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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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rone (gewöhnlich ein Landsmann des Fremden) im Interesse des Bankiers
und Antiquars, und früher "der später sieht sich der Umhergcführte in eine
Liebhaberei verwickelt, von der er selbst bisher keine Ahnung hatte, und die
zu seiner eigenen Verwunderung mit dem Ankauf von alten Vasen oder alter
Leinwand endigt -- curios, wie er selbst findet, aber in Italien wol einmal
zum guten Ton gehörig.

Man erzählt in Rom zwei Anekdoten, die hier noch zur Charakterisirung
des Treibens im Antikenhandel folgen mögen.

Ein bekannter Antiquar stand mit demjenigen rcnommirten Copisten Roms,
den man als Erfinder des Petschirens doppelter Leinwand bezeichnet, in enger
Verbindung. Der letztere hatte einen Pseudo-van-Dhk zum Verkaufe fertig.
Einer jener gefälligen Cicerone erhitzte die Phantasie des damals in Rom wei¬
lenden Lord D. in Betreff dieses Bildes bis zu einem solchen Grade, daß ihn
der Cicerone für fähig und vorbereitet halten durfte, eine Thorheit zu begehen
-- d. h. das unechte Bild theuer zu kaufen. Dem Besitzer des van Dyk ward
der Besuch seiner Herrlichkeit gemeldet, und sofort verabredete der erstere mit
dem ihm befreundeten Antiquar einen Schlachtplan. Als Lord D. Tags da¬
rauf erschien, fand er den Copisten mit dem Porträtircn des Antiquars be¬
schäftigt. Dieser, ein stattlicher Mann, durch einige Orden und Bänder dop¬
pelt stattlich gemacht, wird dem Lord flüchtig als Marchese Francavilla genannt.
Der Maler zeigt die größte Verlegenheit, wie es einrichten, daß dem angemel¬
deten Lord sein Recht gewahrt, dem "sitzenden" Marchese das seine nicht ver¬
kümmert werde. Der Marchese rollt indessen mit den Augen und gibt die
deutlichsten Kennzeichen umwölkter Gemüthsstimmung. Der Engländer nimmt
anscheinend keine Notiz davon; er hat sich anmelden lassen und ist nun die
Hauptperson im Atelier. Der Maler scheint der nämlichen Meinung zuzu¬
neigen. Nach vielen Entschuldigungen gegen den Marchese, holt er den un¬
vergleichlichen van Dyk hervor und,., nennt dem Engländer seine Forderung.
Dieser läßt sich Zeit. Endlich, nachdem der Marchese aus seinem Sessel immer
ungeduldiger hin und her fährt und auf dem Ehrung scheint, die ihm ange¬
thane Rücksichtslosigkeit thatsächlich zu rächen, entschließt der Lord sich, die
Hälfte des geforderten Preises zu bieten. Sofort ist der Marchese Villafranca
auf den Beinen. Er steht sich das Bild nur so viel an, um etwa auszudrücken:
das sollst o,, nicht haben, und wärest Du Lord Firebrand selbst! Nun über¬
bietet er des Engländers Gebot. Dieser müßte nicht in dem Lande der Wet¬
ten geboren sein, um bei einer solchen Herausforderung nicht Feuer zu fangen.
Er beginnt von diesem Augenblicke an Banknoten auf den Tisch zu legen, und
so lange der Marchese höher geht, legt er neue hinzu. Villafranca schäumt,
Lord D. bleibt kühl; der Italiener arbeitet jedes Gebot wie aus einem arte¬
sischen Brunnen aus die Oberfläche, erhitzt, zornglühend, ganz von seiner Lei-


S*

rone (gewöhnlich ein Landsmann des Fremden) im Interesse des Bankiers
und Antiquars, und früher »der später sieht sich der Umhergcführte in eine
Liebhaberei verwickelt, von der er selbst bisher keine Ahnung hatte, und die
zu seiner eigenen Verwunderung mit dem Ankauf von alten Vasen oder alter
Leinwand endigt — curios, wie er selbst findet, aber in Italien wol einmal
zum guten Ton gehörig.

Man erzählt in Rom zwei Anekdoten, die hier noch zur Charakterisirung
des Treibens im Antikenhandel folgen mögen.

