Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.russischen Truppenmassen, zu der des Zaren Gesandter in Teheran angewiesen England, wie wir gesehen, sucht seine Angriffspunkte wider Persien in 8'
russischen Truppenmassen, zu der des Zaren Gesandter in Teheran angewiesen England, wie wir gesehen, sucht seine Angriffspunkte wider Persien in 8'
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103200"/> <p xml:id="ID_194" prev="#ID_193"> russischen Truppenmassen, zu der des Zaren Gesandter in Teheran angewiesen<lb/> war. Es geschah in Verbindung mit (auf rückständige Kricgskostenzahlungen<lb/> basirten) Anforderungen einer Landesabtretung zu Gunsten der Abrun-<lb/> dung der russischen Grenze gegen Persien. Welches Gewässer unter dem<lb/> Fluß Alsas verstanden ist, der künstig als Grenze dienen soll, weiß ich nicht,<lb/> indeß scheint der Strich, um welchen es sich handelt, nicht unbedeutend zu<lb/> sein. Niemand zweifelt, daß die russische Diplomatie Meister ihres Spieles<lb/> ist, und persische Beanstandungen nur der Form wegen stattfinden. Bei den<lb/> jetzt bestehenden Beziehungen tritt die Bedeutung des kaspischen Meeres noch<lb/> UM vieles mehr in den Vordergrund. Dieser gewaltige Binnensee ist nicht<lb/> reich an Hasen. Aber der Zufall hat gefügt, daß, wie sie liegen, sie dem<lb/> russischen Interesse die besten Dienste leisten. Unter den an der Südküste ge¬<lb/> legenen sind keine bedeutender, als die in den beiden Ecken situirter, nämlich<lb/> Enzeli im Südwest- und Asterabad im Südostwinkel. Rußland strebt nichts<lb/> eifriger an, als auf diesen genannten Punkten festen Fuß zu fassen, weil es<lb/> von hier aus ganz Nordpersien in seiner weitesten Ausdehnung beherrschen<lb/> würde. Um direct auf Teheran zu rücken, um dem Hofe des Schah Beistand<lb/> zu leisten, ist Enzeli der fragliche Punkt. Der See hat hier eine Küsten-<lb/> sormation, die mit den preußischen Haffs einige Aehnlichkeit hat, und eben¬<lb/> dieselbe bildet sich bei Asterabad wieder. Auf der Spitze der Nehrung oder<lb/> am Eingang des haffartigen Busens liegt die Ortschaft Enzeli. Trefflich eig¬<lb/> nen sich diese Landzungen für einen wichtigen Ausschiffungöplatz. Weiter im<lb/> Hintergrunde des Busens ist Rescht gelegen, in dessen Nähe wiederum der<lb/> Nüdbar oder Kiön-Ufer-Fluß ins Meer einmündet. Dieser Strom ist wichtig,<lb/> indem er das Gebirge, welches den Binnensee im Süden umkränzt, durchbricht,<lb/> und in seinem Thale einer bequemen Straße Raum gibt, die zunächst von<lb/> Rescht über Kaswin auf Teheran leitet. Diese Straße wird in Zukunft die<lb/> Hauptoperationslinie aller russischen, in dieser Gegend zur Action bestimmten<lb/> Heereskräfte werden. Kaswin aber ist auf der ganzen Ausdehnung der Straße<lb/> der vorwiegend wichtigste Punkt, der Punkt, zu welchem Rußland seine Heer¬<lb/> körper für diese einstige große Entscheidung aus dem Innern deS Landes (den<lb/> Wvlgagegenden) ziehen wird, zur großen Entscheidung, denn vergessen wir<lb/> nicht: Rußland wird seine Herrschaft in Persien nicht feststellen, ohne zugleich<lb/> damit in ganz Vorderasien zur dominirenden Macht zu werden, und das Da¬<lb/> sein des osmanischen Reiches von seinem Willen abhängig zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_195" next="#ID_196"> England, wie wir gesehen, sucht seine Angriffspunkte wider Persien in<lb/> der entgegengesetzten Richtung, nämlich naturgemäß von der offnen Seeseite<lb/> her. Indem es dies thut, nimmt es Indien zu seiner Basis und Bombay<lb/> zum Depotpunkt im Rücken. Wäre die Euphratbahn bis Bagdad vollendet,<lb/> so könnte es, wie seine Stellung zur Türkei und die der letzteren zu Persien</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 8'</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
