Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.Jägerchvrs nicht zufrieden, auch zuletzt noch nicht ganz, das machte, weil Beet¬ Als Beethovens Bruder, ein Beamter in Wien, gestorben war, wurde B. Einmal auch, als er uns "die entfernte Geliebte, Text von Jeitteles ge¬ dz>rc"zbotcn II. 1867. 4
Jägerchvrs nicht zufrieden, auch zuletzt noch nicht ganz, das machte, weil Beet¬ Als Beethovens Bruder, ein Beamter in Wien, gestorben war, wurde B. Einmal auch, als er uns „die entfernte Geliebte, Text von Jeitteles ge¬ dz>rc»zbotcn II. 1867. 4
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103700"/> <p xml:id="ID_60" prev="#ID_59"> Jägerchvrs nicht zufrieden, auch zuletzt noch nicht ganz, das machte, weil Beet¬<lb/> hoven den Nachdruck auf die erste Silbe wünschte.</p><lb/> <p xml:id="ID_61"> Als Beethovens Bruder, ein Beamter in Wien, gestorben war, wurde B.<lb/> zum Mitvormund des Sohnes ernannt, die Mutter lebte, aber sie wurde nach<lb/> einem Proceß von der Vormundschaft ausgeschlossen. Der Knabe war, wie ich<lb/> glaube 9 Jahre alt. Nun brach, wenn ich so sagen darf, ein neues Gemüths¬<lb/> leben bei Beethoven hervor; er schien sich dem Zungen mit Leib und Seele<lb/> weihe« zu wollen und je nachdem er fröhlich war durch seinen Neffen, oder in<lb/> Verdrießlichkeiten verwickelt wurde, oder wol gar Kummer erdulden mußte,<lb/> schrieb er oder konnte er nichts schreiben. — Es war im Jahre da kam<lb/> er zum erstenmal in unser Haus, um seinen geliebten Karl in das Institut zu<lb/> geben, welches mein Vater schon seit dem Jahre 1798 errichtet hatte. Dieses<lb/> Begebnis) war für die Töchter besonders erfreulich, und ich sehe noch, wie Beet¬<lb/> hoven mit Beweglichkeit sich hin- und herdrehte, und wie wir aus seine dolmet¬<lb/> schende Begleitung, Hrn. Bernhard, später Redacteur der wiener Zeitung, nicht<lb/> achtend, uns gleich zu Beethovens Ohr wandten; denn schon damals mußte<lb/> man ihm ganz nahe sein, um sich ihm verständlich machen zu können. Von<lb/> dieser Zeit an hatten wir das Vergnügen ihn oft zu sehen, und später, als<lb/> mein Vater mit dem Institut in die Vorstadt zog, Landstraß Glayis, nahm auch<lb/> er sich eine Wohnung in der Nähe und den nächsten Winter war er fast alle<lb/> Abend in unserm häuslichen Kreise. Leider waren recht interessante Abende<lb/> selten, denn häusig war er, ein Pegasus im Joche, durch die vormund-<lb/> schaftlichen Angelegenheiten verstimmt, oder wol auch kränklich. Dann geschah<lb/> es, daß er ganze Abende bei uns am runden Tisch, wie es schien in Gedanken<lb/> versunken saß, manchmal wol auch lächelnd ein Wort hinwarf, dabei fort¬<lb/> während ins Schnupftuch spuckend, oder nach Volksausdruck „spiazelnd", dabei<lb/> es jedesmal ansehend, so daß ich manchmal dachte, er fürchte Blutspuren zu<lb/> finden. Leider hatten wir selbst viel Schuld an dieser Langweiligkeit; denn wie<lb/> Beethoven sich öfters in kleinen Spöttereien gefiel, so hatte er auch über<lb/> Eltern gelacht, welche sagten „meine Töchter spielen auch von Ihnen —"<lb/> das war uns genug und die Musik war grade damals bei uns fast verbannt,<lb/> was mich später oft gereuet hat. Denn einmal, als er mit Zeitungslesen beschäf¬<lb/> tigt im Zimmer war und ich meine Scheu überwand und sein „Kennst du<lb/> das Land" spielte, kam er alsogleich herbei, taktirte, und bei einer Stelle, wo<lb/> vielleicht mancher nachlassen würde, wollte er eifrig gleich sortgespielt haben.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_62" next="#ID_63"> Einmal auch, als er uns „die entfernte Geliebte, Text von Jeitteles ge¬<lb/> bracht hatte, und Vater wollte, ich solle meine Schwester begleiten, ließ er<lb/> mich nur die Angst ausstehen und mit den Worten „gehn Sie weg" setzte er<lb/> sich und begleitete selbst. Dabei muß bemerkt werden, daß er zu unserm gro¬<lb/> ßen Erstaunen häufig falsch griff und dennoch wieder, als meine Schwester</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> dz>rc»zbotcn II. 1867. 4</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Jägerchvrs nicht zufrieden, auch zuletzt noch nicht ganz, das machte, weil Beet¬
hoven den Nachdruck auf die erste Silbe wünschte.
