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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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hagelte, Stand. Verschiedene Abgeordnete der Progressisten, vor allem Madoz,
bewiesen an der Spitze ihrer Bataillone die kälteste Todesverachtung. Als
aber der Tag sich neigte und Espartero immer noch acht in den Reihen seiner An¬
hänger erschien, bemächtigte sich der von ihrem Führer verlassenen Streiter
Erbitterung, Muthlosigkeit und Verzweiflung. Unordnung und Desertion
rissen unter ihnen ein. und endlich zerstreueten sie sich nach allen Richtungen,
den Namen desjenigen verwünschend, für den sie in den Kampf sich gestürzt
und dessen zaghafte Selbstsucht sie verlassen hatte. Der Sieg der Regierung
war bereits am indem Abends entschieden. Der Widerstand in den populären
Vierteln verlängerte sich bis zum Nachmittage des -IKten. unterhalten pures
einige demokratisch gesinnte Bataillone der Miliz, und fanatisirte Banden des
Pöbels, unter Führung Puchetas und eines demokratischen Journalisten Sisto
Canara. Unter denen, die mit dem Muth der Verzweifelung und ohne Aus¬
sicht auf Pardon fochten, und ihr Leben theuer verlaufend fielen, befand sich
auch der berüchtigte Stierkämpfer.

Aus die Straßenschlacht in Madrid folgte die noch längere, blutigere
und hartnäckigere Straßenschlacht in Barcelona. Die zahlreichen Fabrikarbeiter,
vereint mit dem größten Theil der Nationalmiliz, standen vom ->8ten bis zum
23ten Juli gegen die Truppen in Kampf. Doch die Energie der letztern und
ihres Generals warf auch hier die Anstrengungen der Insurgenten nieder.
Das entwaffnete Valencia blieb ruhig. Im Norden von Katalonien und
Aragonien erhoben sich verschiedene Städte und Districte und in Saragossa schien
sich im Mittelpunkt des Widerstandes und unter Falcons Leitung eine Gegen¬
regierung bilden zu wollen. Aber waren auch die Pronunciamentos in den
übrigen Provinzen zahlreich, so waren sie doch sonst nirgend ernsthaft. In
Andalusien pronuncirten sich mehre Städte, worunter sogar Granada, Malaga
und Jaen, capitulirten aber ohne Kampf, sobald die Fehlschläge der Jnsurrection
in Madrid und Barcelona bekannt wurden. Gegen Saragossa schickte das
Ministerium bedeutende Streitkräfte unter Dulces Befehl. Derselbe gewährte
mit weiser Mäßigung den Aufständischen einen Waffenstillstand von fünf Tagen,
nach dessen Ablauf sie über ihre völlige Jsolirung und daS Verhalten Espar-
teros, in Betreff dessen die Bevölkerung der aragonischer Hauptstadt sich in
hartnäckigen Illusionen gewiegt hatte, sich nicht mehr täuschen konnten. Sie
unterwarfen sich nunmehr den milden Bedingungen, die Dulce ihnen stellte,
und am Iten August nahmen die Truppen Besitz von der Stadt. Falcon ent¬
wich nach Frankreich, wie schon vor ihm der General Ruiz, der im Norden
Cataloniens vergeblich den Aufstand zu organisiren versucht hatte.

O'Donnelö Sieg war vollendet und sein langgehegter Wunsch, an der
Spitze der Gewalt zu steheu, erfüllt. Die Partei, welche ihn bedroht, war zu
Boden geschlagen, und der Rival, dessen überschattender Name seiner über-


Grenzbvten. I. 18S7. , 7

hagelte, Stand. Verschiedene Abgeordnete der Progressisten, vor allem Madoz,
bewiesen an der Spitze ihrer Bataillone die kälteste Todesverachtung. Als
aber der Tag sich neigte und Espartero immer noch acht in den Reihen seiner An¬
hänger erschien, bemächtigte sich der von ihrem Führer verlassenen Streiter
Erbitterung, Muthlosigkeit und Verzweiflung. Unordnung und Desertion
rissen unter ihnen ein. und endlich zerstreueten sie sich nach allen Richtungen,
den Namen desjenigen verwünschend, für den sie in den Kampf sich gestürzt
und dessen zaghafte Selbstsucht sie verlassen hatte. Der Sieg der Regierung
war bereits am indem Abends entschieden. Der Widerstand in den populären
Vierteln verlängerte sich bis zum Nachmittage des -IKten. unterhalten pures
einige demokratisch gesinnte Bataillone der Miliz, und fanatisirte Banden des
Pöbels, unter Führung Puchetas und eines demokratischen Journalisten Sisto
Canara. Unter denen, die mit dem Muth der Verzweifelung und ohne Aus¬
sicht auf Pardon fochten, und ihr Leben theuer verlaufend fielen, befand sich
auch der berüchtigte Stierkämpfer.

