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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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in Smolensk anhielt, um Athem zu schöpfen auf dem Riesenmarsche nach
Moskau, so hier der dereinstige Feldherr, welcher Hindostan zu seinem Ope¬
rationsobject genommen. Mehr noch: hier liegt der nothwendige Schlußpunkt
für die Unternehmungen des ersten Jahre , und hier, um die alte Feste her
die Gegend, in der nothwenig die Winterquartiere genommen werden müssen,
um im anderen Frühjahr den neuen Normarsch zu beginnen.

Eine russische Armee würde, um nach Herat zu gelangen, an den Ufern
der mittleren Wolga concentrirt werden, auf den zahlreichen Flußbooten und
Dampfern sich nach Astrachan einschiffen, darnach von der russischen Kriegs¬
flotte des kaspischen Meeres aufgenommen und bei Asterabad am Südrande
des hyrkanischen Meeres ausgeschifft werden. Von hier aus marschirt man
über Dschadscherm und Kutschan nach Mesched. Der ganze Weg von
Asterabad nach Herat macht aber etwa zweihundertfünfundsechzig Stunden
aus, und führt durch das dann- und wasserlose Chorasan. Wenn man
annimmt, daß in Europa eine große Armee mit Train und Bagage
in einem Tage, und in Rücksicht auf die Theilung in verschiedene
Colonnen und auf die Combinationen der Verpflegung nur etwa vier
Stunden machen wird, so heißt es viel annehmen, wenn man voraus¬
setzt, die -russische Heeresmacht könne von Asterabad nach Herat in we¬
niger als vier Monaten gelangen. Da die Erpedition von der Wolga erst
mit dem Aufgehen des Eises abgehen könnte, und die Ueberschiffung über die
kaspische See in mehren Transporten geschehen muß, so ist offenbar die be¬
schränkte Dauer der guten Jahreszeit dieser Gegenden eine eben nur knapp
bemessene Frist, um alles zu Stande zu bringen und die Armee bei Herat noch
rechtzeitig in die Winterquartiere zu legen. Aber wenn man auch daran zwei¬
feln möchte, aus den eben erörterten Gründen eben da lagern zu müssen,
würde dennoch das, waS man von Herat aus noch vor sich hat, den Beweis
liefern. Operirt man direct von dort aus auf Kabul, so muß man, um dieses
Ziel zu erreichen, eine Operationslinie von hundertundzwanzig Stunden
durchmessen, und eine Linie, bei der in Zweifel zu ziehen ist, ob man sein
Geschütz wird mit sich nehmen können; denn die Wegeverhaltnisse sind außer¬
ordentlich schlecht, und machen es auch den leichteren Waffengattungen, bei
den Wüsten, Schluchten und Pässen, die man zu passiren hat, unmöglich,
eher als nach zwei Monaten in Kabul anzulangen. Will man diese Schwierig¬
keiten vermeiden, dann hat man, von Herat aus, die Königöstmße, welche auf
Kandahar läuft, und hundertunddreißig Stunden lang ist, einzuschlagen.
Hierzu würden anderthalb Monate unerläßlich sein. Von Kabul nach dem
Indus geht der Weg über Pischawar und passtrt den Strom bei Attock wie
bereits erwähnt. Man kann ihn auf fünfundneunzig Stunden veranschla¬
gen, aber er ist kaum von einer besseren Beschaffenheit wie der erstere, und


Grenzboten. I. 1867. 8

in Smolensk anhielt, um Athem zu schöpfen auf dem Riesenmarsche nach
Moskau, so hier der dereinstige Feldherr, welcher Hindostan zu seinem Ope¬
rationsobject genommen. Mehr noch: hier liegt der nothwendige Schlußpunkt
für die Unternehmungen des ersten Jahre , und hier, um die alte Feste her
die Gegend, in der nothwenig die Winterquartiere genommen werden müssen,
um im anderen Frühjahr den neuen Normarsch zu beginnen.

