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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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denschaft außer Fassung gebracht und längst nicht mehr bei dem Bilde, längst
in der Arena nationaler Antipathien. Der Brite zeigt den Gefrierpunkt angel¬
sächsischer Temperamentlosigkeit und wirst mit jeder Banknote eine Portion
hochkirchlicher Geringschätzung in die Wagschale, welche den Gegner vollstän¬
dig um seine Besinnung bringt. Als ein verstohlnes Zeichen des Malers den
Antiquar benachrichtigt, er möge das Seil nicht straffer spannen, greift der
Marchese in sprachloser Wuth nach seinem Hute und eilt mit dröhnenden
Schritten aus dem Zimmer.

Der Maler entschuldigt die Leidenschaftlichkeit des Verschwundenen mit
den klimatischen Einflüssen seiner Heimath. Lord D. läßt das Bild, ohne
ein Wort zu antworten, in seinen Wagen tragen und geht 'mit dem Gefühl
von bannen, daß er zwar dreimal mehr als den geforderten Preis zahlte,
daß er aber aus einem Wettkampf siegreich hervorging, und daß, wenn er auf
seinem Landsitz in Devonshire die Geschichte dieses Handels erzählen wird, das
Bild selbst bald zu den berühmtesten Trophäen ähnlicher Art gehören muß,
an denen die englischen Privatsammlungen so reich sind.

Wir gelangen zu der zweiten Anekdote.

Es ist abermals ein Engländer im Spiel, Lord P --fort; der Marchese
Villafranca hat sich seiner Orden begeben, trägt keine Perücke und gibt sich
einfach als das, was er ist: Antiquar. Sein Agent in Florenz hat ihm gemel¬
det , der Vetturin des Lord sei bereits nach Rom gemiethet. Aus den beabsichtigten
Einkäufen sei in Florenz nichts geworden, Lord P. habe indessen durch dritte
Hand den Wink erhalten, eine werthvolle Sendung alter Bilder sei von
Bologna nach Rom unterwegs und der Antiquar ihr Empfänger.

Diese fingirte Sendung zu verwirklichen, ist leicht. Der falschen und
echten Caracals, Albanis, Guidos, Guercinos, Domenichinos gibt es
auf dem Lager des Antiquars genug. Sie werden mit einer entsprechenden
Anzahl Spinnen und Spinngeweben in uralte Kisten gepackt, nach dem
Hofe eines Fuhrmanns jenseit der Tiber geschafft, auf einen Frachtwagen
geladen und daselbst für die kommenden Ereignisse in Bereitschaft gehalten.

Sobald Lord P. in der Via Bocca del Leone mit seinem Reisegefolge von
Köchen, Kammerdienern und sonstigen Unentbehrlichkeiten anlangt, macht sich
schon der Platzbediente des Hotel d'Angleterre auf den Weg nach dem Bil¬
derhändler. Die Kammerzofe der jungen Misses überbietet sich noch in vergeb¬
lichen Anstrengungen, ohne Verletzung des guten Anstands von dem hohen
Dien ersitz hinter dem Reisewagen auf römisches Pflaster herabzusteigen,
als der Antiquar schon alle Minen ladet, welche die Vor- und Umsicht des
dilettantischen Kenners in die Lust sprengen sollen.

Am selben Nachmittage noch müssen sie die Probe bestehen. Der Eng¬
länder ist kein Neuling in diesen Geschäften. Er hat in Paris den Amel-


denschaft außer Fassung gebracht und längst nicht mehr bei dem Bilde, längst
in der Arena nationaler Antipathien. Der Brite zeigt den Gefrierpunkt angel¬
sächsischer Temperamentlosigkeit und wirst mit jeder Banknote eine Portion
hochkirchlicher Geringschätzung in die Wagschale, welche den Gegner vollstän¬
dig um seine Besinnung bringt. Als ein verstohlnes Zeichen des Malers den
Antiquar benachrichtigt, er möge das Seil nicht straffer spannen, greift der
Marchese in sprachloser Wuth nach seinem Hute und eilt mit dröhnenden
Schritten aus dem Zimmer.

Der Maler entschuldigt die Leidenschaftlichkeit des Verschwundenen mit
den klimatischen Einflüssen seiner Heimath. Lord D. läßt das Bild, ohne
ein Wort zu antworten, in seinen Wagen tragen und geht 'mit dem Gefühl
von bannen, daß er zwar dreimal mehr als den geforderten Preis zahlte,
daß er aber aus einem Wettkampf siegreich hervorging, und daß, wenn er auf
seinem Landsitz in Devonshire die Geschichte dieses Handels erzählen wird, das
Bild selbst bald zu den berühmtesten Trophäen ähnlicher Art gehören muß,
an denen die englischen Privatsammlungen so reich sind.

