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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Zuseher, als daß er etwas findet, das lachenswerth wäre. Da kommt ein
Magnificus, der nicht drei Heller werth ist; ein Zani, der zwar das Beste
thut, besteht aber wie eine Gans, die durch einen tiefen Dreck watet: ein
Gratianus, der die Worte herausdrückt, als wenn er aus dem heimlichen Ge¬
mach säße, eine unverschämte Ruffiana. Ein Bühler, dem man überdrüssig
wird länger zuzuhören; ein Spagnoll, der nichts Anderes weiß zu reden, als
sein mi vicZg, oder mi eorason; ein Pedant, der allerhand Sprachen ineinander
vermengt. Ein Buratinus, der keine andern Geberden weiß, als seinen Hut
oder Haube in der Hand umherzudrehen. Die vornehmste Person ist so be¬
schaffen, daß sie weder zu sieden noch zu braten taugt, also daß die Um¬
stehenden alle miteinander müde sich selbst müssen verlachen, daß sie solchen
nichtigen und stinkenden Falzen so lang haben zugehört. Und müssen die wol
müßige Leute, oder übergroße Narren sein, die sich zum andern Mal dahin
verleiten lassen, da doch ihre Untüchtigkeit in der ersten Cvmödia, so sie ge¬
halten, genugsam bekannt und beschrien worden, daß auch um ihretwillen
andern ehrlichen und tüchtigen Leuten desto weniger vertraut wird.

Es gehen heutiges Tages viel andere wirkliche Schauspiele fast auf allen
Märkten, Plätzen und Messen im Schwang, nämlich die Schauspiele der Cere-
taner, Theriakskrämer und anderer dergleichen Gesellen. Sie werden aber in
Italie, Ceretani genannt, dieweil sie vermeintlich in einem Flecken in Andria
nicht weit von Spoleto, Cerelo genannt, ihren Ursprung und Anfang
haben, und hernach allgemach in solchen Credit und Ansehn kommen, daß,
wenn sie sich hören lassen, sie einen größern Zulauf bekommen, als der beste
Doctor in freien Künsten, ja der beste Prediger, der jemals eine Kanzel be¬
treten hat. Sintemal das gemeine Volk denselbigen haufenweise zuläuft,
sperret Maul und Nase aus, hört ihnen einen ganzen Tag zu, vergißt aller
anderen Sorgen , und Gott weiß , auch erfährt es mancher Bauer, wie unter¬
dessen in solchem Gedränge der Beutel verwahrt wird.

Wenn man derhalben sieht, daß diese Betrüger aus ihrer Bank ein ganzes
Stück Arsenicum, Sublimat oder anderes Gift einnehmen, damit sie die Güte
ihres Theriaks wollen Probiren, so soll man wissen, daß sie in Sommerszeiten
zuvor, und ehe sie auf den Platz kommen, den Bauch voller jungen Lattich
mit Essig und vielem Oel bereitet, daß sie fast darin schwimmen, gefüllt haben.
Im Winter aber fressen sie sich voll feister Ochsensülzen, welche wohl gesotten sind.
Solches aber thun sie zu dem Ende, daß durch solche Feiste beides der Sulzen
und des Lattichs neben ihrer natürlichen Kälte die innerlichen Gänge im Leibe
verstopft und die Schärfe oder Hitze des Gifts geschwächt werde. Wiewol sie
eS auch sonst auf eine sichere Weise können anstellen, nämlich daß sie, ehe
sie auf den Platz treten, in die nächste Apotheke gehen, wie dieselbigen ge¬
meiniglich in den Städten auf dem Markt, oder ja nicht weit davon sind,


Zuseher, als daß er etwas findet, das lachenswerth wäre. Da kommt ein
Magnificus, der nicht drei Heller werth ist; ein Zani, der zwar das Beste
thut, besteht aber wie eine Gans, die durch einen tiefen Dreck watet: ein
Gratianus, der die Worte herausdrückt, als wenn er aus dem heimlichen Ge¬
mach säße, eine unverschämte Ruffiana. Ein Bühler, dem man überdrüssig
wird länger zuzuhören; ein Spagnoll, der nichts Anderes weiß zu reden, als
sein mi vicZg, oder mi eorason; ein Pedant, der allerhand Sprachen ineinander
vermengt. Ein Buratinus, der keine andern Geberden weiß, als seinen Hut
oder Haube in der Hand umherzudrehen. Die vornehmste Person ist so be¬
schaffen, daß sie weder zu sieden noch zu braten taugt, also daß die Um¬
stehenden alle miteinander müde sich selbst müssen verlachen, daß sie solchen
nichtigen und stinkenden Falzen so lang haben zugehört. Und müssen die wol
müßige Leute, oder übergroße Narren sein, die sich zum andern Mal dahin
verleiten lassen, da doch ihre Untüchtigkeit in der ersten Cvmödia, so sie ge¬
halten, genugsam bekannt und beschrien worden, daß auch um ihretwillen
andern ehrlichen und tüchtigen Leuten desto weniger vertraut wird.

