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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Kandidaten ihrer Partei für die Gewalt auf. Die Person deS Marschalls
Narvaez, der mit O'Dommel einst enge verbunden, jetzt durch Unversöhnliche
Rivalität von ihm getrennt war, schreckte diesen gleich einem Gespenst zur
Fügsamkeit gegen alle Forderungen deS Hofes. Er suchte sich auf jede Weise
von dem gefürchteten Nebenbuhler zu befreien. Er bot ihm die Gesandtschaft
in Petersburg an - Rußland war im Begriff, die seit länger als 20 Jahren
unterbrochenen Verbindungen mit Spanien wieder anzuknüpfen --, er bot
ihm sogar die Gesandtschaft in Paris an, von der aus ein Mann wie Nar¬
vaez leicht eine gefährliche Patronage über das spanische EabiNet ausüben
konnte. Der Herzog von Valencia lehnte jeden Posten unter O'Dommel ab,
und forderte mit steigender Heftigkeit seine Pässe, um nach Spanien zurückzu¬
kehren. O'Dommel konnte endlich der Königin gegenüber diesem Verlangen
sich nicht mehr widersetzen und gegen Ende September erhielt Serrano, der nach
dem Staatsstreich Marschall und nach dem Rücktritt Olozagas Botschafter in
Paris geworden war, die Pässe für Narvaez zugeschickt. Der Graf von Lucera
sah mit minderer Besorgniß seiner Rückkehr entgegen, denn ein Ereigniß war
eingetreten, daS ihn mit neuen Hoffnungen, sich zu behaupten, erfüllte. Der
Kaiser der Franzosen hatte in einem langen, eigenhändigen Schreiben an die
Königin dringend die Beibehaltung des Ministeriums O'Dommel befürwortet
und vor weitem Rückschritten gewarnt. Es war dies von Seiten Napoleons til.,
der früher den Staatsstreich mit seinem ganzen diplomatischen Gewicht unter¬
stützt hätte, ein Zugeständniß an England, wo seine Politik in Betreff Spa¬
niens höchlich mißfallen, und wol auch in der That der Ausfluß einer wirk¬
lichen Besorgniß über die gefährlichen Projecte der madrider Hofpartei. Außer¬
dem stieg bereits in der Ferne daS Gestirn deS russischen Einflusses auf, den
in Spanien sich festsetzen zu sehen dein französischen Herrscher keineswegs erwünscht
sein konnte. Jsabella hatte dem Schreiben ihres mächtigen Alliirten die an¬
scheinend beste Aufnahme angedeihen lassen. Es liegen jedoch Anzeichen vor,
daß diese Dazwischenkamst den Fall O'Donnels noch beschleunigte, indem sie
seinen Gegnern Anlaß gab, die verletzte Nationalwürde gegen ihn geltend zu
machen. Narvaez traf am 6. October in Madrid ein und wurde von der Kö¬
nigin, die noch zwei Tage vorher bei Gelegenheit großer Manöver der Be¬
satzung von Madrid, den Ministerpräsidenten mit Gunstbezeugungen überhäuft
^ hatte, mit kalter Freundlichkeit empfangen. Man glaubte ihn noch keineswegs
der Gewalt nahe und die skandalöse Scene, zu der ehr seine Leidenschaft im
Hause deS Generals Armero, gegen Quell y Reale, den Gemahl der Infan-
tin Josefa und Schwager des Königs fortriß, der, in seinen politischen Ueber¬
zeugungen ein entschiedener Progressist, den Herzog von Valencia in den con-
stituirenden Cortes rücksichtslos angegriffen hatte" schien seine Aussichten Nicht
zu bessern. Sechs Tage darauf war Narvaez an der Spitze eines rerirtionä-


Kandidaten ihrer Partei für die Gewalt auf. Die Person deS Marschalls
Narvaez, der mit O'Dommel einst enge verbunden, jetzt durch Unversöhnliche
Rivalität von ihm getrennt war, schreckte diesen gleich einem Gespenst zur
Fügsamkeit gegen alle Forderungen deS Hofes. Er suchte sich auf jede Weise
von dem gefürchteten Nebenbuhler zu befreien. Er bot ihm die Gesandtschaft
in Petersburg an - Rußland war im Begriff, die seit länger als 20 Jahren
unterbrochenen Verbindungen mit Spanien wieder anzuknüpfen —, er bot
ihm sogar die Gesandtschaft in Paris an, von der aus ein Mann wie Nar¬
vaez leicht eine gefährliche Patronage über das spanische EabiNet ausüben
konnte. Der Herzog von Valencia lehnte jeden Posten unter O'Dommel ab,
und forderte mit steigender Heftigkeit seine Pässe, um nach Spanien zurückzu¬
kehren. O'Dommel konnte endlich der Königin gegenüber diesem Verlangen
sich nicht mehr widersetzen und gegen Ende September erhielt Serrano, der nach
dem Staatsstreich Marschall und nach dem Rücktritt Olozagas Botschafter in
Paris geworden war, die Pässe für Narvaez zugeschickt. Der Graf von Lucera
sah mit minderer Besorgniß seiner Rückkehr entgegen, denn ein Ereigniß war
eingetreten, daS ihn mit neuen Hoffnungen, sich zu behaupten, erfüllte. Der
Kaiser der Franzosen hatte in einem langen, eigenhändigen Schreiben an die
Königin dringend die Beibehaltung des Ministeriums O'Dommel befürwortet
und vor weitem Rückschritten gewarnt. Es war dies von Seiten Napoleons til.,
der früher den Staatsstreich mit seinem ganzen diplomatischen Gewicht unter¬
