Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.die fahrenden Leute bis dahin draußen auf den Kirchhöfen vertreten hatten. Aber noch eine andre populäre Person führte das fahrende Volk in die In solch eifriger Industrie trieben sich die fahrenden Leute durch das Als durch die Kreuzzüge in das gesammte Leben der Deutschen ein krank¬ die fahrenden Leute bis dahin draußen auf den Kirchhöfen vertreten hatten. Aber noch eine andre populäre Person führte das fahrende Volk in die In solch eifriger Industrie trieben sich die fahrenden Leute durch das Als durch die Kreuzzüge in das gesammte Leben der Deutschen ein krank¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103652"/> <p xml:id="ID_1749" prev="#ID_1748"> die fahrenden Leute bis dahin draußen auf den Kirchhöfen vertreten hatten.<lb/> Am häufigsten tritt der Narr als Knecht eines Quacksalbers auf. Seit ältester<lb/> Zeit hatten die fahrenden Leute Geheimmittel, besonders solche, welche der Kirche<lb/> verdächtig waren, alten römischen Aberglauben, altdeutsche Beschwörungsformeln<lb/> und wol noch Anderes, was unsauberer und gefährlicher war, durch das Land<lb/> getragen. Bei den großen Kirchfesten und Messen fehlten auch die Buden der<lb/> Aerzte nicht, in denen Wundermittel feilgeboten und Wundercuren für die<lb/> gläubige Menge gemacht wurden. Diese Buden wandernder Doctoren sind<lb/> uralt, älter als Roms Blüte, sie finden sich schon auf griechischen Vasen¬<lb/> bildern und sind über Italien mit den grotesken Masken des Arztes selbst<lb/> und des possenhaften Servus, als ein anspruchsvoller Industriezweig des<lb/> fahrenden Volkes nach Deutschland gekommen. Diese Aerzte und Knechte<lb/> nun treten in den geistlichen Spielen als Intermezzi und weit ausgespon¬<lb/> nene Episoden der heiligen Handlung auf, Zoten und Prügeleien dürfen ihnen<lb/> natürlich nicht fehlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1750"> Aber noch eine andre populäre Person führte das fahrende Volk in die<lb/> Kirchenspiele ein, und diese Rolle, wahrscheinlich der Fahrenden erstes Debüt in<lb/> der Kirche — war der Teufel/ Aus dem alten Costüm des bösen Waldgeistes<lb/> Satyr und den Riesen und Thiermasken der Donarsage entwickelte sich die<lb/> Maske und der dramatische Charakter deS deutschen Teufels. Lange schon hatte<lb/> dieser höllische Geist draußen auf dem Kirchhofe unter den Zelten Feuer ge¬<lb/> spien und mit dem Schwänze gewedelt und wahrscheinlich war er schon oft<lb/> von einem klugen Spielmann oder gar einem Heiligen zum Entzücken der<lb/> Zuschauer geprellt und durchgeprügelt worden, ehe es ihm um das -13. Jahr¬<lb/> hundert gelang, als viel duldender Mitspieler beim heiligen Osterdrama zur<lb/> Erbauung der frommen Gemeinde beizutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1751"> In solch eifriger Industrie trieben sich die fahrenden Leute durch das<lb/> Mittelalter ^bis in das 15. Jahrhundert, jedem Stande, jeder Zeitrichtung<lb/> dienend, von rauher Sitte als privilegirte Lustigmacher gepflegt und gemi߬<lb/> handelt, sie selbst untereinander wahrscheinlich in feste Genossenschaften vereinigt<lb/> mit geheimen Erkennungszeichen, Bräuchen uno Formeln, von denen sich<lb/> nichts erhalten hat; auch durch die äußere Tracht erkennbar, häusig am phan¬<lb/> tastischen Aufputz und daran, daß ihnen langes Haar und Bart, der Ehren¬<lb/> schmuck der Freien, zu tragen verwehrt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1752" next="#ID_1753"> Als durch die Kreuzzüge in das gesammte Leben der Deutschen ein krank¬<lb/> hafter Trieb nach Aufregung und Veränderung gekommen war, vermehrte sich<lb/> die Schar der fahrenden Leute durch neuen Zuwachs ins Ungeheure. Bettel¬<lb/> mönche und fahrende Priester gesellen sich zu ihnen, Scharen von Geißlern<lb/> entlaufene Nonnen und Beguinen ziehen wie sie schmarotzend durch das<lb/> Land; bald folgen auch Bacchanten und Schützen, die fahrenden Schüler. Ferner</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
die fahrenden Leute bis dahin draußen auf den Kirchhöfen vertreten hatten.