russischen Truppenmassen, zu der des Zaren Gesandter in Teheran angewiesen
war. Es geschah in Verbindung mit (auf rückständige Kricgskostenzahlungen
basirten) Anforderungen einer Landesabtretung zu Gunsten der Abrun-
dung der russischen Grenze gegen Persien. Welches Gewässer unter dem
Fluß Alsas verstanden ist, der künstig als Grenze dienen soll, weiß ich nicht,
indeß scheint der Strich, um welchen es sich handelt, nicht unbedeutend zu
sein. Niemand zweifelt, daß die russische Diplomatie Meister ihres Spieles
ist, und persische Beanstandungen nur der Form wegen stattfinden. Bei den
jetzt bestehenden Beziehungen tritt die Bedeutung des kaspischen Meeres noch
UM vieles mehr in den Vordergrund. Dieser gewaltige Binnensee ist nicht
reich an Hasen. Aber der Zufall hat gefügt, daß, wie sie liegen, sie dem
russischen Interesse die besten Dienste leisten. Unter den an der Südküste ge¬
legenen sind keine bedeutender, als die in den beiden Ecken situirter, nämlich
Enzeli im Südwest- und Asterabad im Südostwinkel. Rußland strebt nichts
eifriger an, als auf diesen genannten Punkten festen Fuß zu fassen, weil es
von hier aus ganz Nordpersien in seiner weitesten Ausdehnung beherrschen
würde. Um direct auf Teheran zu rücken, um dem Hofe des Schah Beistand
zu leisten, ist Enzeli der fragliche Punkt. Der See hat hier eine Küsten-
sormation, die mit den preußischen Haffs einige Aehnlichkeit hat, und eben¬
dieselbe bildet sich bei Asterabad wieder. Auf der Spitze der Nehrung oder
am Eingang des haffartigen Busens liegt die Ortschaft Enzeli. Trefflich eig¬
nen sich diese Landzungen für einen wichtigen Ausschiffungöplatz. Weiter im
Hintergrunde des Busens ist Rescht gelegen, in dessen Nähe wiederum der
Nüdbar oder Kiön-Ufer-Fluß ins Meer einmündet. Dieser Strom ist wichtig,
indem er das Gebirge, welches den Binnensee im Süden umkränzt, durchbricht,
und in seinem Thale einer bequemen Straße Raum gibt, die zunächst von
Rescht über Kaswin auf Teheran leitet. Diese Straße wird in Zukunft die
Hauptoperationslinie aller russischen, in dieser Gegend zur Action bestimmten
Heereskräfte werden. Kaswin aber ist auf der ganzen Ausdehnung der Straße
der vorwiegend wichtigste Punkt, der Punkt, zu welchem Rußland seine Heer¬
körper für diese einstige große Entscheidung aus dem Innern deS Landes (den
Wvlgagegenden) ziehen wird, zur großen Entscheidung, denn vergessen wir
nicht: Rußland wird seine Herrschaft in Persien nicht feststellen, ohne zugleich
damit in ganz Vorderasien zur dominirenden Macht zu werden, und das Da¬
sein des osmanischen Reiches von seinem Willen abhängig zu machen.
England, wie wir gesehen, sucht seine Angriffspunkte wider Persien in
der entgegengesetzten Richtung, nämlich naturgemäß von der offnen Seeseite
her. Indem es dies thut, nimmt es Indien zu seiner Basis und Bombay
zum Depotpunkt im Rücken. Wäre die Euphratbahn bis Bagdad vollendet,
so könnte es, wie seine Stellung zur Türkei und die der letzteren zu Persien
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