Es gehen heutiges Tages viel andere wirkliche Schauspiele fast auf allen
Märkten, Plätzen und Messen im Schwang, nämlich die Schauspiele der Cere-
taner, Theriakskrämer und anderer dergleichen Gesellen. Sie werden aber in
Italie, Ceretani genannt, dieweil sie vermeintlich in einem Flecken in Andria
nicht weit von Spoleto, Cerelo genannt, ihren Ursprung und Anfang
haben, und hernach allgemach in solchen Credit und Ansehn kommen, daß,
wenn sie sich hören lassen, sie einen größern Zulauf bekommen, als der beste
Doctor in freien Künsten, ja der beste Prediger, der jemals eine Kanzel be¬
treten hat. Sintemal das gemeine Volk denselbigen haufenweise zuläuft,
sperret Maul und Nase aus, hört ihnen einen ganzen Tag zu, vergißt aller
anderen Sorgen , und Gott weiß , auch erfährt es mancher Bauer, wie unter¬
dessen in solchem Gedränge der Beutel verwahrt wird.

Wenn man derhalben sieht, daß diese Betrüger aus ihrer Bank ein ganzes
Stück Arsenicum, Sublimat oder anderes Gift einnehmen, damit sie die Güte
ihres Theriaks wollen Probiren, so soll man wissen, daß sie in Sommerszeiten
zuvor, und ehe sie auf den Platz kommen, den Bauch voller jungen Lattich
mit Essig und vielem Oel bereitet, daß sie fast darin schwimmen, gefüllt haben.
Im Winter aber fressen sie sich voll feister Ochsensülzen, welche wohl gesotten sind.
Solches aber thun sie zu dem Ende, daß durch solche Feiste beides der Sulzen
und des Lattichs neben ihrer natürlichen Kälte die innerlichen Gänge im Leibe
verstopft und die Schärfe oder Hitze des Gifts geschwächt werde. Wiewol sie
eS auch sonst auf eine sichere Weise können anstellen, nämlich daß sie, ehe
sie auf den Platz treten, in die nächste Apotheke gehen, wie dieselbigen ge¬
meiniglich in den Städten auf dem Markt, oder ja nicht weit davon sind,


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[0522] Zuseher, als daß er etwas findet, das lachenswerth wäre. Da kommt ein Magnificus, der nicht drei Heller werth ist; ein Zani, der zwar das Beste thut, besteht aber wie eine Gans, die durch einen tiefen Dreck watet: ein Gratianus, der die Worte herausdrückt, als wenn er aus dem heimlichen Ge¬ mach säße, eine unverschämte Ruffiana. Ein Bühler, dem man überdrüssig wird länger zuzuhören; ein Spagnoll, der nichts Anderes weiß zu reden, als sein mi vicZg, oder mi eorason; ein Pedant, der allerhand Sprachen ineinander vermengt. Ein Buratinus, der keine andern Geberden weiß, als seinen Hut oder Haube in der Hand umherzudrehen. Die vornehmste Person ist so be¬ schaffen, daß sie weder zu sieden noch zu braten taugt, also daß die Um¬ stehenden alle miteinander müde sich selbst müssen verlachen, daß sie solchen nichtigen und stinkenden Falzen so lang haben zugehört. Und müssen die wol müßige Leute, oder übergroße Narren sein, die sich zum andern Mal dahin verleiten lassen, da doch ihre Untüchtigkeit in der ersten Cvmödia, so sie ge¬ halten, genugsam bekannt und beschrien worden, daß auch um ihretwillen andern ehrlichen und tüchtigen Leuten desto weniger vertraut wird. Es gehen heutiges Tages viel andere wirkliche Schauspiele fast auf allen Märkten, Plätzen und Messen im Schwang, nämlich die Schauspiele der Cere- taner, Theriakskrämer und anderer dergleichen Gesellen. Sie werden aber in Italie, Ceretani genannt, dieweil sie vermeintlich in einem Flecken in Andria nicht weit von Spoleto, Cerelo genannt, ihren Ursprung und Anfang haben, und hernach allgemach in solchen Credit und Ansehn kommen, daß, wenn sie sich hören lassen, sie einen größern Zulauf bekommen, als der beste Doctor in freien Künsten, ja der beste Prediger, der jemals eine Kanzel be¬ treten hat. Sintemal das gemeine Volk denselbigen haufenweise zuläuft, sperret Maul und Nase aus, hört ihnen einen ganzen Tag zu, vergißt aller anderen Sorgen , und Gott weiß , auch erfährt es mancher Bauer, wie unter¬ dessen in solchem Gedränge der Beutel verwahrt wird. Wenn man derhalben sieht, daß diese Betrüger aus ihrer Bank ein ganzes Stück Arsenicum, Sublimat oder anderes Gift einnehmen, damit sie die Güte ihres Theriaks wollen Probiren, so soll man wissen, daß sie in Sommerszeiten zuvor, und ehe sie auf den Platz kommen, den Bauch voller jungen Lattich mit Essig und vielem Oel bereitet, daß sie fast darin schwimmen, gefüllt haben. Im Winter aber fressen sie sich voll feister Ochsensülzen, welche wohl gesotten sind. Solches aber thun sie zu dem Ende, daß durch solche Feiste beides der Sulzen und des Lattichs neben ihrer natürlichen Kälte die innerlichen Gänge im Leibe verstopft und die Schärfe oder Hitze des Gifts geschwächt werde. Wiewol sie eS auch sonst auf eine sichere Weise können anstellen, nämlich daß sie, ehe sie auf den Platz treten, in die nächste Apotheke gehen, wie dieselbigen ge¬ meiniglich in den Städten auf dem Markt, oder ja nicht weit davon sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/522>, abgerufen am 22.12.2024.