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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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lassen sich allda eine Büchse mit Arsenico zeigen, daraus sie etliche Stück¬
lein wählen und wickeln sie in Papier, und bitten den Apotheker, er wolle
ihnen dieselbigen, wenn sie darnach schicken, übersenden. Wenn sie hernach
ihre Waare genugsam gerühmt, daß nun nichts mehr übrig ist, als die Probe,
schicken sie einen aus den Umstehende", damit man sich ja keines Betrugs
zu befürchten habe, in die Apotheke, baß er allda um das Geld, so er ihm
darzählt , Arsenicum hole. Derselbige läuft hin, damit ja an einem solchen
nützlichen Werk kein Verhindern"!) sei, macht sich auch wol auf dem Wege
die Rechnung, ob er schon tausendmal betrogen worden, so könne er doch auf
dies Mal nicht betrogen werden, wollte sich derhalben gut vorsehen: kommt
unterdessen in die Apotheke, heischt Arsenicum für sein Geld, empfängt es und
läuft also mit Freuden und Wunder zu sehen, zu des Theriakßkrämers Tisch;
derselbige hat unterdessen seine Büchslein und Schachteln bei der Hand, unter
andern aber eine, darin er gemeldten rechten Arsenicum thut, redet und ruft
dem Volk noch eine Weile zu, ehe er es einnimmt, denn zu solcher Gefahr
muß man nicht zu sehr eilen; unterdessen verwechselt sich gemeldtes Büchslein
gegen ein anderes, darin auch so viel Stücklein Teigs von Zucker, Mehl, Saf¬
ran und deren Materien gemacht sind, daß sie den vorigen ähnlich sehen; welche
er alsdann mit sonderlichen Geberden, als wenn er sich sehr fürchtete, hinein¬
frißt, und stehen die Bauern mit aufgesperrten Mäulern, ob er nicht bald
zerbersten wollte, er aber bindet sich fest, daß solches nicht geschehe, ob er
schon weiß, daß eS keine Noth hat, nimmt darnach einer Kastanie groß seines
Theriaks oder Drecks ein und es legt sich alle Geschwulst, als wenn kein Gift
wäre vorhanden gewesen. "Das laßt euch lieben Herren, einen köstlichen Theriak
sein," daraus dann die Bauern den Riemen ziehen, danken Gott, daß sie einen
solchen theuern Mann und solche köstliche Waare um ein gering Geld in ihr
Dorf bekommen.

Wer wollte aber sich unterstehen, alle List Und Praktiken zu beschreiben,
damit sich die Landfahrer behelfen, Geld zu machen und zusammenzubringen?
Ich hätte meinestheils Sorge, ich würde nicht alles zum Ende bringen. Doch
will ich nicht Unterlassen, etliche Griffe zu erzählen. So sieht man auf einer
Ecke des Markes einen Fortunatum mit seiner Fributa auftreten und mit gro¬
ßem Geschrei oder Geplärr das Volk zwei oder drei Stunden aufhalten, bald
mit einer neuen Zeitung, bald mit einer Historie, bald mit einem Dialogo,
bald Mit einem lieblichen Gesang, bald hadert er mit seinem Knecht, bald Ver¬
söhnt er sich wieder mit ihm, bald lacht er, daß ihm die Augen überlaufen
und was dergleichen Narrenspossen mehr sein mögen, die er artig weiß an¬
zustellen, bis er sich bedünken läßt, er habe das Volk genugsam zusammen¬
gelockt und aufgehalten; alsdann bringt er seine Büchslein hervor und kommt
auf sein quamquam von den Hellem, die er gern hätte, und fängt an seine


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lassen sich allda eine Büchse mit Arsenico zeigen, daraus sie etliche Stück¬
lein wählen und wickeln sie in Papier, und bitten den Apotheker, er wolle
ihnen dieselbigen, wenn sie darnach schicken, übersenden. Wenn sie hernach
ihre Waare genugsam gerühmt, daß nun nichts mehr übrig ist, als die Probe,
schicken sie einen aus den Umstehende», damit man sich ja keines Betrugs
zu befürchten habe, in die Apotheke, baß er allda um das Geld, so er ihm
darzählt , Arsenicum hole. Derselbige läuft hin, damit ja an einem solchen
nützlichen Werk kein Verhindern«!) sei, macht sich auch wol auf dem Wege
die Rechnung, ob er schon tausendmal betrogen worden, so könne er doch auf
dies Mal nicht betrogen werden, wollte sich derhalben gut vorsehen: kommt
unterdessen in die Apotheke, heischt Arsenicum für sein Geld, empfängt es und
läuft also mit Freuden und Wunder zu sehen, zu des Theriakßkrämers Tisch;
derselbige hat unterdessen seine Büchslein und Schachteln bei der Hand, unter
andern aber eine, darin er gemeldten rechten Arsenicum thut, redet und ruft
dem Volk noch eine Weile zu, ehe er es einnimmt, denn zu solcher Gefahr
muß man nicht zu sehr eilen; unterdessen verwechselt sich gemeldtes Büchslein
gegen ein anderes, darin auch so viel Stücklein Teigs von Zucker, Mehl, Saf¬
ran und deren Materien gemacht sind, daß sie den vorigen ähnlich sehen; welche
er alsdann mit sonderlichen Geberden, als wenn er sich sehr fürchtete, hinein¬
frißt, und stehen die Bauern mit aufgesperrten Mäulern, ob er nicht bald
zerbersten wollte, er aber bindet sich fest, daß solches nicht geschehe, ob er
schon weiß, daß eS keine Noth hat, nimmt darnach einer Kastanie groß seines
Theriaks oder Drecks ein und es legt sich alle Geschwulst, als wenn kein Gift
wäre vorhanden gewesen. „Das laßt euch lieben Herren, einen köstlichen Theriak
sein," daraus dann die Bauern den Riemen ziehen, danken Gott, daß sie einen
solchen theuern Mann und solche köstliche Waare um ein gering Geld in ihr
Dorf bekommen.