stützt hätte, ein Zugeständniß an England, wo seine Politik in Betreff Spa¬
niens höchlich mißfallen, und wol auch in der That der Ausfluß einer wirk¬
lichen Besorgniß über die gefährlichen Projecte der madrider Hofpartei. Außer¬
dem stieg bereits in der Ferne daS Gestirn deS russischen Einflusses auf, den
in Spanien sich festsetzen zu sehen dein französischen Herrscher keineswegs erwünscht
sein konnte. Jsabella hatte dem Schreiben ihres mächtigen Alliirten die an¬
scheinend beste Aufnahme angedeihen lassen. Es liegen jedoch Anzeichen vor,
daß diese Dazwischenkamst den Fall O'Donnels noch beschleunigte, indem sie
seinen Gegnern Anlaß gab, die verletzte Nationalwürde gegen ihn geltend zu
machen. Narvaez traf am 6. October in Madrid ein und wurde von der Kö¬
nigin, die noch zwei Tage vorher bei Gelegenheit großer Manöver der Be¬
satzung von Madrid, den Ministerpräsidenten mit Gunstbezeugungen überhäuft
^ hatte, mit kalter Freundlichkeit empfangen. Man glaubte ihn noch keineswegs
der Gewalt nahe und die skandalöse Scene, zu der ehr seine Leidenschaft im
Hause deS Generals Armero, gegen Quell y Reale, den Gemahl der Infan-
tin Josefa und Schwager des Königs fortriß, der, in seinen politischen Ueber¬
zeugungen ein entschiedener Progressist, den Herzog von Valencia in den con-
stituirenden Cortes rücksichtslos angegriffen hatte» schien seine Aussichten Nicht
zu bessern. Sechs Tage darauf war Narvaez an der Spitze eines rerirtionä-


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[0061] Kandidaten ihrer Partei für die Gewalt auf. Die Person deS Marschalls Narvaez, der mit O'Dommel einst enge verbunden, jetzt durch Unversöhnliche Rivalität von ihm getrennt war, schreckte diesen gleich einem Gespenst zur Fügsamkeit gegen alle Forderungen deS Hofes. Er suchte sich auf jede Weise von dem gefürchteten Nebenbuhler zu befreien. Er bot ihm die Gesandtschaft in Petersburg an - Rußland war im Begriff, die seit länger als 20 Jahren unterbrochenen Verbindungen mit Spanien wieder anzuknüpfen —, er bot ihm sogar die Gesandtschaft in Paris an, von der aus ein Mann wie Nar¬ vaez leicht eine gefährliche Patronage über das spanische EabiNet ausüben konnte. Der Herzog von Valencia lehnte jeden Posten unter O'Dommel ab, und forderte mit steigender Heftigkeit seine Pässe, um nach Spanien zurückzu¬ kehren. O'Dommel konnte endlich der Königin gegenüber diesem Verlangen sich nicht mehr widersetzen und gegen Ende September erhielt Serrano, der nach dem Staatsstreich Marschall und nach dem Rücktritt Olozagas Botschafter in Paris geworden war, die Pässe für Narvaez zugeschickt. Der Graf von Lucera sah mit minderer Besorgniß seiner Rückkehr entgegen, denn ein Ereigniß war eingetreten, daS ihn mit neuen Hoffnungen, sich zu behaupten, erfüllte. Der Kaiser der Franzosen hatte in einem langen, eigenhändigen Schreiben an die Königin dringend die Beibehaltung des Ministeriums O'Dommel befürwortet und vor weitem Rückschritten gewarnt. Es war dies von Seiten Napoleons til., der früher den Staatsstreich mit seinem ganzen diplomatischen Gewicht unter¬ stützt hätte, ein Zugeständniß an England, wo seine Politik in Betreff Spa¬ niens höchlich mißfallen, und wol auch in der That der Ausfluß einer wirk¬ lichen Besorgniß über die gefährlichen Projecte der madrider Hofpartei. Außer¬ dem stieg bereits in der Ferne daS Gestirn deS russischen Einflusses auf, den in Spanien sich festsetzen zu sehen dein französischen Herrscher keineswegs erwünscht sein konnte. Jsabella hatte dem Schreiben ihres mächtigen Alliirten die an¬ scheinend beste Aufnahme angedeihen lassen. Es liegen jedoch Anzeichen vor, daß diese Dazwischenkamst den Fall O'Donnels noch beschleunigte, indem sie seinen Gegnern Anlaß gab, die verletzte Nationalwürde gegen ihn geltend zu machen. Narvaez traf am 6. October in Madrid ein und wurde von der Kö¬ nigin, die noch zwei Tage vorher bei Gelegenheit großer Manöver der Be¬ satzung von Madrid, den Ministerpräsidenten mit Gunstbezeugungen überhäuft ^ hatte, mit kalter Freundlichkeit empfangen. Man glaubte ihn noch keineswegs der Gewalt nahe und die skandalöse Scene, zu der ehr seine Leidenschaft im Hause deS Generals Armero, gegen Quell y Reale, den Gemahl der Infan- tin Josefa und Schwager des Königs fortriß, der, in seinen politischen Ueber¬ zeugungen ein entschiedener Progressist, den Herzog von Valencia in den con- stituirenden Cortes rücksichtslos angegriffen hatte» schien seine Aussichten Nicht zu bessern. Sechs Tage darauf war Narvaez an der Spitze eines rerirtionä-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/61>, abgerufen am 22.12.2024.