verhältnisse zwischen dem herrschenden und die¬<lb/> nenden Landmann, zwischen Grundbesitzer Und Arbeiter, Meister und Knecht,<lb/> und führt uns in die vielfach bewegte Welt ein, die --innerhalb des Kreises,<lb/> den wir mit dem allgemeinen Namen Dorfleben bezeichnen, ein complicirtes,<lb/> abgestuftes, organisch gegliedertes Ganzes ausmacht. Es war in dieser Be¬<lb/> ziehung ein für Bitzius und seine Dichtungen höchst günstiges Moment, daß<lb/> er in einer Gegend lebte, wo, wie im Emmenthal und Oberaargau, das<lb/> aristokratisch-bäuerliche Element, der große Grundbesitz das Herrschende und<lb/> Maßgebende war, welchem die andern Theile der Gesellschaft, die Nicht¬<lb/> besitzenden oder nur in geringerem Maß Besitzenden gleichsam hierarchisch<lb/> eingefügt waren. Dieser große Grundbesitz, die großen ungetheilten Höfe mit<lb/> ihren Rechtsamen und ihrer ausgebildeten Oekonomie, waren das Bild einer<lb/> Welt im Kleinen, in welcher es Stände, Stufen und Rangordnungen gibt,<lb/> wie in der großen Gesellschaft patriarchalische, bürgerliche, proletarische<lb/> Elemente, die sich bald freundlich unterstützen, bald feindlich gegenüberstehen-<lb/> Bitzius Dichtung, aus Gegenden geschöpft, in welchen das Eigenthum mehr<lb/> nivellirt, Grund und Boden stark getheilt sind, wäre weit weniger reich und<lb/> mannigfaltig geworden. DaS große Bauernhaus hingegen ist wie ein Staat<lb/> im Kleinen und hat seine Dimensionen als ein vielfach zusammengesetzter Or¬<lb/> ganismus. In der Composition bleibt Bitzius demselben Grundsatz treu, den<lb/> er im Schulmeister durchführt: daß die Vorsehung unsere Kräfte erst dann<lb/> steigere, wenn wir sie zu benutzen verstehen und in eigener Bestrebung nicht<lb/> lässig sind. Ein vertrauter Freund von Bitzius, selbst ein Landmann und<lb/> trefflicher Meister in der Art des Bodenbaues, machte ihm die Bemerkung,<lb/> er lasse seinen Ali hart schassen und eine strenge Schule durchmachen, ehe er<lb/> ihn auf einen grünen Zweig bringe. BitziuS erwiderte, tres sei allerdings<lb/> richtig und er gehe absichtlich einen andern Weg als viele Schriftsteller. Er<lb/> könne die Wünschhütlein nicht leiden, durch welche dieselben ihre Helden<lb/> glücklich zu machen pflegen. Er halte diese Art von Schriftstellern für ver¬<lb/> derblich, weil sie die Leute faul und träge mache. Sein Zweck sei überall,<lb/> die eigne Kraft zu wecken, und den Leuten ihre Pflicht und ihr Tagewerk<lb/> nicht allzu leicht zu machen. Daher auch die Eigenthümlichkeit des Helden,<lb/> der mit Käser eng verwandt ist. Ali ist ein Alltagscharakter von sehr un¬<lb/> sicherem Urtheil, und von einer Bornirtheit und Wankelmüthigkeit, die un<lb/> oft ungeduldig macht, und gleichwol erzwingt seine schlichte und ausharren^<lb/> Treue unsere Achtung, und wir müssen gestehen, daß Ruf Weg, wenn auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
rann gewonnen zu haben. Der Verlauf im Bauernspiegel war zu rasch ge¬
wesen, um behaglich beim Einzelnen verweilen zu können und namentlich daS
Leben des Bauernhauses in seinen mannigfachen Beziehungen zu zeichnen.
Nu zeigt uns in einem großen lebenswarmen Bilde daS Leben deS Land¬
manns, besonders aber die Verhältnisse zwischen dem herrschenden und die¬
nenden Landmann, zwischen Grundbesitzer Und Arbeiter, Meister und Knecht,
und führt uns in die vielfach bewegte Welt ein, die --innerhalb des Kreises,
den wir mit dem allgemeinen Namen Dorfleben bezeichnen, ein complicirtes,
abgestuftes, organisch gegliedertes Ganzes ausmacht. Es war in dieser Be¬
ziehung ein für Bitzius und seine Dichtungen höchst günstiges Moment, daß
er in einer Gegend lebte, wo, wie im Emmenthal und Oberaargau, das
aristokratisch-bäuerliche Element, der große Grundbesitz das Herrschende und
Maßgebende war, welchem die andern Theile der Gesellschaft, die Nicht¬
besitzenden oder nur in geringerem Maß Besitzenden gleichsam hierarchisch
eingefügt waren. Dieser große Grundbesitz, die großen ungetheilten Höfe mit
ihren Rechtsamen und ihrer ausgebildeten Oekonomie, waren das Bild einer
Welt im Kleinen, in welcher es Stände, Stufen und Rangordnungen gibt,
wie in der großen Gesellschaft patriarchalische, bürgerliche, proletarische
Elemente, die sich bald freundlich unterstützen, bald feindlich gegenüberstehen-
Bitzius Dichtung, aus Gegenden geschöpft, in welchen das Eigenthum mehr
nivellirt, Grund und Boden stark getheilt sind, wäre weit weniger reich und
mannigfaltig geworden. DaS große Bauernhaus hingegen ist wie ein Staat
im Kleinen und hat seine Dimensionen als ein vielfach zusammengesetzter Or¬
ganismus. In der Composition bleibt Bitzius demselben Grundsatz treu, den
er im Schulmeister durchführt: daß die Vorsehung unsere Kräfte erst dann
steigere, wenn wir sie zu benutzen verstehen und in eigener Bestrebung nicht
lässig sind. Ein vertrauter Freund von Bitzius, selbst ein Landmann und
trefflicher Meister in der Art des Bodenbaues, machte ihm die Bemerkung,
er lasse seinen Ali hart schassen und eine strenge Schule durchmachen, ehe er
ihn auf einen grünen Zweig bringe. BitziuS erwiderte, tres sei allerdings
richtig und er gehe absichtlich einen andern Weg als viele Schriftsteller. Er
könne die Wünschhütlein nicht leiden, durch welche dieselben ihre Helden
glücklich zu machen pflegen. Er halte diese Art von Schriftstellern für ver¬
derblich, weil sie die Leute faul und träge mache. Sein Zweck sei überall,
die eigne Kraft zu wecken, und den Leuten ihre Pflicht und ihr Tagewerk
nicht allzu leicht zu machen. Daher auch die Eigenthümlichkeit des Helden,
der mit Käser eng verwandt ist. Ali ist ein Alltagscharakter von sehr un¬
sicherem Urtheil, und von einer Bornirtheit und Wankelmüthigkeit, die un
oft ungeduldig macht, und gleichwol erzwingt seine schlichte und ausharren^
Treue unsere Achtung, und wir müssen gestehen, daß Ruf Weg, wenn auch
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