Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.Bande schlüpfen wohl heimlich durch Nebenpforten in daS geistliche Haus oder Nur einige dieser Thätigkeiten des fahrenden Volks verdienen beson¬ " Aber nicht nur unter die Helden des deutschen Epos schwärzten die fah¬ Bande schlüpfen wohl heimlich durch Nebenpforten in daS geistliche Haus oder Nur einige dieser Thätigkeiten des fahrenden Volks verdienen beson¬ " Aber nicht nur unter die Helden des deutschen Epos schwärzten die fah¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103651"/> <p xml:id="ID_1746" prev="#ID_1745"> Bande schlüpfen wohl heimlich durch Nebenpforten in daS geistliche Haus oder<lb/> in das Herrenschloß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1747"> Nur einige dieser Thätigkeiten des fahrenden Volks verdienen beson¬<lb/> dere Erwähnung. Der Einfluß, welchen die Spielleute auf Verbreitung<lb/> und Fortbildung der epischen und lyrischen Volksdichtung gehabt haben,<lb/> ist bereits erwähnt. Er ist noch jetzt deutlich aus den Heldengedichten in Volks¬<lb/> weise zu erkennen, denn oft suchen die Spielleute ihre Standesgenossen<lb/> selbst in die alte Dichtung hineinzudrängen und sorgen dafür, daß ihre poeti¬<lb/> schen Ideale keine schlechte Rolle spielen. So ist schon in den Nibelungen<lb/> die sonnige Gestalt des Helden Volker, des Geigers, eine SpielmannSfigur;<lb/> derber und roher renommiren ähnliche Figuren mit grotesken Anstrich in den<lb/> spätern Gedichten der populären Sagenkreise, z. B. der Mönch Jlsan im<lb/> Rosengarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1748" next="#ID_1749"> " Aber nicht nur unter die Helden des deutschen Epos schwärzten die fah¬<lb/> renden Leute verschönerte Abbilder ihres eignen Lebens ein, sie, die Verach¬<lb/> teten, vom Heiligsten der Kirche sast Ausgeschlossenen, wußten sich sogar im<lb/> Schiff und Chor der Kirche mit allem Uebermuth ihres Handwerks auszu¬<lb/> breiten. Denn sie krochen in die ersten streng kirchlichen Anfänge des deutschen<lb/> Dramas, in die heiligen Spiele von der Kreuzigung und Auferstehung des<lb/> Erlösers, grade beim höchsten Feste der Kirche durch eine Hinterthür ein.<lb/> Schon im ersten Mittelalter war bekanntlich der Geschichte von der Kreu¬<lb/> zigung und Auferstehung in dem Kirchenritual ein dramatischer Anstrich gewor¬<lb/> den: Wechselgesänge zwischen Christus und den Jüngern, Pilatus und den<lb/> Juden, von Geistlichen im Kirchenchor gesungen, die feierliche Niederlegung<lb/> eines großen Crucifixes in einem künstlichen Grabe oder der Krypte und darauf<lb/> am Ostermorgen feierliche Verkündigung der Wiederauferstehung, Lobgesänge<lb/> der ganzen Gemeinde und Palmenweihe. Früh fing man an die einzelnen<lb/> Rollen im dramatischen Gesänge stärker hervorzuheben, ihnen außer dem Gesänge<lb/> auch Reden in den Mund zu legen, die Hauptrollen durch angemessene Tracht<lb/> und einzelne Attribute zu unterscheiden. An andern Kirchfesten war mit den<lb/> Legenden der Heiligen Aehnliches geschehen und schon im zwölften Jahrhundert<lb/> finden sich als dramatische Aufführungen in den Kirchen ganze Stücke, in<lb/> Deutschland zunächst noch lateinisch und von Geistlichen ausgeführt. — Aber<lb/> im dreizehnten Jahrhundert dringt die deutsche Sprache in den Dialog der<lb/> Personen, sogleich werden die Stücke länger, die Zahl der Rollen vermehrt sich,<lb/> Laien fangen an mitzuspielen, die Sprache wird behaglich, zuweilen aus¬<lb/> gelassen und sticht wunderlich ab gegen einzelne dazwischen bewahrte lateini¬<lb/> sche Chorgesänge und Responsorien, welche nach und nach ebenfalls deutsch<lb/> werden. Jetzt zeigen sich unter den biblischen Personen der Spiele plötzlich<lb/> dieselben komischen Figuren, die derben Scherze und der Straßenwitz, welchen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Bande schlüpfen wohl heimlich durch Nebenpforten in daS geistliche Haus oder
in das Herrenschloß.
