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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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holsteinische Minister v. Scheel so sehr seine Stellung und das dänische Volk
verkennen, daß er die kecke und leichtsinnige Aeußerung wagen darf: die Zahl
der Anhänger der skandinavischen Idee sei in Dänemark eine geringe? Als
Gegenstand der Wünsche, der Hoffnungen und der Zukunföausstchten, liegt
nun einmal in dem Unionsgedanken eine Macht, die durch diplomatische Feder¬
striche nicht paralystrt wird; die äußeren Verhältnisse treiben die Völker deS
Nordens mehr und mehr in diesen Gedanken hinein, der nicht oft herauf¬
beschworen, sondern nur zu häufig herunterbeschworen ist. Weder eine ehrenvolle
noch eine erfreuliche Slaatöeristenz ist es, dem Schilfe gleich, vor jedem poli¬
tischen Windstoß nach Oft oder West sich zu beugen; vor allem aber Däne¬
marks Stellung zu Deutschland! Nicht ein vorübergehender Parorismus war
es, der Deutschland in den Fieberjahren vor und nach 1848, wider Dänemark
aufregte. Deutschland phantastrt noch zur Stunde in derselben Richtung; be¬
rauscht von einem Nationalitätöhvchmuth ohne Ziel und Grenze, betrachtet
Deutschland eine jede recht- und pflichtmäßige Veranstaltung im Interesse der
dänischen Nationalität als ein Attentat aus das Monopol der Deutschheit,
kein Pasquill über dänische Verhältnisse, mag eS noch so fabelhaft erdichten,
noch so plump verdrehen, noch so gehässig verleumden, noch so frech der
Lüge sich hingeben -- in Deutschland, selbst in wissenschaftlichen Zeitschriften,
wird es aufgenommen, als ein treuer, lehrreicher Beitrag zum Verständniß
des dänischen Volks und der dänischen Regierung. Durch die Gesammt-
verfassung ist eine Saat niedergelegt, aus der dieser fanatische Geist der Feind¬
seligkeit ohne Unterlaß seine giftige Nahrung ziehen wird; gegen diesen Geist
und seine gefährliche Macht ist ein Schutz, eine Stütze unentbehrlich, nicht
blos für Dänemark, denn Dänemark bildet nur die Vormauer für den skan¬
dinavischen Norden, wie Schleswig für Dänemark. Wo diese Stütze finden?
In der faktischen Beantwortung dieser Frage ruht die Zukunft des Nor¬
dens! Nur noch eins: sollte eine holstein-gottorfische Politik den Blick aus die
Häfen des Ostens wenden, um dort für das dänische Staatsschtff Ankergrund
zu finden, da würde, dies mehr als irgend etwas Anderes das Mittel sein,
um "die so, poetische Idee" zur praktischen Wirklichkeit hinüoerzusühren. -- So¬
weit Dr. Clausen.

Das Faedrelandet geht dem Nachfolger Bernstorffs mit Knüppeln zu
Leibe. Die Circularnote vom 20. Februar wird eine "Prostitution der Negie¬
rung" genannt; ein schönerer Leichenbitterstil, eine gröbere Unwissenheit sei
nicht denkbar- Wie lächerlich, ruft es aus, zu glauben, die Idee, sei durch
den Krieg der Westmächte mit Rußland um die Türkei in der, Krim inS Le¬
ben gerufen, nicht zu wissen, daß sie so alt,, als die Geschichte des Nordens,
daß fast alle Dichter, Geschichtschreiber, Staatsmänner und Fürsten, in deren
Adern ein Tropfen nordischen Bluts geflossen, sie genährt und für sie gestrebt


holsteinische Minister v. Scheel so sehr seine Stellung und das dänische Volk
verkennen, daß er die kecke und leichtsinnige Aeußerung wagen darf: die Zahl
der Anhänger der skandinavischen Idee sei in Dänemark eine geringe? Als
Gegenstand der Wünsche, der Hoffnungen und der Zukunföausstchten, liegt
nun einmal in dem Unionsgedanken eine Macht, die durch diplomatische Feder¬
striche nicht paralystrt wird; die äußeren Verhältnisse treiben die Völker deS
Nordens mehr und mehr in diesen Gedanken hinein, der nicht oft herauf¬
beschworen, sondern nur zu häufig herunterbeschworen ist. Weder eine ehrenvolle
noch eine erfreuliche Slaatöeristenz ist es, dem Schilfe gleich, vor jedem poli¬
tischen Windstoß nach Oft oder West sich zu beugen; vor allem aber Däne¬
marks Stellung zu Deutschland! Nicht ein vorübergehender Parorismus war
es, der Deutschland in den Fieberjahren vor und nach 1848, wider Dänemark
aufregte. Deutschland phantastrt noch zur Stunde in derselben Richtung; be¬
rauscht von einem Nationalitätöhvchmuth ohne Ziel und Grenze, betrachtet
Deutschland eine jede recht- und pflichtmäßige Veranstaltung im Interesse der
dänischen Nationalität als ein Attentat aus das Monopol der Deutschheit,
kein Pasquill über dänische Verhältnisse, mag eS noch so fabelhaft erdichten,
noch so plump verdrehen, noch so gehässig verleumden, noch so frech der
Lüge sich hingeben — in Deutschland, selbst in wissenschaftlichen Zeitschriften,
wird es aufgenommen, als ein treuer, lehrreicher Beitrag zum Verständniß
des dänischen Volks und der dänischen Regierung. Durch die Gesammt-
verfassung ist eine Saat niedergelegt, aus der dieser fanatische Geist der Feind¬
seligkeit ohne Unterlaß seine giftige Nahrung ziehen wird; gegen diesen Geist
und seine gefährliche Macht ist ein Schutz, eine Stütze unentbehrlich, nicht
blos für Dänemark, denn Dänemark bildet nur die Vormauer für den skan¬
dinavischen Norden, wie Schleswig für Dänemark. Wo diese Stütze finden?
In der faktischen Beantwortung dieser Frage ruht die Zukunft des Nor¬
dens! Nur noch eins: sollte eine holstein-gottorfische Politik den Blick aus die
Häfen des Ostens wenden, um dort für das dänische Staatsschtff Ankergrund
zu finden, da würde, dies mehr als irgend etwas Anderes das Mittel sein,
um „die so, poetische Idee" zur praktischen Wirklichkeit hinüoerzusühren. — So¬
weit Dr. Clausen.

Das Faedrelandet geht dem Nachfolger Bernstorffs mit Knüppeln zu
Leibe. Die Circularnote vom 20. Februar wird eine „Prostitution der Negie¬
rung" genannt; ein schönerer Leichenbitterstil, eine gröbere Unwissenheit sei
nicht denkbar- Wie lächerlich, ruft es aus, zu glauben, die Idee, sei durch
den Krieg der Westmächte mit Rußland um die Türkei in der, Krim inS Le¬
ben gerufen, nicht zu wissen, daß sie so alt,, als die Geschichte des Nordens,
daß fast alle Dichter, Geschichtschreiber, Staatsmänner und Fürsten, in deren
Adern ein Tropfen nordischen Bluts geflossen, sie genährt und für sie gestrebt


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[0178] holsteinische Minister v. Scheel so sehr seine Stellung und das dänische Volk verkennen, daß er die kecke und leichtsinnige Aeußerung wagen darf: die Zahl der Anhänger der skandinavischen Idee sei in Dänemark eine geringe? Als Gegenstand der Wünsche, der Hoffnungen und der Zukunföausstchten, liegt nun einmal in dem Unionsgedanken eine Macht, die durch diplomatische Feder¬ striche nicht paralystrt wird; die äußeren Verhältnisse treiben die Völker deS Nordens mehr und mehr in diesen Gedanken hinein, der nicht oft herauf¬ beschworen, sondern nur zu häufig herunterbeschworen ist. Weder eine ehrenvolle noch eine erfreuliche Slaatöeristenz ist es, dem Schilfe gleich, vor jedem poli¬ tischen Windstoß nach Oft oder West sich zu beugen; vor allem aber Däne¬ marks Stellung zu Deutschland! Nicht ein vorübergehender Parorismus war es, der Deutschland in den Fieberjahren vor und nach 1848, wider Dänemark aufregte. Deutschland phantastrt noch zur Stunde in derselben Richtung; be¬ rauscht von einem Nationalitätöhvchmuth ohne Ziel und Grenze, betrachtet Deutschland eine jede recht- und pflichtmäßige Veranstaltung im Interesse der dänischen Nationalität als ein Attentat aus das Monopol der Deutschheit, kein Pasquill über dänische Verhältnisse, mag eS noch so fabelhaft erdichten, noch so plump verdrehen, noch so gehässig verleumden, noch so frech der Lüge sich hingeben — in Deutschland, selbst in wissenschaftlichen Zeitschriften, wird es aufgenommen, als ein treuer, lehrreicher Beitrag zum Verständniß des dänischen Volks und der dänischen Regierung. Durch die Gesammt- verfassung ist eine Saat niedergelegt, aus der dieser fanatische Geist der Feind¬ seligkeit ohne Unterlaß seine giftige Nahrung ziehen wird; gegen diesen Geist und seine gefährliche Macht ist ein Schutz, eine Stütze unentbehrlich, nicht blos für Dänemark, denn Dänemark bildet nur die Vormauer für den skan¬ dinavischen Norden, wie Schleswig für Dänemark. Wo diese Stütze finden? In der faktischen Beantwortung dieser Frage ruht die Zukunft des Nor¬ dens! Nur noch eins: sollte eine holstein-gottorfische Politik den Blick aus die Häfen des Ostens wenden, um dort für das dänische Staatsschtff Ankergrund zu finden, da würde, dies mehr als irgend etwas Anderes das Mittel sein, um „die so, poetische Idee" zur praktischen Wirklichkeit hinüoerzusühren. — So¬ weit Dr. Clausen. Das Faedrelandet geht dem Nachfolger Bernstorffs mit Knüppeln zu Leibe. Die Circularnote vom 20. Februar wird eine „Prostitution der Negie¬ rung" genannt; ein schönerer Leichenbitterstil, eine gröbere Unwissenheit sei nicht denkbar- Wie lächerlich, ruft es aus, zu glauben, die Idee, sei durch den Krieg der Westmächte mit Rußland um die Türkei in der, Krim inS Le¬ ben gerufen, nicht zu wissen, daß sie so alt,, als die Geschichte des Nordens, daß fast alle Dichter, Geschichtschreiber, Staatsmänner und Fürsten, in deren Adern ein Tropfen nordischen Bluts geflossen, sie genährt und für sie gestrebt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/178>, abgerufen am 28.07.2024.