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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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außerdem wird man sich hier bereits in der Sphäre^ des directen Widerstandes
der britischen Waffen bewegen, Destleen stürmen und Felsennester wegnehmen
müssen. Wenn man diese Operation nach einem Vierteljahr beenden könnte,
würde man sich Glück zu wünschen haben. Daß man diese Richtung nehmen
werde, will mir übrigens nicht ebxn sehr wahrscheinlich erscheinen. Besonders
leer an Hilfsmitteln ist die Strecke von Kabul nach Pischawar, indem sie in
einer Ausdehnung von sechzig Stunden nur durch eine öde Gebirgsland¬
schaft führt.

Die großen Schwierigkeiten, welche die Bewegung von Geschütz auf
der Straße zwischen Herat und Kabul finden wird, scheinen zu bedingen,
daß der Hauptangriff sich mit seinen Massen von. jenem Punkte aus nach
Kandahar wendet. Von hier aus hat man alsdann eine dreifache Wahl,
nämlich entweder durch einen Flankenmarsch, auf einer zwischen hundertund-
funfzig und hundertundsechzig Wegstunden langen Straße Kabul zu gewin¬
nen, oder zweitens über Schikarpur direct gegen den Indus zu operiren, oder
endlich zu diesem Zweck die Straße über Mittun einzuschlagen. Ersteres er¬
scheint mir das Wahrscheinlichere. Aus dem eben Gesagten wird aber klar
werden, daß die Operationen von Herat aus reichlich die Zeitdauer eines
ganzen Feldzuges in Anspruch nehmen werden. Das Resultat, zu dem wir
durch diese Untersuchungen gelangen, ist aber dies: daß ein Zug Rußlands
wider Indien im besten Falle das Werk zweier Jahre ist; daß man im ersten
Jahre von der Wolga aus nach Herat gelangen kann, und hier seine Winter¬
quartiere nehmen muß, daß mithin dieser Punkt, wie schon bemerkt, die
räumliche Mitte der ganzen Angriffslinie bezeichnet, die vom Ausgangspunkt
am großen russischen Binnenstrome bis zum Indus weit über tausend StUN-
deN Mißt. ' i^y .^Ah, ,>l!^l^et^1!>>j

Das Reich des Schah befindet sich im Conflict mit fast allen seinen Nach¬
barn und in einer äußerst gefährlichen Krise, ohne daß man im Grunde ge¬
nommen genau weiß, wer dieselbe herbeiführte, und ob sie mehr im Interesse
der britischen oder der russischen Politik gelegen ist. Die letzten mir von
Teheran zugekommenen Nachrichten schildern den Schah in einer schwan¬
kenden und auch von innern Parteiungen bedrohten Stellung. Den
Krieg mit England habe er nur ungern und unter dem Drängen der Umstände
angenommen. Nußland blieb nicht bei Worten, sondern schritt selbst zur That.
Theils aus Astrachan, theils aus Petrowsk wurden in dem kleinen kaspischen
Hafen Enzeli, dem wichtigsten neben Asterabad, den Persien an dem Binnen¬
see besitzt, Waffen und Schießbedarf gelandet, und russische Geschützgicßer
gingen nach Tebris, um die Leitung der Arbeiten in den dortigen, seit neuerer
Zeit wiederum restaurirten Werkstätten zu übernehmen. Bedeutungsvoll ist
die Hindeutung auf die zwischen dem Kur und dem Araxes sich concentrirenden


außerdem wird man sich hier bereits in der Sphäre^ des directen Widerstandes
der britischen Waffen bewegen, Destleen stürmen und Felsennester wegnehmen
müssen. Wenn man diese Operation nach einem Vierteljahr beenden könnte,
würde man sich Glück zu wünschen haben. Daß man diese Richtung nehmen
werde, will mir übrigens nicht ebxn sehr wahrscheinlich erscheinen. Besonders
leer an Hilfsmitteln ist die Strecke von Kabul nach Pischawar, indem sie in
einer Ausdehnung von sechzig Stunden nur durch eine öde Gebirgsland¬
schaft führt.

Die großen Schwierigkeiten, welche die Bewegung von Geschütz auf
der Straße zwischen Herat und Kabul finden wird, scheinen zu bedingen,
daß der Hauptangriff sich mit seinen Massen von. jenem Punkte aus nach
Kandahar wendet. Von hier aus hat man alsdann eine dreifache Wahl,
nämlich entweder durch einen Flankenmarsch, auf einer zwischen hundertund-
funfzig und hundertundsechzig Wegstunden langen Straße Kabul zu gewin¬
nen, oder zweitens über Schikarpur direct gegen den Indus zu operiren, oder
endlich zu diesem Zweck die Straße über Mittun einzuschlagen. Ersteres er¬
scheint mir das Wahrscheinlichere. Aus dem eben Gesagten wird aber klar
werden, daß die Operationen von Herat aus reichlich die Zeitdauer eines
ganzen Feldzuges in Anspruch nehmen werden. Das Resultat, zu dem wir
durch diese Untersuchungen gelangen, ist aber dies: daß ein Zug Rußlands
wider Indien im besten Falle das Werk zweier Jahre ist; daß man im ersten
Jahre von der Wolga aus nach Herat gelangen kann, und hier seine Winter¬
quartiere nehmen muß, daß mithin dieser Punkt, wie schon bemerkt, die
räumliche Mitte der ganzen Angriffslinie bezeichnet, die vom Ausgangspunkt
am großen russischen Binnenstrome bis zum Indus weit über tausend StUN-
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Das Reich des Schah befindet sich im Conflict mit fast allen seinen Nach¬
barn und in einer äußerst gefährlichen Krise, ohne daß man im Grunde ge¬
nommen genau weiß, wer dieselbe herbeiführte, und ob sie mehr im Interesse
der britischen oder der russischen Politik gelegen ist. Die letzten mir von
Teheran zugekommenen Nachrichten schildern den Schah in einer schwan¬
kenden und auch von innern Parteiungen bedrohten Stellung. Den
Krieg mit England habe er nur ungern und unter dem Drängen der Umstände
angenommen. Nußland blieb nicht bei Worten, sondern schritt selbst zur That.
Theils aus Astrachan, theils aus Petrowsk wurden in dem kleinen kaspischen
Hafen Enzeli, dem wichtigsten neben Asterabad, den Persien an dem Binnen¬
see besitzt, Waffen und Schießbedarf gelandet, und russische Geschützgicßer
gingen nach Tebris, um die Leitung der Arbeiten in den dortigen, seit neuerer
Zeit wiederum restaurirten Werkstätten zu übernehmen. Bedeutungsvoll ist
die Hindeutung auf die zwischen dem Kur und dem Araxes sich concentrirenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/66>, abgerufen am 22.12.2024.