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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Goldflitterschmuck und seinem Ehrenlämpchen, machen einen ziemlich behaglichen
Eindruck, gegen den höchstens die Geruchsnerven sich Einwendungen erlauben
können.

Die vornehmere Classe der Einwohnerschaft kommt mit den andern Schichten
der Bevölkerung wenig in Berührung. Sie lebt im Sommer größtentheils
auf ihren Campagnen d. i. Landhäusern und ist sonst viel auf Reisen. Sinn
für die Kunst scheint unter ihr nur in sehr beschränktem Maße vorhanden zu
sein, und das Interesse an der Literatur ist nach dem, was eine Musterung
der Schaufenster in den Buchläden zeigt, gleichfalls sehr mäßig. Das Theater
wird fleißig besucht, doch besteht das, was von den Freunden der Bühne für
Verbesserung desselben gethan wird, meist nur in Aeußerlichkeiten. Gelehrte
in unserm Sinne des Wortes gibt es in Trieft nicht, man müßte denn einen
und den andern Localhistoriker dahin zählen wollen. Das Gymnasium, erst
vor einigen Jahren von Capodistria hierher verlegt, ist so gut, wie ein Gym¬
nasium in Oestreich sein kann; und es wird durch das Concordat nicht besser
werden. Die philologische Bildung der Lehrer steht tief unter der norddeutschen,
von einer historischen kann, wenn nicht einmal ein Einzelner den Trieb fühlt,
sich privatim über die vorgeschriebene Schranke hinauszubegeben, kaum die
Rede sein. Uebrigens finden classische Studien grade in Trieft keinen rechten
Boden. Das Gymnasium ist verhältnißmäßig schwach besucht. Schüler wie
Eltern scheinen den Besuch desselben mehr als eine Sache des Luxus zu be¬
trachten, die möglichst bequem gemacht sein muß, und so hat der Lehrer im
Ganzen wenig Aufmunterung.

Der Ton, in dem man in Trieft lebt, ist nach manchen Seiten hin, wie
in allen Seehandelsplätzen, ziemlich großstädtisch, namentlich wird das Geld
nicht sehr angesehen. Dagegen florirt der Geist des Klatsches hier wie in der
kleinsten Stadt. Die Bande der Ehe sind, wie man sagt, in allen Schichten
der italienischen Bevölkerung locker; ein Familienleben wie im Norden soll
selbst unter den niedern Ständen selten sein. In den höhern Regionen ent¬
schädigt man sich, wenn daS Gerücht nicht lügt, vielfältig für das trockene
Buchen und Correspondiren den Tag über mit niedlichen Grisetten, die man
'sich, je nach der Tragweite der Vermögensverhältnisse, bisweilen zu halben
Dutzenden "aushält", und aus die vorzüglich die reichere jüdische Bevölkerung
beträchtliche Summen verwenden soll. Frauenspersonen schlimmerer Art kennt
die Polizei über zwölfhundert.

Wir werfen schließlich einen Blick auf Trieft als Handels- und Seestadt.
Es eristiren hier gegen dritthalbhundert große Handelsfirmen, von deren In¬
habern etwa die Hälfte der italienischen Nationalität angehören, während die
andere Hälfte aus Deutschen, Kroaten, Dalmaticrn und Griechen besteht. Der
Handelsstand ist durch eine "Börsendeputation" repräsentirt, die, im vorigen


Goldflitterschmuck und seinem Ehrenlämpchen, machen einen ziemlich behaglichen
Eindruck, gegen den höchstens die Geruchsnerven sich Einwendungen erlauben
können.

Die vornehmere Classe der Einwohnerschaft kommt mit den andern Schichten
der Bevölkerung wenig in Berührung. Sie lebt im Sommer größtentheils
auf ihren Campagnen d. i. Landhäusern und ist sonst viel auf Reisen. Sinn
für die Kunst scheint unter ihr nur in sehr beschränktem Maße vorhanden zu
sein, und das Interesse an der Literatur ist nach dem, was eine Musterung
der Schaufenster in den Buchläden zeigt, gleichfalls sehr mäßig. Das Theater
wird fleißig besucht, doch besteht das, was von den Freunden der Bühne für
Verbesserung desselben gethan wird, meist nur in Aeußerlichkeiten. Gelehrte
in unserm Sinne des Wortes gibt es in Trieft nicht, man müßte denn einen
und den andern Localhistoriker dahin zählen wollen. Das Gymnasium, erst
vor einigen Jahren von Capodistria hierher verlegt, ist so gut, wie ein Gym¬
nasium in Oestreich sein kann; und es wird durch das Concordat nicht besser
werden. Die philologische Bildung der Lehrer steht tief unter der norddeutschen,
von einer historischen kann, wenn nicht einmal ein Einzelner den Trieb fühlt,
sich privatim über die vorgeschriebene Schranke hinauszubegeben, kaum die
Rede sein. Uebrigens finden classische Studien grade in Trieft keinen rechten
Boden. Das Gymnasium ist verhältnißmäßig schwach besucht. Schüler wie
Eltern scheinen den Besuch desselben mehr als eine Sache des Luxus zu be¬
trachten, die möglichst bequem gemacht sein muß, und so hat der Lehrer im
Ganzen wenig Aufmunterung.

