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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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legenen Persönlichkeit die Wage gehalten, tief genug gefallen, um selbst das
Mitleid eines großmüthigen Gegners zu erregen. Und jetzt, unmittelbar nachdem
der glänzendste Erfolg das kühne Wagniß gekrönt, eröffnete sich ein Schau¬
spiel seltsamer Art, peinlichen Eindrucks, aber reich an bedeutungsvollen Leh¬
ren. Der Mann, der innerhalb zwei Jahren zweimal die Geschicke Spaniens
entschieden, der den Absolutismus gestürzt, der reißenden Strömung einer
Volksbewegung widerstanden und mit besonnener Energie die Mittel vorberei¬
tet hatte, die Revolution, die er hervorgerufen, mitten in ihrem Lauf zu hem¬
men und zu besiegen, der noch soeben in seinen Händen das Loos der Mon¬
archie zu tragen schien, wird machtlos, in dem Augenblicke, da er auf den
Gipfel der Macht steigt, und, nachdem er die furchtbarsten Feinde bezwungen,
wehrlos gegen die verächtlichen Ränke höftscher Cabale. Die moderirte Emigration
hatte sehnsüchtig in Paris des Ausbruchs der Krise geharrt, die sie durch ihre un¬
unterbrochenen Verbindungen mit dem madrider Hofe herbeizuführen geholfen.
Die Nachricht von dem Siege in Madrid erfüllte sie mit ungemessenen Hoff¬
nungen, und ehe noch der Aufstand in den Nordprovinzen gestillt war, erschien
bereits Narvaez in Bayonne und bot der Königin seinen Degen gegen die
Empörer an. Noch war indeß seine Zeit nicht gekommen und von Jsabella
und dem Ministerpräsidenten höflich bedankt kehrte der Herzog von Valencia
nach Paris zurück. Aber kaum war die Niederlage der Jnsurrection in den
Provinzen entschieden, als auch O'Dommel sich schon von den Anforderungen
der reaktionären Camarilla bedrängt sah! Man verlangte von ihm nichts we¬
niger, als alles, was aus der Julibewcgung entstanden, rückgängig zu machen,
auch mit den gemäßigten Progressiven entschieden zu brechen, und das System
wieder herzustellen, das die Moderados nach ihrem Siege über Espartero
begründet und die Hospartei später zu Gunsten ihrer absolutistischen Projecte,
compromittirt und in ihren Sturz verwickelt hatte. Hiermit verleugnete O'Dommel
das Programm von Manzanares, das den Progressisten die Hand bot, ver¬
leugnete seine gan^e ministerielle Thätigkeit in den letzten zwei Jahren, raubte
sich jede Stütze nach links hin und chüele denen den Weg, die ihm unver¬
söhnlichen Groll nachtrugen. Der König war der Hauptbeförderer dieser Rich¬
tung und bot im Verein mit den geistlichen Beiständen Jsabellas alles auf,
um ihr bei seiner Gemahlin Geltung zu verschaffen. Vergebens suchte O'Dommel
von dieser Seite bedroht, nach Beistand unter den Progressisten. Der größte
Theil dieser Partei wies jedes Entgegenkommen seinerseits mit stolzer Erbitte¬
rung zurück, beschuldigte ihn des schnödesten, überlegtesten Verraths und wei¬
dete sich an seiner Bedrängnis). Viele verharrten, ohne Feindseligkeit, in kaltem
Schweigen, andere warteten die ersten Schritte der Regierung, über deren
weiterer Politik noch immer Dunkel herrschte, ab, nur wenige boten ihr die
Hand. Unter diesen war Cirilo Alvarez, der in Stelle Luzuriagas, welcher


legenen Persönlichkeit die Wage gehalten, tief genug gefallen, um selbst das
Mitleid eines großmüthigen Gegners zu erregen. Und jetzt, unmittelbar nachdem
der glänzendste Erfolg das kühne Wagniß gekrönt, eröffnete sich ein Schau¬
spiel seltsamer Art, peinlichen Eindrucks, aber reich an bedeutungsvollen Leh¬
ren. Der Mann, der innerhalb zwei Jahren zweimal die Geschicke Spaniens
entschieden, der den Absolutismus gestürzt, der reißenden Strömung einer
Volksbewegung widerstanden und mit besonnener Energie die Mittel vorberei¬
tet hatte, die Revolution, die er hervorgerufen, mitten in ihrem Lauf zu hem¬
men und zu besiegen, der noch soeben in seinen Händen das Loos der Mon¬
archie zu tragen schien, wird machtlos, in dem Augenblicke, da er auf den
Gipfel der Macht steigt, und, nachdem er die furchtbarsten Feinde bezwungen,
wehrlos gegen die verächtlichen Ränke höftscher Cabale. Die moderirte Emigration
hatte sehnsüchtig in Paris des Ausbruchs der Krise geharrt, die sie durch ihre un¬
unterbrochenen Verbindungen mit dem madrider Hofe herbeizuführen geholfen.
Die Nachricht von dem Siege in Madrid erfüllte sie mit ungemessenen Hoff¬
nungen, und ehe noch der Aufstand in den Nordprovinzen gestillt war, erschien
bereits Narvaez in Bayonne und bot der Königin seinen Degen gegen die
Empörer an. Noch war indeß seine Zeit nicht gekommen und von Jsabella
und dem Ministerpräsidenten höflich bedankt kehrte der Herzog von Valencia
nach Paris zurück. Aber kaum war die Niederlage der Jnsurrection in den
Provinzen entschieden, als auch O'Dommel sich schon von den Anforderungen
der reaktionären Camarilla bedrängt sah! Man verlangte von ihm nichts we¬
niger, als alles, was aus der Julibewcgung entstanden, rückgängig zu machen,
auch mit den gemäßigten Progressiven entschieden zu brechen, und das System
wieder herzustellen, das die Moderados nach ihrem Siege über Espartero
begründet und die Hospartei später zu Gunsten ihrer absolutistischen Projecte,
compromittirt und in ihren Sturz verwickelt hatte. Hiermit verleugnete O'Dommel
das Programm von Manzanares, das den Progressisten die Hand bot, ver¬
leugnete seine gan^e ministerielle Thätigkeit in den letzten zwei Jahren, raubte
sich jede Stütze nach links hin und chüele denen den Weg, die ihm unver¬
söhnlichen Groll nachtrugen. Der König war der Hauptbeförderer dieser Rich¬
tung und bot im Verein mit den geistlichen Beiständen Jsabellas alles auf,
um ihr bei seiner Gemahlin Geltung zu verschaffen. Vergebens suchte O'Dommel
von dieser Seite bedroht, nach Beistand unter den Progressisten. Der größte
Theil dieser Partei wies jedes Entgegenkommen seinerseits mit stolzer Erbitte¬
rung zurück, beschuldigte ihn des schnödesten, überlegtesten Verraths und wei¬
dete sich an seiner Bedrängnis). Viele verharrten, ohne Feindseligkeit, in kaltem
Schweigen, andere warteten die ersten Schritte der Regierung, über deren
weiterer Politik noch immer Dunkel herrschte, ab, nur wenige boten ihr die
Hand. Unter diesen war Cirilo Alvarez, der in Stelle Luzuriagas, welcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/58>, abgerufen am 25.08.2024.