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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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fragte, ob sie nicht gefehlt oder so was, antwortete: "es war gut, aber hier,--
und da bezeichnete er eine Stelle, wo kein Verbindungsbogen angegeben war, --
"hier müssen Sie hinüberziehen;"--also daS hatte er vermißt. -- Es war der¬
selbe Abend, an dem er, nachdem er recht heiter gewesen war, Plötzlich still und
verstimmt wurde. Wir erfuhren später, daß ihm der Name "Schönauer" zu
Ohren gekommen, wie unser sehr harmloser guter Onkel hieß, er aber glaubte
es sei der Advocat der Mutter seines Neffen, der denselben Namen trug.

Einst war die Rede von dem von ihm in Musik gesetzten Lied: "Wenn
ich ein Vöglein wär und auch zwei Flüglein hätt, flog ich zu dir!" -- da
wollte er, Meine Schwester sollte die Klavierbegleitung dazu machen, und als
sie es endlich that, so sagte er: es müsse ja die Begleitung mehr oben im
Violin sein -- vielleicht war es nur Scherz. -- Einen kleinen Canon schrieb er
uns auch einmal auf, mit Bleistift nur, auf den Tert: "Wie Silber ist die
Rede, doch zu rechter Zeit schweigen, ist lauterer Gold."

Von meiner Schwester sagte er öfter: "sie mag mich ja nicht, sie hat ihren
Schmerling!" auch versprach er ihr ein Hochzeitslied, was auch geschah; der
Tert ist von einem alten Freund unseres Hauses, der Professor der Philologie
an der Universität zu Wien war; ach, wer kannte den alten Stein nicht, den
Tabakhasser. Mein Vater hatte ihm angegeben, wie er das Gedicht wünsche.
Damals ging auch einmal letzterer mit mir in Beethovens Wohnung, wo ich das
Lied spielen mußte und B. mir angab, wie er es gespielt wolle, da sagte er
wiederholt, daß derlei Composttionen klar und verständlich sein müßten , und
auch so vorgetragen werden müßten.

Und ich erinnere mich wieder an einen andern Abend, an dem er wie ein
Kind mit uns herumtollte und vor den Angriffen sich mit Stühlen ;c. ver-
palisadirte. -- Uebrigens säumte des Kindes Mutter nicht, meinem Vater und
dem Onkel Verdruß zu machen, indem sie gegen die gerichtliche Uebereinkunft
ohne Erlaubniß den Knaben heimlich sehen wollte. Sie soll einmal als Mann
verkleidet aus den großen Platz am Hause gekommen sein, wo die Knaben ihre
Turm- oder gymnastischen Uebungen hielten, das kann ich aber nicht ver¬
bürgen. Dies jedoch, daß ihr Erscheinen undj Dringen den Sohn ihr mit¬
zugeben uns oft sehr lästig war, wenn es zuweilen geschah, wenn unser Vater
nicht zu Hause war.

Einmal kam ich mit Beethoven in sehr unangenehme Conflicte, weil er
geglaubt hatte, ich gäbe ihm in seiner Handlungsweise Unrecht gegen seinen
Neffen. Ueberhaupt verwunderte ich mich oft darüber, daß B. so viel auf
die Meinung der Menschen hielt und, einmal bei Gelegenheit wegen des
Neffen äußerte: "was werden die Leute sagen, sie werden mich für einen
Tyrannen halten." Das konnte aber niemand glauben, wenn er ihn nur ein¬
mal mit seinem geliebten Neffen gesehen hatte; denn er duldete sogar, daß


fragte, ob sie nicht gefehlt oder so was, antwortete: „es war gut, aber hier,—
und da bezeichnete er eine Stelle, wo kein Verbindungsbogen angegeben war, —
„hier müssen Sie hinüberziehen;"--also daS hatte er vermißt. — Es war der¬
selbe Abend, an dem er, nachdem er recht heiter gewesen war, Plötzlich still und
verstimmt wurde. Wir erfuhren später, daß ihm der Name „Schönauer" zu
Ohren gekommen, wie unser sehr harmloser guter Onkel hieß, er aber glaubte
es sei der Advocat der Mutter seines Neffen, der denselben Namen trug.

Einst war die Rede von dem von ihm in Musik gesetzten Lied: „Wenn
ich ein Vöglein wär und auch zwei Flüglein hätt, flog ich zu dir!" — da
wollte er, Meine Schwester sollte die Klavierbegleitung dazu machen, und als
sie es endlich that, so sagte er: es müsse ja die Begleitung mehr oben im
Violin sein — vielleicht war es nur Scherz. — Einen kleinen Canon schrieb er
uns auch einmal auf, mit Bleistift nur, auf den Tert: „Wie Silber ist die
Rede, doch zu rechter Zeit schweigen, ist lauterer Gold."

Von meiner Schwester sagte er öfter: „sie mag mich ja nicht, sie hat ihren
Schmerling!" auch versprach er ihr ein Hochzeitslied, was auch geschah; der
Tert ist von einem alten Freund unseres Hauses, der Professor der Philologie
an der Universität zu Wien war; ach, wer kannte den alten Stein nicht, den
Tabakhasser. Mein Vater hatte ihm angegeben, wie er das Gedicht wünsche.
Damals ging auch einmal letzterer mit mir in Beethovens Wohnung, wo ich das
Lied spielen mußte und B. mir angab, wie er es gespielt wolle, da sagte er
wiederholt, daß derlei Composttionen klar und verständlich sein müßten , und
auch so vorgetragen werden müßten.

Und ich erinnere mich wieder an einen andern Abend, an dem er wie ein
Kind mit uns herumtollte und vor den Angriffen sich mit Stühlen ;c. ver-
palisadirte. — Uebrigens säumte des Kindes Mutter nicht, meinem Vater und
dem Onkel Verdruß zu machen, indem sie gegen die gerichtliche Uebereinkunft
ohne Erlaubniß den Knaben heimlich sehen wollte. Sie soll einmal als Mann
verkleidet aus den großen Platz am Hause gekommen sein, wo die Knaben ihre
Turm- oder gymnastischen Uebungen hielten, das kann ich aber nicht ver¬
bürgen. Dies jedoch, daß ihr Erscheinen undj Dringen den Sohn ihr mit¬
zugeben uns oft sehr lästig war, wenn es zuweilen geschah, wenn unser Vater
nicht zu Hause war.

Einmal kam ich mit Beethoven in sehr unangenehme Conflicte, weil er
geglaubt hatte, ich gäbe ihm in seiner Handlungsweise Unrecht gegen seinen
Neffen. Ueberhaupt verwunderte ich mich oft darüber, daß B. so viel auf
die Meinung der Menschen hielt und, einmal bei Gelegenheit wegen des
Neffen äußerte: „was werden die Leute sagen, sie werden mich für einen
Tyrannen halten." Das konnte aber niemand glauben, wenn er ihn nur ein¬
mal mit seinem geliebten Neffen gesehen hatte; denn er duldete sogar, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/34>, abgerufen am 28.07.2024.