Der Ton, in dem man in Trieft lebt, ist nach manchen Seiten hin, wie
in allen Seehandelsplätzen, ziemlich großstädtisch, namentlich wird das Geld
nicht sehr angesehen. Dagegen florirt der Geist des Klatsches hier wie in der
kleinsten Stadt. Die Bande der Ehe sind, wie man sagt, in allen Schichten
der italienischen Bevölkerung locker; ein Familienleben wie im Norden soll
selbst unter den niedern Ständen selten sein. In den höhern Regionen ent¬
schädigt man sich, wenn daS Gerücht nicht lügt, vielfältig für das trockene
Buchen und Correspondiren den Tag über mit niedlichen Grisetten, die man
'sich, je nach der Tragweite der Vermögensverhältnisse, bisweilen zu halben
Dutzenden „aushält", und aus die vorzüglich die reichere jüdische Bevölkerung
beträchtliche Summen verwenden soll. Frauenspersonen schlimmerer Art kennt
die Polizei über zwölfhundert.

Wir werfen schließlich einen Blick auf Trieft als Handels- und Seestadt.
Es eristiren hier gegen dritthalbhundert große Handelsfirmen, von deren In¬
habern etwa die Hälfte der italienischen Nationalität angehören, während die
andere Hälfte aus Deutschen, Kroaten, Dalmaticrn und Griechen besteht. Der
Handelsstand ist durch eine „Börsendeputation" repräsentirt, die, im vorigen


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[0350] Goldflitterschmuck und seinem Ehrenlämpchen, machen einen ziemlich behaglichen Eindruck, gegen den höchstens die Geruchsnerven sich Einwendungen erlauben können. Die vornehmere Classe der Einwohnerschaft kommt mit den andern Schichten der Bevölkerung wenig in Berührung. Sie lebt im Sommer größtentheils auf ihren Campagnen d. i. Landhäusern und ist sonst viel auf Reisen. Sinn für die Kunst scheint unter ihr nur in sehr beschränktem Maße vorhanden zu sein, und das Interesse an der Literatur ist nach dem, was eine Musterung der Schaufenster in den Buchläden zeigt, gleichfalls sehr mäßig. Das Theater wird fleißig besucht, doch besteht das, was von den Freunden der Bühne für Verbesserung desselben gethan wird, meist nur in Aeußerlichkeiten. Gelehrte in unserm Sinne des Wortes gibt es in Trieft nicht, man müßte denn einen und den andern Localhistoriker dahin zählen wollen. Das Gymnasium, erst vor einigen Jahren von Capodistria hierher verlegt, ist so gut, wie ein Gym¬ nasium in Oestreich sein kann; und es wird durch das Concordat nicht besser werden. Die philologische Bildung der Lehrer steht tief unter der norddeutschen, von einer historischen kann, wenn nicht einmal ein Einzelner den Trieb fühlt, sich privatim über die vorgeschriebene Schranke hinauszubegeben, kaum die Rede sein. Uebrigens finden classische Studien grade in Trieft keinen rechten Boden. Das Gymnasium ist verhältnißmäßig schwach besucht. Schüler wie Eltern scheinen den Besuch desselben mehr als eine Sache des Luxus zu be¬ trachten, die möglichst bequem gemacht sein muß, und so hat der Lehrer im Ganzen wenig Aufmunterung. Der Ton, in dem man in Trieft lebt, ist nach manchen Seiten hin, wie in allen Seehandelsplätzen, ziemlich großstädtisch, namentlich wird das Geld nicht sehr angesehen. Dagegen florirt der Geist des Klatsches hier wie in der kleinsten Stadt. Die Bande der Ehe sind, wie man sagt, in allen Schichten der italienischen Bevölkerung locker; ein Familienleben wie im Norden soll selbst unter den niedern Ständen selten sein. In den höhern Regionen ent¬ schädigt man sich, wenn daS Gerücht nicht lügt, vielfältig für das trockene Buchen und Correspondiren den Tag über mit niedlichen Grisetten, die man 'sich, je nach der Tragweite der Vermögensverhältnisse, bisweilen zu halben Dutzenden „aushält", und aus die vorzüglich die reichere jüdische Bevölkerung beträchtliche Summen verwenden soll. Frauenspersonen schlimmerer Art kennt die Polizei über zwölfhundert. Wir werfen schließlich einen Blick auf Trieft als Handels- und Seestadt. Es eristiren hier gegen dritthalbhundert große Handelsfirmen, von deren In¬ habern etwa die Hälfte der italienischen Nationalität angehören, während die andere Hälfte aus Deutschen, Kroaten, Dalmaticrn und Griechen besteht. Der Handelsstand ist durch eine „Börsendeputation" repräsentirt, die, im vorigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/350>, abgerufen am 01.09.2024.