Am häufigsten tritt der Narr als Knecht eines Quacksalbers auf. Seit ältester
Zeit hatten die fahrenden Leute Geheimmittel, besonders solche, welche der Kirche
verdächtig waren, alten römischen Aberglauben, altdeutsche Beschwörungsformeln
und wol noch Anderes, was unsauberer und gefährlicher war, durch das Land
getragen. Bei den großen Kirchfesten und Messen fehlten auch die Buden der
Aerzte nicht, in denen Wundermittel feilgeboten und Wundercuren für die
gläubige Menge gemacht wurden. Diese Buden wandernder Doctoren sind
uralt, älter als Roms Blüte, sie finden sich schon auf griechischen Vasen¬
bildern und sind über Italien mit den grotesken Masken des Arztes selbst
und des possenhaften Servus, als ein anspruchsvoller Industriezweig des
fahrenden Volkes nach Deutschland gekommen. Diese Aerzte und Knechte
nun treten in den geistlichen Spielen als Intermezzi und weit ausgespon¬
nene Episoden der heiligen Handlung auf, Zoten und Prügeleien dürfen ihnen
natürlich nicht fehlen.
Aber noch eine andre populäre Person führte das fahrende Volk in die
Kirchenspiele ein, und diese Rolle, wahrscheinlich der Fahrenden erstes Debüt in
der Kirche — war der Teufel/ Aus dem alten Costüm des bösen Waldgeistes
Satyr und den Riesen und Thiermasken der Donarsage entwickelte sich die
Maske und der dramatische Charakter deS deutschen Teufels. Lange schon hatte
dieser höllische Geist draußen auf dem Kirchhofe unter den Zelten Feuer ge¬
spien und mit dem Schwänze gewedelt und wahrscheinlich war er schon oft
von einem klugen Spielmann oder gar einem Heiligen zum Entzücken der
Zuschauer geprellt und durchgeprügelt worden, ehe es ihm um das -13. Jahr¬
hundert gelang, als viel duldender Mitspieler beim heiligen Osterdrama zur
Erbauung der frommen Gemeinde beizutragen.
In solch eifriger Industrie trieben sich die fahrenden Leute durch das
Mittelalter ^bis in das 15. Jahrhundert, jedem Stande, jeder Zeitrichtung
dienend, von rauher Sitte als privilegirte Lustigmacher gepflegt und gemi߬
handelt, sie selbst untereinander wahrscheinlich in feste Genossenschaften vereinigt
mit geheimen Erkennungszeichen, Bräuchen uno Formeln, von denen sich
nichts erhalten hat; auch durch die äußere Tracht erkennbar, häusig am phan¬
tastischen Aufputz und daran, daß ihnen langes Haar und Bart, der Ehren¬
schmuck der Freien, zu tragen verwehrt wurde.
Als durch die Kreuzzüge in das gesammte Leben der Deutschen ein krank¬
hafter Trieb nach Aufregung und Veränderung gekommen war, vermehrte sich
die Schar der fahrenden Leute durch neuen Zuwachs ins Ungeheure. Bettel¬
mönche und fahrende Priester gesellen sich zu ihnen, Scharen von Geißlern
entlaufene Nonnen und Beguinen ziehen wie sie schmarotzend durch das
Land; bald folgen auch Bacchanten und Schützen, die fahrenden Schüler. Ferner
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |