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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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jetzt auch bei den berühmtesten und mächtigsten Banken anderer Art zur Regel
geworden, ein Beweis, daß nicht die Bankeinrichtungen, sondern die eigen¬
thümlichen Verkehrsverhältnisse unserer Zeit dessen Ursache sind. Wir haben
übrigens im vorigen Jahre gleichfalls in Hamburg zwei große Diskontobanken
neben der alten Girobank erhalten, beide aber glücklicherweise ohne Papier¬
geldausgabe, ihr Vorhandensein hat jedoch ein neues Steigen des Disconto
nicht verhindern können, dem sich bekanntlich auch die londoner und pariser
Bank nicht haben entziehen können/ Institute, hinter denen doch die Macht
und der Credit großer Staaten stehen. Aber ebendeshalb wird man auch
die Girobank nicht nach dem Maßstab einer von ihr verlangten positiven
Thätigkeit beurtheilen können, sondern mehr nach dem Charakter, den sie dem
gesammten hamburgischen Geschäftsleben aufdrückt. Die Solidität des Ham¬
burger Handels ist sprichwörtlich geworden, und gewiß mag der sichere Gang
und der reelle Rückhalt, den die Girobank ihm gewährt, dabei vom wesent¬
lichsten Einfluß gewesen sein. Hamburg hat in dieser Beziehung nach dem gro¬
ßen Brande eine sür die Stadt ungemein ehrenvolle Probe geliefert, und es dürfte
wol sehr fraglich sein, ob eine große marktbeherrschende Diskontobank in der
damaligen Zerrüttung aller Verhältnisse den allgemeinen Credit so aufrecht ge¬
halten hätte, wie der muthige Entschluß von Bürgern, die einen Einsatz
wagten, weil ihr Verlust sich nicht aus eine Anzahl Actien beschränkte, son¬
dern sich viel tiefer in ihr Vermögen erstreckte, die auch frei handeln konnten,
weil sie nach den Umständen und nicht nach den Vorschriften von Statuten
sich richten durften.

Doch wir wollen unsere Leser nicht weiter mit Betrachtungen dieser Art
ermüden, die indeß hoffentlich in einer an Bankunternehmungen so reichen
Zeit nicht ganz unangebracht waren. Wir fügen lieber einige interessante No¬
tizen zu. Die Hamburger Bank hat nicht blos als Mittelpunkt des Silber-
Handels und als Trägerin des so weit reichenden Hamburger Verkehrs,
sondern auch durch andere Beziehungen eine weit über Hamburg hinausra¬
gende Bedeutung. Es liegen in ihr fast immer sehr bedeutende Guthaben des
Auslandes, selbst fremder Regierungen, wozu man sich der Vermittlung hie¬
siger Bürger bedient, die denn auch allein ihren Auftraggebern verpflichtet
sind; die Bank selbst kennt natürlich nur die unmittelbaren Einleger. So
liegen hier beispielsweise stets etwa sechs Millionen Mark Bank" auf Rechnung
der schwedischen Negierung, kommen aber nothwendig dem Hamburger Verkehr
M Nutze. Es bedarf überhaupt wol kaum der Erwähnung, daß Hamburg
über außerordentlich bedeutende Capitalkräste zu verfügen hat. Der Millionäre
gibt es hier eine ganz erkleckliche Zahl, von mäßig reichen Kaufleuten d. h.
solchen, die nur über einige Hunderttausend gebieten, schon viel mehr, noch
mehr natürlich von solchen, die es noch nicht bis zum ersten Hunderttausend


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jetzt auch bei den berühmtesten und mächtigsten Banken anderer Art zur Regel
geworden, ein Beweis, daß nicht die Bankeinrichtungen, sondern die eigen¬
thümlichen Verkehrsverhältnisse unserer Zeit dessen Ursache sind. Wir haben
übrigens im vorigen Jahre gleichfalls in Hamburg zwei große Diskontobanken
neben der alten Girobank erhalten, beide aber glücklicherweise ohne Papier¬
geldausgabe, ihr Vorhandensein hat jedoch ein neues Steigen des Disconto
nicht verhindern können, dem sich bekanntlich auch die londoner und pariser
Bank nicht haben entziehen können/ Institute, hinter denen doch die Macht
und der Credit großer Staaten stehen. Aber ebendeshalb wird man auch
die Girobank nicht nach dem Maßstab einer von ihr verlangten positiven
Thätigkeit beurtheilen können, sondern mehr nach dem Charakter, den sie dem
gesammten hamburgischen Geschäftsleben aufdrückt. Die Solidität des Ham¬
burger Handels ist sprichwörtlich geworden, und gewiß mag der sichere Gang
und der reelle Rückhalt, den die Girobank ihm gewährt, dabei vom wesent¬
lichsten Einfluß gewesen sein. Hamburg hat in dieser Beziehung nach dem gro¬
ßen Brande eine sür die Stadt ungemein ehrenvolle Probe geliefert, und es dürfte
wol sehr fraglich sein, ob eine große marktbeherrschende Diskontobank in der
damaligen Zerrüttung aller Verhältnisse den allgemeinen Credit so aufrecht ge¬
halten hätte, wie der muthige Entschluß von Bürgern, die einen Einsatz
wagten, weil ihr Verlust sich nicht aus eine Anzahl Actien beschränkte, son¬
dern sich viel tiefer in ihr Vermögen erstreckte, die auch frei handeln konnten,
weil sie nach den Umständen und nicht nach den Vorschriften von Statuten
sich richten durften.

Doch wir wollen unsere Leser nicht weiter mit Betrachtungen dieser Art
ermüden, die indeß hoffentlich in einer an Bankunternehmungen so reichen
Zeit nicht ganz unangebracht waren. Wir fügen lieber einige interessante No¬
tizen zu. Die Hamburger Bank hat nicht blos als Mittelpunkt des Silber-
Handels und als Trägerin des so weit reichenden Hamburger Verkehrs,
sondern auch durch andere Beziehungen eine weit über Hamburg hinausra¬
gende Bedeutung. Es liegen in ihr fast immer sehr bedeutende Guthaben des
Auslandes, selbst fremder Regierungen, wozu man sich der Vermittlung hie¬
siger Bürger bedient, die denn auch allein ihren Auftraggebern verpflichtet
sind; die Bank selbst kennt natürlich nur die unmittelbaren Einleger. So
liegen hier beispielsweise stets etwa sechs Millionen Mark Bank» auf Rechnung
der schwedischen Negierung, kommen aber nothwendig dem Hamburger Verkehr
M Nutze. Es bedarf überhaupt wol kaum der Erwähnung, daß Hamburg
über außerordentlich bedeutende Capitalkräste zu verfügen hat. Der Millionäre
gibt es hier eine ganz erkleckliche Zahl, von mäßig reichen Kaufleuten d. h.
solchen, die nur über einige Hunderttausend gebieten, schon viel mehr, noch
mehr natürlich von solchen, die es noch nicht bis zum ersten Hunderttausend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/153>, abgerufen am 28.07.2024.