Als Beethovens Bruder, ein Beamter in Wien, gestorben war, wurde B.
zum Mitvormund des Sohnes ernannt, die Mutter lebte, aber sie wurde nach
einem Proceß von der Vormundschaft ausgeschlossen. Der Knabe war, wie ich
glaube 9 Jahre alt. Nun brach, wenn ich so sagen darf, ein neues Gemüths¬
leben bei Beethoven hervor; er schien sich dem Zungen mit Leib und Seele
weihe« zu wollen und je nachdem er fröhlich war durch seinen Neffen, oder in
Verdrießlichkeiten verwickelt wurde, oder wol gar Kummer erdulden mußte,
schrieb er oder konnte er nichts schreiben. — Es war im Jahre da kam
er zum erstenmal in unser Haus, um seinen geliebten Karl in das Institut zu
geben, welches mein Vater schon seit dem Jahre 1798 errichtet hatte. Dieses
Begebnis) war für die Töchter besonders erfreulich, und ich sehe noch, wie Beet¬
hoven mit Beweglichkeit sich hin- und herdrehte, und wie wir aus seine dolmet¬
schende Begleitung, Hrn. Bernhard, später Redacteur der wiener Zeitung, nicht
achtend, uns gleich zu Beethovens Ohr wandten; denn schon damals mußte
man ihm ganz nahe sein, um sich ihm verständlich machen zu können. Von
dieser Zeit an hatten wir das Vergnügen ihn oft zu sehen, und später, als
mein Vater mit dem Institut in die Vorstadt zog, Landstraß Glayis, nahm auch
er sich eine Wohnung in der Nähe und den nächsten Winter war er fast alle
Abend in unserm häuslichen Kreise. Leider waren recht interessante Abende
selten, denn häusig war er, ein Pegasus im Joche, durch die vormund-
schaftlichen Angelegenheiten verstimmt, oder wol auch kränklich. Dann geschah
es, daß er ganze Abende bei uns am runden Tisch, wie es schien in Gedanken
versunken saß, manchmal wol auch lächelnd ein Wort hinwarf, dabei fort¬
während ins Schnupftuch spuckend, oder nach Volksausdruck „spiazelnd", dabei
es jedesmal ansehend, so daß ich manchmal dachte, er fürchte Blutspuren zu
finden. Leider hatten wir selbst viel Schuld an dieser Langweiligkeit; denn wie
Beethoven sich öfters in kleinen Spöttereien gefiel, so hatte er auch über
Eltern gelacht, welche sagten „meine Töchter spielen auch von Ihnen —"
das war uns genug und die Musik war grade damals bei uns fast verbannt,
was mich später oft gereuet hat. Denn einmal, als er mit Zeitungslesen beschäf¬
tigt im Zimmer war und ich meine Scheu überwand und sein „Kennst du
das Land" spielte, kam er alsogleich herbei, taktirte, und bei einer Stelle, wo
vielleicht mancher nachlassen würde, wollte er eifrig gleich sortgespielt haben.
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Einmal auch, als er uns „die entfernte Geliebte, Text von Jeitteles ge¬
bracht hatte, und Vater wollte, ich solle meine Schwester begleiten, ließ er
mich nur die Angst ausstehen und mit den Worten „gehn Sie weg" setzte er
sich und begleitete selbst. Dabei muß bemerkt werden, daß er zu unserm gro¬
ßen Erstaunen häufig falsch griff und dennoch wieder, als meine Schwester
dz>rc»zbotcn II. 1867. 4
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