Ein bekannter Antiquar stand mit demjenigen rcnommirten Copisten Roms,
den man als Erfinder des Petschirens doppelter Leinwand bezeichnet, in enger
Verbindung. Der letztere hatte einen Pseudo-van-Dhk zum Verkaufe fertig.
Einer jener gefälligen Cicerone erhitzte die Phantasie des damals in Rom wei¬
lenden Lord D. in Betreff dieses Bildes bis zu einem solchen Grade, daß ihn
der Cicerone für fähig und vorbereitet halten durfte, eine Thorheit zu begehen
— d. h. das unechte Bild theuer zu kaufen. Dem Besitzer des van Dyk ward
der Besuch seiner Herrlichkeit gemeldet, und sofort verabredete der erstere mit
dem ihm befreundeten Antiquar einen Schlachtplan. Als Lord D. Tags da¬
rauf erschien, fand er den Copisten mit dem Porträtircn des Antiquars be¬
schäftigt. Dieser, ein stattlicher Mann, durch einige Orden und Bänder dop¬
pelt stattlich gemacht, wird dem Lord flüchtig als Marchese Francavilla genannt.
Der Maler zeigt die größte Verlegenheit, wie es einrichten, daß dem angemel¬
deten Lord sein Recht gewahrt, dem „sitzenden" Marchese das seine nicht ver¬
kümmert werde. Der Marchese rollt indessen mit den Augen und gibt die
deutlichsten Kennzeichen umwölkter Gemüthsstimmung. Der Engländer nimmt
anscheinend keine Notiz davon; er hat sich anmelden lassen und ist nun die
Hauptperson im Atelier. Der Maler scheint der nämlichen Meinung zuzu¬
neigen. Nach vielen Entschuldigungen gegen den Marchese, holt er den un¬
vergleichlichen van Dyk hervor und,., nennt dem Engländer seine Forderung.
Dieser läßt sich Zeit. Endlich, nachdem der Marchese aus seinem Sessel immer
ungeduldiger hin und her fährt und auf dem Ehrung scheint, die ihm ange¬
thane Rücksichtslosigkeit thatsächlich zu rächen, entschließt der Lord sich, die
Hälfte des geforderten Preises zu bieten. Sofort ist der Marchese Villafranca
auf den Beinen. Er steht sich das Bild nur so viel an, um etwa auszudrücken:
das sollst o,, nicht haben, und wärest Du Lord Firebrand selbst! Nun über¬
bietet er des Engländers Gebot. Dieser müßte nicht in dem Lande der Wet¬
ten geboren sein, um bei einer solchen Herausforderung nicht Feuer zu fangen.
Er beginnt von diesem Augenblicke an Banknoten auf den Tisch zu legen, und
so lange der Marchese höher geht, legt er neue hinzu. Villafranca schäumt,
Lord D. bleibt kühl; der Italiener arbeitet jedes Gebot wie aus einem arte¬
sischen Brunnen aus die Oberfläche, erhitzt, zornglühend, ganz von seiner Lei-


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[0043] rone (gewöhnlich ein Landsmann des Fremden) im Interesse des Bankiers und Antiquars, und früher »der später sieht sich der Umhergcführte in eine Liebhaberei verwickelt, von der er selbst bisher keine Ahnung hatte, und die zu seiner eigenen Verwunderung mit dem Ankauf von alten Vasen oder alter Leinwand endigt — curios, wie er selbst findet, aber in Italien wol einmal zum guten Ton gehörig. Man erzählt in Rom zwei Anekdoten, die hier noch zur Charakterisirung des Treibens im Antikenhandel folgen mögen. Ein bekannter Antiquar stand mit demjenigen rcnommirten Copisten Roms, den man als Erfinder des Petschirens doppelter Leinwand bezeichnet, in enger Verbindung. Der letztere hatte einen Pseudo-van-Dhk zum Verkaufe fertig. Einer jener gefälligen Cicerone erhitzte die Phantasie des damals in Rom wei¬ lenden Lord D. in Betreff dieses Bildes bis zu einem solchen Grade, daß ihn der Cicerone für fähig und vorbereitet halten durfte, eine Thorheit zu begehen — d. h. das unechte Bild theuer zu kaufen. Dem Besitzer des van Dyk ward der Besuch seiner Herrlichkeit gemeldet, und sofort verabredete der erstere mit dem ihm befreundeten Antiquar einen Schlachtplan. Als Lord D. Tags da¬ rauf erschien, fand er den Copisten mit dem Porträtircn des Antiquars be¬ schäftigt. Dieser, ein stattlicher Mann, durch einige Orden und Bänder dop¬ pelt stattlich gemacht, wird dem Lord flüchtig als Marchese Francavilla genannt. Der Maler zeigt die größte Verlegenheit, wie es einrichten, daß dem angemel¬ deten Lord sein Recht gewahrt, dem „sitzenden" Marchese das seine nicht ver¬ kümmert werde. Der Marchese rollt indessen mit den Augen und gibt die deutlichsten Kennzeichen umwölkter Gemüthsstimmung. Der Engländer nimmt anscheinend keine Notiz davon; er hat sich anmelden lassen und ist nun die Hauptperson im Atelier. Der Maler scheint der nämlichen Meinung zuzu¬ neigen. Nach vielen Entschuldigungen gegen den Marchese, holt er den un¬ vergleichlichen van Dyk hervor und,., nennt dem Engländer seine Forderung. Dieser läßt sich Zeit. Endlich, nachdem der Marchese aus seinem Sessel immer ungeduldiger hin und her fährt und auf dem Ehrung scheint, die ihm ange¬ thane Rücksichtslosigkeit thatsächlich zu rächen, entschließt der Lord sich, die Hälfte des geforderten Preises zu bieten. Sofort ist der Marchese Villafranca auf den Beinen. Er steht sich das Bild nur so viel an, um etwa auszudrücken: das sollst o,, nicht haben, und wärest Du Lord Firebrand selbst! Nun über¬ bietet er des Engländers Gebot. Dieser müßte nicht in dem Lande der Wet¬ ten geboren sein, um bei einer solchen Herausforderung nicht Feuer zu fangen. Er beginnt von diesem Augenblicke an Banknoten auf den Tisch zu legen, und so lange der Marchese höher geht, legt er neue hinzu. Villafranca schäumt, Lord D. bleibt kühl; der Italiener arbeitet jedes Gebot wie aus einem arte¬ sischen Brunnen aus die Oberfläche, erhitzt, zornglühend, ganz von seiner Lei- S*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/43>, abgerufen am 22.07.2024.