Aus die Straßenschlacht in Madrid folgte die noch längere, blutigere
und hartnäckigere Straßenschlacht in Barcelona. Die zahlreichen Fabrikarbeiter,
vereint mit dem größten Theil der Nationalmiliz, standen vom ->8ten bis zum
23ten Juli gegen die Truppen in Kampf. Doch die Energie der letztern und
ihres Generals warf auch hier die Anstrengungen der Insurgenten nieder.
Das entwaffnete Valencia blieb ruhig. Im Norden von Katalonien und
Aragonien erhoben sich verschiedene Städte und Districte und in Saragossa schien
sich im Mittelpunkt des Widerstandes und unter Falcons Leitung eine Gegen¬
regierung bilden zu wollen. Aber waren auch die Pronunciamentos in den
übrigen Provinzen zahlreich, so waren sie doch sonst nirgend ernsthaft. In
Andalusien pronuncirten sich mehre Städte, worunter sogar Granada, Malaga
und Jaen, capitulirten aber ohne Kampf, sobald die Fehlschläge der Jnsurrection
in Madrid und Barcelona bekannt wurden. Gegen Saragossa schickte das
Ministerium bedeutende Streitkräfte unter Dulces Befehl. Derselbe gewährte
mit weiser Mäßigung den Aufständischen einen Waffenstillstand von fünf Tagen,
nach dessen Ablauf sie über ihre völlige Jsolirung und daS Verhalten Espar-
teros, in Betreff dessen die Bevölkerung der aragonischer Hauptstadt sich in
hartnäckigen Illusionen gewiegt hatte, sich nicht mehr täuschen konnten. Sie
unterwarfen sich nunmehr den milden Bedingungen, die Dulce ihnen stellte,
und am Iten August nahmen die Truppen Besitz von der Stadt. Falcon ent¬
wich nach Frankreich, wie schon vor ihm der General Ruiz, der im Norden
Cataloniens vergeblich den Aufstand zu organisiren versucht hatte.

O'Donnelö Sieg war vollendet und sein langgehegter Wunsch, an der
Spitze der Gewalt zu steheu, erfüllt. Die Partei, welche ihn bedroht, war zu
Boden geschlagen, und der Rival, dessen überschattender Name seiner über-


Grenzbvten. I. 18S7. , 7
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[0057] hagelte, Stand. Verschiedene Abgeordnete der Progressisten, vor allem Madoz, bewiesen an der Spitze ihrer Bataillone die kälteste Todesverachtung. Als aber der Tag sich neigte und Espartero immer noch acht in den Reihen seiner An¬ hänger erschien, bemächtigte sich der von ihrem Führer verlassenen Streiter Erbitterung, Muthlosigkeit und Verzweiflung. Unordnung und Desertion rissen unter ihnen ein. und endlich zerstreueten sie sich nach allen Richtungen, den Namen desjenigen verwünschend, für den sie in den Kampf sich gestürzt und dessen zaghafte Selbstsucht sie verlassen hatte. Der Sieg der Regierung war bereits am indem Abends entschieden. Der Widerstand in den populären Vierteln verlängerte sich bis zum Nachmittage des -IKten. unterhalten pures einige demokratisch gesinnte Bataillone der Miliz, und fanatisirte Banden des Pöbels, unter Führung Puchetas und eines demokratischen Journalisten Sisto Canara. Unter denen, die mit dem Muth der Verzweifelung und ohne Aus¬ sicht auf Pardon fochten, und ihr Leben theuer verlaufend fielen, befand sich auch der berüchtigte Stierkämpfer. Aus die Straßenschlacht in Madrid folgte die noch längere, blutigere und hartnäckigere Straßenschlacht in Barcelona. Die zahlreichen Fabrikarbeiter, vereint mit dem größten Theil der Nationalmiliz, standen vom ->8ten bis zum 23ten Juli gegen die Truppen in Kampf. Doch die Energie der letztern und ihres Generals warf auch hier die Anstrengungen der Insurgenten nieder. Das entwaffnete Valencia blieb ruhig. Im Norden von Katalonien und Aragonien erhoben sich verschiedene Städte und Districte und in Saragossa schien sich im Mittelpunkt des Widerstandes und unter Falcons Leitung eine Gegen¬ regierung bilden zu wollen. Aber waren auch die Pronunciamentos in den übrigen Provinzen zahlreich, so waren sie doch sonst nirgend ernsthaft. In Andalusien pronuncirten sich mehre Städte, worunter sogar Granada, Malaga und Jaen, capitulirten aber ohne Kampf, sobald die Fehlschläge der Jnsurrection in Madrid und Barcelona bekannt wurden. Gegen Saragossa schickte das Ministerium bedeutende Streitkräfte unter Dulces Befehl. Derselbe gewährte mit weiser Mäßigung den Aufständischen einen Waffenstillstand von fünf Tagen, nach dessen Ablauf sie über ihre völlige Jsolirung und daS Verhalten Espar- teros, in Betreff dessen die Bevölkerung der aragonischer Hauptstadt sich in hartnäckigen Illusionen gewiegt hatte, sich nicht mehr täuschen konnten. Sie unterwarfen sich nunmehr den milden Bedingungen, die Dulce ihnen stellte, und am Iten August nahmen die Truppen Besitz von der Stadt. Falcon ent¬ wich nach Frankreich, wie schon vor ihm der General Ruiz, der im Norden Cataloniens vergeblich den Aufstand zu organisiren versucht hatte. O'Donnelö Sieg war vollendet und sein langgehegter Wunsch, an der Spitze der Gewalt zu steheu, erfüllt. Die Partei, welche ihn bedroht, war zu Boden geschlagen, und der Rival, dessen überschattender Name seiner über- Grenzbvten. I. 18S7. , 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/57>, abgerufen am 23.07.2024.