Eine russische Armee würde, um nach Herat zu gelangen, an den Ufern
der mittleren Wolga concentrirt werden, auf den zahlreichen Flußbooten und
Dampfern sich nach Astrachan einschiffen, darnach von der russischen Kriegs¬
flotte des kaspischen Meeres aufgenommen und bei Asterabad am Südrande
des hyrkanischen Meeres ausgeschifft werden. Von hier aus marschirt man
über Dschadscherm und Kutschan nach Mesched. Der ganze Weg von
Asterabad nach Herat macht aber etwa zweihundertfünfundsechzig Stunden
aus, und führt durch das dann- und wasserlose Chorasan. Wenn man
annimmt, daß in Europa eine große Armee mit Train und Bagage
in einem Tage, und in Rücksicht auf die Theilung in verschiedene
Colonnen und auf die Combinationen der Verpflegung nur etwa vier
Stunden machen wird, so heißt es viel annehmen, wenn man voraus¬
setzt, die -russische Heeresmacht könne von Asterabad nach Herat in we¬
niger als vier Monaten gelangen. Da die Erpedition von der Wolga erst
mit dem Aufgehen des Eises abgehen könnte, und die Ueberschiffung über die
kaspische See in mehren Transporten geschehen muß, so ist offenbar die be¬
schränkte Dauer der guten Jahreszeit dieser Gegenden eine eben nur knapp
bemessene Frist, um alles zu Stande zu bringen und die Armee bei Herat noch
rechtzeitig in die Winterquartiere zu legen. Aber wenn man auch daran zwei¬
feln möchte, aus den eben erörterten Gründen eben da lagern zu müssen,
würde dennoch das, waS man von Herat aus noch vor sich hat, den Beweis
liefern. Operirt man direct von dort aus auf Kabul, so muß man, um dieses
Ziel zu erreichen, eine Operationslinie von hundertundzwanzig Stunden
durchmessen, und eine Linie, bei der in Zweifel zu ziehen ist, ob man sein
Geschütz wird mit sich nehmen können; denn die Wegeverhaltnisse sind außer¬
ordentlich schlecht, und machen es auch den leichteren Waffengattungen, bei
den Wüsten, Schluchten und Pässen, die man zu passiren hat, unmöglich,
eher als nach zwei Monaten in Kabul anzulangen. Will man diese Schwierig¬
keiten vermeiden, dann hat man, von Herat aus, die Königöstmße, welche auf
Kandahar läuft, und hundertunddreißig Stunden lang ist, einzuschlagen.
Hierzu würden anderthalb Monate unerläßlich sein. Von Kabul nach dem
Indus geht der Weg über Pischawar und passtrt den Strom bei Attock wie
bereits erwähnt. Man kann ihn auf fünfundneunzig Stunden veranschla¬
gen, aber er ist kaum von einer besseren Beschaffenheit wie der erstere, und


Grenzboten. I. 1867. 8
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[0065] in Smolensk anhielt, um Athem zu schöpfen auf dem Riesenmarsche nach Moskau, so hier der dereinstige Feldherr, welcher Hindostan zu seinem Ope¬ rationsobject genommen. Mehr noch: hier liegt der nothwendige Schlußpunkt für die Unternehmungen des ersten Jahre , und hier, um die alte Feste her die Gegend, in der nothwenig die Winterquartiere genommen werden müssen, um im anderen Frühjahr den neuen Normarsch zu beginnen. Eine russische Armee würde, um nach Herat zu gelangen, an den Ufern der mittleren Wolga concentrirt werden, auf den zahlreichen Flußbooten und Dampfern sich nach Astrachan einschiffen, darnach von der russischen Kriegs¬ flotte des kaspischen Meeres aufgenommen und bei Asterabad am Südrande des hyrkanischen Meeres ausgeschifft werden. Von hier aus marschirt man über Dschadscherm und Kutschan nach Mesched. Der ganze Weg von Asterabad nach Herat macht aber etwa zweihundertfünfundsechzig Stunden aus, und führt durch das dann- und wasserlose Chorasan. Wenn man annimmt, daß in Europa eine große Armee mit Train und Bagage in einem Tage, und in Rücksicht auf die Theilung in verschiedene Colonnen und auf die Combinationen der Verpflegung nur etwa vier Stunden machen wird, so heißt es viel annehmen, wenn man voraus¬ setzt, die -russische Heeresmacht könne von Asterabad nach Herat in we¬ niger als vier Monaten gelangen. Da die Erpedition von der Wolga erst mit dem Aufgehen des Eises abgehen könnte, und die Ueberschiffung über die kaspische See in mehren Transporten geschehen muß, so ist offenbar die be¬ schränkte Dauer der guten Jahreszeit dieser Gegenden eine eben nur knapp bemessene Frist, um alles zu Stande zu bringen und die Armee bei Herat noch rechtzeitig in die Winterquartiere zu legen. Aber wenn man auch daran zwei¬ feln möchte, aus den eben erörterten Gründen eben da lagern zu müssen, würde dennoch das, waS man von Herat aus noch vor sich hat, den Beweis liefern. Operirt man direct von dort aus auf Kabul, so muß man, um dieses Ziel zu erreichen, eine Operationslinie von hundertundzwanzig Stunden durchmessen, und eine Linie, bei der in Zweifel zu ziehen ist, ob man sein Geschütz wird mit sich nehmen können; denn die Wegeverhaltnisse sind außer¬ ordentlich schlecht, und machen es auch den leichteren Waffengattungen, bei den Wüsten, Schluchten und Pässen, die man zu passiren hat, unmöglich, eher als nach zwei Monaten in Kabul anzulangen. Will man diese Schwierig¬ keiten vermeiden, dann hat man, von Herat aus, die Königöstmße, welche auf Kandahar läuft, und hundertunddreißig Stunden lang ist, einzuschlagen. Hierzu würden anderthalb Monate unerläßlich sein. Von Kabul nach dem Indus geht der Weg über Pischawar und passtrt den Strom bei Attock wie bereits erwähnt. Man kann ihn auf fünfundneunzig Stunden veranschla¬ gen, aber er ist kaum von einer besseren Beschaffenheit wie der erstere, und Grenzboten. I. 1867. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/65>, abgerufen am 23.07.2024.