Nur einige dieser Thätigkeiten des fahrenden Volks verdienen beson¬
dere Erwähnung. Der Einfluß, welchen die Spielleute auf Verbreitung
und Fortbildung der epischen und lyrischen Volksdichtung gehabt haben,
ist bereits erwähnt. Er ist noch jetzt deutlich aus den Heldengedichten in Volks¬
weise zu erkennen, denn oft suchen die Spielleute ihre Standesgenossen
selbst in die alte Dichtung hineinzudrängen und sorgen dafür, daß ihre poeti¬
schen Ideale keine schlechte Rolle spielen. So ist schon in den Nibelungen
die sonnige Gestalt des Helden Volker, des Geigers, eine SpielmannSfigur;
derber und roher renommiren ähnliche Figuren mit grotesken Anstrich in den
spätern Gedichten der populären Sagenkreise, z. B. der Mönch Jlsan im
Rosengarten.
" Aber nicht nur unter die Helden des deutschen Epos schwärzten die fah¬
renden Leute verschönerte Abbilder ihres eignen Lebens ein, sie, die Verach¬
teten, vom Heiligsten der Kirche sast Ausgeschlossenen, wußten sich sogar im
Schiff und Chor der Kirche mit allem Uebermuth ihres Handwerks auszu¬
breiten. Denn sie krochen in die ersten streng kirchlichen Anfänge des deutschen
Dramas, in die heiligen Spiele von der Kreuzigung und Auferstehung des
Erlösers, grade beim höchsten Feste der Kirche durch eine Hinterthür ein.
Schon im ersten Mittelalter war bekanntlich der Geschichte von der Kreu¬
zigung und Auferstehung in dem Kirchenritual ein dramatischer Anstrich gewor¬
den: Wechselgesänge zwischen Christus und den Jüngern, Pilatus und den
Juden, von Geistlichen im Kirchenchor gesungen, die feierliche Niederlegung
eines großen Crucifixes in einem künstlichen Grabe oder der Krypte und darauf
am Ostermorgen feierliche Verkündigung der Wiederauferstehung, Lobgesänge
der ganzen Gemeinde und Palmenweihe. Früh fing man an die einzelnen
Rollen im dramatischen Gesänge stärker hervorzuheben, ihnen außer dem Gesänge
auch Reden in den Mund zu legen, die Hauptrollen durch angemessene Tracht
und einzelne Attribute zu unterscheiden. An andern Kirchfesten war mit den
Legenden der Heiligen Aehnliches geschehen und schon im zwölften Jahrhundert
finden sich als dramatische Aufführungen in den Kirchen ganze Stücke, in
Deutschland zunächst noch lateinisch und von Geistlichen ausgeführt. — Aber
im dreizehnten Jahrhundert dringt die deutsche Sprache in den Dialog der
Personen, sogleich werden die Stücke länger, die Zahl der Rollen vermehrt sich,
Laien fangen an mitzuspielen, die Sprache wird behaglich, zuweilen aus¬
gelassen und sticht wunderlich ab gegen einzelne dazwischen bewahrte lateini¬
sche Chorgesänge und Responsorien, welche nach und nach ebenfalls deutsch
werden. Jetzt zeigen sich unter den biblischen Personen der Spiele plötzlich
dieselben komischen Figuren, die derben Scherze und der Straßenwitz, welchen
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