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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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gebracht haben, aber nicht ohne begründete Aussicht darauf losarbeiten, und
endlich von denen, die mit Glück und Verstand sich erst in ein Vermögen
hineinarbeiten wollen, eine bei aller Bescheidenheit doch sehr wichtige Classe,
eine wahre Unzahl. Was aber das Erfreulichste dabei ist, der rege Umsatz
und das lebhafte vielseitige Geschäft hat über Hamburg eine Fülle von
Wohlhabenheit ausgegossen, die sich bis in die untern Classen hinein erstreckt.
Nicht die Menge der reichlichen Lebensgenuß bietenden und stets stark frequen-
tirten Vergnügungsörter beweist dies, denn Genußsucht und ökonomisches
Verkommen können recht wohl Hand in Hand gehen, sondern vor allem der
starke Verbrauch der schon höher stehenden Lebensbedürfnisse. Armuth, bittere
Armuth ist freilich auch in Hamburg zu finden. Zu .deren Hebung oder Lin¬
derung bestehen eine Menge sogenannter wohlthätiger Institute, deren segens¬
reiche Folgen wir indeß theilweise für etwas problematisch halten, am meisten
in Betreff der öffentlichen Armenpflege, die in Hamburg ihrem gewöhnlichen
Schicksal, das Proletariat zu einem dauernden Institut zu erheben, statt eS zu
mindern nicht entgeht. Aber die Armuth ist hier verhältnißmäßig doch gering,
und der thätigen Kraft kann es kaum entgehen, sich Geltung zu verschaffen.

Ehe die eigentliche "Börse" beginnt, werden namentlich an zwei verschie¬
denen Orten bereits Vorstudien zu jener größern Thätigkeit gemacht, die daselbst
erfordert wird. Sie sind deshalb auch als integrirende Theile der Börse zu
betrachten, die wir nicht vergessen dürfen.

Hamburg beansprucht, wie das NichtHamburg mit Rührung anerkennt,
einen gebietenden Platz nicht sowol für die höhere Gourmandise, was viel zu
anständig mit Feinschmeckern übersetzt wird, als für jene derbere Kost, deren
Höhepunkt im Beefsteak und im Rauchfleisch erreicht wird. Es findet hier
ein ungemein lebhafter Amalgamationsproceß zwischen diesen und ähnlichen
Erzeugnissen des höhern Rindviehs und den vereinten Hamburger Magen statt.
Und darum geschieht es gewiß mit Recht und Würden, wenn eine der Vor¬
börsen sich in der unmittelbar bei der Börse belegenen zinggschen Restau¬
ration etablirt hat, und darum hält der Besitzer dieses preiswürdigen Instituts
mit anerkennenSwerthem Eiser aus den makellosen Ruf seiner Butterbrode und
seines Porters, seiner Beefsteaks und seiner sonstigen Ergötzlichkeiten für einen
gebildeten Gaumen. Wie viel sanfter und freundlicher wird nicht unter solchen
Eindrücken der ruhelose Geist des Gewinns, der Nimmersatte Eifer der Con-
currenz, und wie manches Geschäft an pas man sonst nicht gedacht hätte,
ist in solchen Stimmungen zu Stande gekommen, wie wohlthuend ist überhaupt
eine solche Vorbereitung zum spätern ernstern Börsengeschäft! Wenn nun
die Börsenstunde herannaht, dann füllen sich die Räume des zinggschen
Locals an, die Geschäfte gehen mit dem Essen und Trinken immer eifriger
Hand in Hand, bis unmittelbar beim Beginn des Börsenliwtens eigene-


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gebracht haben, aber nicht ohne begründete Aussicht darauf losarbeiten, und
endlich von denen, die mit Glück und Verstand sich erst in ein Vermögen
hineinarbeiten wollen, eine bei aller Bescheidenheit doch sehr wichtige Classe,
eine wahre Unzahl. Was aber das Erfreulichste dabei ist, der rege Umsatz
und das lebhafte vielseitige Geschäft hat über Hamburg eine Fülle von
Wohlhabenheit ausgegossen, die sich bis in die untern Classen hinein erstreckt.
Nicht die Menge der reichlichen Lebensgenuß bietenden und stets stark frequen-
tirten Vergnügungsörter beweist dies, denn Genußsucht und ökonomisches
Verkommen können recht wohl Hand in Hand gehen, sondern vor allem der
starke Verbrauch der schon höher stehenden Lebensbedürfnisse. Armuth, bittere
Armuth ist freilich auch in Hamburg zu finden. Zu .deren Hebung oder Lin¬
derung bestehen eine Menge sogenannter wohlthätiger Institute, deren segens¬
reiche Folgen wir indeß theilweise für etwas problematisch halten, am meisten
in Betreff der öffentlichen Armenpflege, die in Hamburg ihrem gewöhnlichen
Schicksal, das Proletariat zu einem dauernden Institut zu erheben, statt eS zu
mindern nicht entgeht. Aber die Armuth ist hier verhältnißmäßig doch gering,
und der thätigen Kraft kann es kaum entgehen, sich Geltung zu verschaffen.

Ehe die eigentliche „Börse" beginnt, werden namentlich an zwei verschie¬
denen Orten bereits Vorstudien zu jener größern Thätigkeit gemacht, die daselbst
erfordert wird. Sie sind deshalb auch als integrirende Theile der Börse zu
betrachten, die wir nicht vergessen dürfen.

Hamburg beansprucht, wie das NichtHamburg mit Rührung anerkennt,
einen gebietenden Platz nicht sowol für die höhere Gourmandise, was viel zu
anständig mit Feinschmeckern übersetzt wird, als für jene derbere Kost, deren
Höhepunkt im Beefsteak und im Rauchfleisch erreicht wird. Es findet hier
ein ungemein lebhafter Amalgamationsproceß zwischen diesen und ähnlichen
Erzeugnissen des höhern Rindviehs und den vereinten Hamburger Magen statt.
Und darum geschieht es gewiß mit Recht und Würden, wenn eine der Vor¬
börsen sich in der unmittelbar bei der Börse belegenen zinggschen Restau¬
ration etablirt hat, und darum hält der Besitzer dieses preiswürdigen Instituts
mit anerkennenSwerthem Eiser aus den makellosen Ruf seiner Butterbrode und
seines Porters, seiner Beefsteaks und seiner sonstigen Ergötzlichkeiten für einen
gebildeten Gaumen. Wie viel sanfter und freundlicher wird nicht unter solchen
Eindrücken der ruhelose Geist des Gewinns, der Nimmersatte Eifer der Con-
currenz, und wie manches Geschäft an pas man sonst nicht gedacht hätte,
ist in solchen Stimmungen zu Stande gekommen, wie wohlthuend ist überhaupt
eine solche Vorbereitung zum spätern ernstern Börsengeschäft! Wenn nun
die Börsenstunde herannaht, dann füllen sich die Räume des zinggschen
Locals an, die Geschäfte gehen mit dem Essen und Trinken immer eifriger
Hand in Hand, bis unmittelbar beim Beginn des Börsenliwtens eigene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/154>, abgerufen am 28.07.2024.