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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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dene Material verarbeitet ist es besondere Pflicht der periodischen Presse, zu
sammeln und dem Publicum vorzulegen, was von Notizen sür eine gute Bio¬
graphie noch jetzt hier und da erreichbar wird. Auch daS weniger Wichtige
darf sür solchen Zweck Interesse beanspruchen, und der Verehrer eines bedeu¬
tenden Mannes wird sich unterdeß aus den kleinen >Zügen wohlwollend das
Bild zusammensetzen, welches noch nicht durch eine tüchtige Schilderung sichere
Umrisse erhalten hat.

So hält es auch dieses Blatt sür Pflicht, einiges biographische Material
sür Beethoven, welches den Herausgebern zugegangen ist, wortgetreu mitzu¬
theilen. Dasselbe besteht aus den Auszeichnungen einer Dame, welche mit
Beethoven in Verbindung stand, und aus noch ungedruckten Briefen Beethovens.

Die handschriftlichen Bemerkungen der Verehrerin Beethovens, Tochter
eines Herrn del Rio, welcher im Jahre -1816 zu Wien einem Erziehungs¬
institut vorstand, sind durchaus anspruchslos und ohne einen Gedanken an
Veröffemlichung gemacht. Sie sind niedergeschrieben zum größten Theil nach
Tagebuchnotizen, und gewähren vielleicht grabe in ihrer Formlosigkeit, als ein
kunstloser und wahrhafter Bericht um so größeres Interesse. Wenn Einiges
von dem, was die Schreiben" in ihrer bescheidenen Weise erwähnt, nicht neu
ist, so wird man doch aus den kleinen Zügen manchen guten Einblick in
Beethovens Wesen und Erdenleben erhalten. Noch sei bemerkt, daß die Re¬
daction bereit ist, sür die Echtheit des hier Mitzutheilenden Bürgschaft zu
übernehmen. -- Das Manuscript beginnt folgendermaßen:

"Schon im Jahre 1813, während des wiener Congresses, hatten wir die
Hoffnung Beethoven kennen zu lernen. Es wohnte damals der geheime Cabi-
netssecretär Duncker des Königs von Preußen bei uns, welcher ein großer
Musikliebhaber war, namentlich Beethoven sehr verehrte. Er hatte ein Trauer¬
spiel gedichtet Namens: "Leonore Prohaöka", dazu sollte ihm Beethoven einige
Stücke componiren, was auch geschah: einen kurzen, aber wunderschönen Jäger¬
chor, eine Romanze, und einige Zeilen mit Harmonikabegleilung, Melodram; den
bekannten herrlichen Trauermarsch aus der Sonate ließ der Dichter sich von ihm
instrumentircn. Schwester und ich meinten, warum Hr. Duncker sich nicht einen
neuen Marsch ausgebeten, doch er sand, daß er keinen schönern hören könne.
Die Musikstücke, bis auf den Trauermarsch, sind bei uns noch vorhanden, wir
hatten auch die Erlaubniß selbe veröffentlichen zu dürfen unter dem Namen:
"Friedrich Duncker", es ist aber nicht dazu gekommen. Verherrliche Marsch ist
jährlich einmal, ich glaube in einem geschlossenen Musikverein in Berlin, auf¬
geführt worden. Das Stuck ist nicht zur Aufführung gelangt, eine Hauptur¬
sache davon war die, daß der Zeitpunkt, wo es allgemeinen Antheil erregt
haben könnte, bereits vorübergegangen war. Duncker mußte oft deswegen sich
mit dem Compostteur besprechen, und immer war dieser mit dem Text deS


dene Material verarbeitet ist es besondere Pflicht der periodischen Presse, zu
sammeln und dem Publicum vorzulegen, was von Notizen sür eine gute Bio¬
graphie noch jetzt hier und da erreichbar wird. Auch daS weniger Wichtige
darf sür solchen Zweck Interesse beanspruchen, und der Verehrer eines bedeu¬
tenden Mannes wird sich unterdeß aus den kleinen >Zügen wohlwollend das
Bild zusammensetzen, welches noch nicht durch eine tüchtige Schilderung sichere
Umrisse erhalten hat.

So hält es auch dieses Blatt sür Pflicht, einiges biographische Material
sür Beethoven, welches den Herausgebern zugegangen ist, wortgetreu mitzu¬
theilen. Dasselbe besteht aus den Auszeichnungen einer Dame, welche mit
Beethoven in Verbindung stand, und aus noch ungedruckten Briefen Beethovens.

Die handschriftlichen Bemerkungen der Verehrerin Beethovens, Tochter
eines Herrn del Rio, welcher im Jahre -1816 zu Wien einem Erziehungs¬
institut vorstand, sind durchaus anspruchslos und ohne einen Gedanken an
Veröffemlichung gemacht. Sie sind niedergeschrieben zum größten Theil nach
Tagebuchnotizen, und gewähren vielleicht grabe in ihrer Formlosigkeit, als ein
kunstloser und wahrhafter Bericht um so größeres Interesse. Wenn Einiges
von dem, was die Schreiben» in ihrer bescheidenen Weise erwähnt, nicht neu
ist, so wird man doch aus den kleinen Zügen manchen guten Einblick in
Beethovens Wesen und Erdenleben erhalten. Noch sei bemerkt, daß die Re¬
daction bereit ist, sür die Echtheit des hier Mitzutheilenden Bürgschaft zu
übernehmen. — Das Manuscript beginnt folgendermaßen:

„Schon im Jahre 1813, während des wiener Congresses, hatten wir die
Hoffnung Beethoven kennen zu lernen. Es wohnte damals der geheime Cabi-
netssecretär Duncker des Königs von Preußen bei uns, welcher ein großer
Musikliebhaber war, namentlich Beethoven sehr verehrte. Er hatte ein Trauer¬
spiel gedichtet Namens: „Leonore Prohaöka", dazu sollte ihm Beethoven einige
Stücke componiren, was auch geschah: einen kurzen, aber wunderschönen Jäger¬
chor, eine Romanze, und einige Zeilen mit Harmonikabegleilung, Melodram; den
bekannten herrlichen Trauermarsch aus der Sonate ließ der Dichter sich von ihm
instrumentircn. Schwester und ich meinten, warum Hr. Duncker sich nicht einen
neuen Marsch ausgebeten, doch er sand, daß er keinen schönern hören könne.
Die Musikstücke, bis auf den Trauermarsch, sind bei uns noch vorhanden, wir
hatten auch die Erlaubniß selbe veröffentlichen zu dürfen unter dem Namen:
„Friedrich Duncker", es ist aber nicht dazu gekommen. Verherrliche Marsch ist
jährlich einmal, ich glaube in einem geschlossenen Musikverein in Berlin, auf¬
geführt worden. Das Stuck ist nicht zur Aufführung gelangt, eine Hauptur¬
sache davon war die, daß der Zeitpunkt, wo es allgemeinen Antheil erregt
haben könnte, bereits vorübergegangen war. Duncker mußte oft deswegen sich
mit dem Compostteur besprechen, und immer war dieser mit dem Text deS


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[0032] dene Material verarbeitet ist es besondere Pflicht der periodischen Presse, zu sammeln und dem Publicum vorzulegen, was von Notizen sür eine gute Bio¬ graphie noch jetzt hier und da erreichbar wird. Auch daS weniger Wichtige darf sür solchen Zweck Interesse beanspruchen, und der Verehrer eines bedeu¬ tenden Mannes wird sich unterdeß aus den kleinen >Zügen wohlwollend das Bild zusammensetzen, welches noch nicht durch eine tüchtige Schilderung sichere Umrisse erhalten hat. So hält es auch dieses Blatt sür Pflicht, einiges biographische Material sür Beethoven, welches den Herausgebern zugegangen ist, wortgetreu mitzu¬ theilen. Dasselbe besteht aus den Auszeichnungen einer Dame, welche mit Beethoven in Verbindung stand, und aus noch ungedruckten Briefen Beethovens. Die handschriftlichen Bemerkungen der Verehrerin Beethovens, Tochter eines Herrn del Rio, welcher im Jahre -1816 zu Wien einem Erziehungs¬ institut vorstand, sind durchaus anspruchslos und ohne einen Gedanken an Veröffemlichung gemacht. Sie sind niedergeschrieben zum größten Theil nach Tagebuchnotizen, und gewähren vielleicht grabe in ihrer Formlosigkeit, als ein kunstloser und wahrhafter Bericht um so größeres Interesse. Wenn Einiges von dem, was die Schreiben» in ihrer bescheidenen Weise erwähnt, nicht neu ist, so wird man doch aus den kleinen Zügen manchen guten Einblick in Beethovens Wesen und Erdenleben erhalten. Noch sei bemerkt, daß die Re¬ daction bereit ist, sür die Echtheit des hier Mitzutheilenden Bürgschaft zu übernehmen. — Das Manuscript beginnt folgendermaßen: „Schon im Jahre 1813, während des wiener Congresses, hatten wir die Hoffnung Beethoven kennen zu lernen. Es wohnte damals der geheime Cabi- netssecretär Duncker des Königs von Preußen bei uns, welcher ein großer Musikliebhaber war, namentlich Beethoven sehr verehrte. Er hatte ein Trauer¬ spiel gedichtet Namens: „Leonore Prohaöka", dazu sollte ihm Beethoven einige Stücke componiren, was auch geschah: einen kurzen, aber wunderschönen Jäger¬ chor, eine Romanze, und einige Zeilen mit Harmonikabegleilung, Melodram; den bekannten herrlichen Trauermarsch aus der Sonate ließ der Dichter sich von ihm instrumentircn. Schwester und ich meinten, warum Hr. Duncker sich nicht einen neuen Marsch ausgebeten, doch er sand, daß er keinen schönern hören könne. Die Musikstücke, bis auf den Trauermarsch, sind bei uns noch vorhanden, wir hatten auch die Erlaubniß selbe veröffentlichen zu dürfen unter dem Namen: „Friedrich Duncker", es ist aber nicht dazu gekommen. Verherrliche Marsch ist jährlich einmal, ich glaube in einem geschlossenen Musikverein in Berlin, auf¬ geführt worden. Das Stuck ist nicht zur Aufführung gelangt, eine Hauptur¬ sache davon war die, daß der Zeitpunkt, wo es allgemeinen Antheil erregt haben könnte, bereits vorübergegangen war. Duncker mußte oft deswegen sich mit dem Compostteur besprechen, und immer war dieser mit dem Text deS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/32>, abgerufen am 27.07.2024.