Wer wollte aber sich unterstehen, alle List Und Praktiken zu beschreiben,
damit sich die Landfahrer behelfen, Geld zu machen und zusammenzubringen?
Ich hätte meinestheils Sorge, ich würde nicht alles zum Ende bringen. Doch
will ich nicht Unterlassen, etliche Griffe zu erzählen. So sieht man auf einer
Ecke des Markes einen Fortunatum mit seiner Fributa auftreten und mit gro¬
ßem Geschrei oder Geplärr das Volk zwei oder drei Stunden aufhalten, bald
mit einer neuen Zeitung, bald mit einer Historie, bald mit einem Dialogo,
bald Mit einem lieblichen Gesang, bald hadert er mit seinem Knecht, bald Ver¬
söhnt er sich wieder mit ihm, bald lacht er, daß ihm die Augen überlaufen
und was dergleichen Narrenspossen mehr sein mögen, die er artig weiß an¬
zustellen, bis er sich bedünken läßt, er habe das Volk genugsam zusammen¬
gelockt und aufgehalten; alsdann bringt er seine Büchslein hervor und kommt
auf sein quamquam von den Hellem, die er gern hätte, und fängt an seine


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[0523] lassen sich allda eine Büchse mit Arsenico zeigen, daraus sie etliche Stück¬ lein wählen und wickeln sie in Papier, und bitten den Apotheker, er wolle ihnen dieselbigen, wenn sie darnach schicken, übersenden. Wenn sie hernach ihre Waare genugsam gerühmt, daß nun nichts mehr übrig ist, als die Probe, schicken sie einen aus den Umstehende», damit man sich ja keines Betrugs zu befürchten habe, in die Apotheke, baß er allda um das Geld, so er ihm darzählt , Arsenicum hole. Derselbige läuft hin, damit ja an einem solchen nützlichen Werk kein Verhindern«!) sei, macht sich auch wol auf dem Wege die Rechnung, ob er schon tausendmal betrogen worden, so könne er doch auf dies Mal nicht betrogen werden, wollte sich derhalben gut vorsehen: kommt unterdessen in die Apotheke, heischt Arsenicum für sein Geld, empfängt es und läuft also mit Freuden und Wunder zu sehen, zu des Theriakßkrämers Tisch; derselbige hat unterdessen seine Büchslein und Schachteln bei der Hand, unter andern aber eine, darin er gemeldten rechten Arsenicum thut, redet und ruft dem Volk noch eine Weile zu, ehe er es einnimmt, denn zu solcher Gefahr muß man nicht zu sehr eilen; unterdessen verwechselt sich gemeldtes Büchslein gegen ein anderes, darin auch so viel Stücklein Teigs von Zucker, Mehl, Saf¬ ran und deren Materien gemacht sind, daß sie den vorigen ähnlich sehen; welche er alsdann mit sonderlichen Geberden, als wenn er sich sehr fürchtete, hinein¬ frißt, und stehen die Bauern mit aufgesperrten Mäulern, ob er nicht bald zerbersten wollte, er aber bindet sich fest, daß solches nicht geschehe, ob er schon weiß, daß eS keine Noth hat, nimmt darnach einer Kastanie groß seines Theriaks oder Drecks ein und es legt sich alle Geschwulst, als wenn kein Gift wäre vorhanden gewesen. „Das laßt euch lieben Herren, einen köstlichen Theriak sein," daraus dann die Bauern den Riemen ziehen, danken Gott, daß sie einen solchen theuern Mann und solche köstliche Waare um ein gering Geld in ihr Dorf bekommen. Wer wollte aber sich unterstehen, alle List Und Praktiken zu beschreiben, damit sich die Landfahrer behelfen, Geld zu machen und zusammenzubringen? Ich hätte meinestheils Sorge, ich würde nicht alles zum Ende bringen. Doch will ich nicht Unterlassen, etliche Griffe zu erzählen. So sieht man auf einer Ecke des Markes einen Fortunatum mit seiner Fributa auftreten und mit gro¬ ßem Geschrei oder Geplärr das Volk zwei oder drei Stunden aufhalten, bald mit einer neuen Zeitung, bald mit einer Historie, bald mit einem Dialogo, bald Mit einem lieblichen Gesang, bald hadert er mit seinem Knecht, bald Ver¬ söhnt er sich wieder mit ihm, bald lacht er, daß ihm die Augen überlaufen und was dergleichen Narrenspossen mehr sein mögen, die er artig weiß an¬ zustellen, bis er sich bedünken läßt, er habe das Volk genugsam zusammen¬ gelockt und aufgehalten; alsdann bringt er seine Büchslein hervor und kommt auf sein quamquam von den Hellem, die er gern hätte, und fängt an seine 65*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/523>, abgerufen am 22.12.2024.