Wir gelangen zu der zweiten Anekdote.

Es ist abermals ein Engländer im Spiel, Lord P —fort; der Marchese
Villafranca hat sich seiner Orden begeben, trägt keine Perücke und gibt sich
einfach als das, was er ist: Antiquar. Sein Agent in Florenz hat ihm gemel¬
det , der Vetturin des Lord sei bereits nach Rom gemiethet. Aus den beabsichtigten
Einkäufen sei in Florenz nichts geworden, Lord P. habe indessen durch dritte
Hand den Wink erhalten, eine werthvolle Sendung alter Bilder sei von
Bologna nach Rom unterwegs und der Antiquar ihr Empfänger.

Diese fingirte Sendung zu verwirklichen, ist leicht. Der falschen und
echten Caracals, Albanis, Guidos, Guercinos, Domenichinos gibt es
auf dem Lager des Antiquars genug. Sie werden mit einer entsprechenden
Anzahl Spinnen und Spinngeweben in uralte Kisten gepackt, nach dem
Hofe eines Fuhrmanns jenseit der Tiber geschafft, auf einen Frachtwagen
geladen und daselbst für die kommenden Ereignisse in Bereitschaft gehalten.

Sobald Lord P. in der Via Bocca del Leone mit seinem Reisegefolge von
Köchen, Kammerdienern und sonstigen Unentbehrlichkeiten anlangt, macht sich
schon der Platzbediente des Hotel d'Angleterre auf den Weg nach dem Bil¬
derhändler. Die Kammerzofe der jungen Misses überbietet sich noch in vergeb¬
lichen Anstrengungen, ohne Verletzung des guten Anstands von dem hohen
Dien ersitz hinter dem Reisewagen auf römisches Pflaster herabzusteigen,
als der Antiquar schon alle Minen ladet, welche die Vor- und Umsicht des
dilettantischen Kenners in die Lust sprengen sollen.

Am selben Nachmittage noch müssen sie die Probe bestehen. Der Eng¬
länder ist kein Neuling in diesen Geschäften. Er hat in Paris den Amel-


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[0044] denschaft außer Fassung gebracht und längst nicht mehr bei dem Bilde, längst in der Arena nationaler Antipathien. Der Brite zeigt den Gefrierpunkt angel¬ sächsischer Temperamentlosigkeit und wirst mit jeder Banknote eine Portion hochkirchlicher Geringschätzung in die Wagschale, welche den Gegner vollstän¬ dig um seine Besinnung bringt. Als ein verstohlnes Zeichen des Malers den Antiquar benachrichtigt, er möge das Seil nicht straffer spannen, greift der Marchese in sprachloser Wuth nach seinem Hute und eilt mit dröhnenden Schritten aus dem Zimmer. Der Maler entschuldigt die Leidenschaftlichkeit des Verschwundenen mit den klimatischen Einflüssen seiner Heimath. Lord D. läßt das Bild, ohne ein Wort zu antworten, in seinen Wagen tragen und geht 'mit dem Gefühl von bannen, daß er zwar dreimal mehr als den geforderten Preis zahlte, daß er aber aus einem Wettkampf siegreich hervorging, und daß, wenn er auf seinem Landsitz in Devonshire die Geschichte dieses Handels erzählen wird, das Bild selbst bald zu den berühmtesten Trophäen ähnlicher Art gehören muß, an denen die englischen Privatsammlungen so reich sind. Wir gelangen zu der zweiten Anekdote. Es ist abermals ein Engländer im Spiel, Lord P —fort; der Marchese Villafranca hat sich seiner Orden begeben, trägt keine Perücke und gibt sich einfach als das, was er ist: Antiquar. Sein Agent in Florenz hat ihm gemel¬ det , der Vetturin des Lord sei bereits nach Rom gemiethet. Aus den beabsichtigten Einkäufen sei in Florenz nichts geworden, Lord P. habe indessen durch dritte Hand den Wink erhalten, eine werthvolle Sendung alter Bilder sei von Bologna nach Rom unterwegs und der Antiquar ihr Empfänger. Diese fingirte Sendung zu verwirklichen, ist leicht. Der falschen und echten Caracals, Albanis, Guidos, Guercinos, Domenichinos gibt es auf dem Lager des Antiquars genug. Sie werden mit einer entsprechenden Anzahl Spinnen und Spinngeweben in uralte Kisten gepackt, nach dem Hofe eines Fuhrmanns jenseit der Tiber geschafft, auf einen Frachtwagen geladen und daselbst für die kommenden Ereignisse in Bereitschaft gehalten. Sobald Lord P. in der Via Bocca del Leone mit seinem Reisegefolge von Köchen, Kammerdienern und sonstigen Unentbehrlichkeiten anlangt, macht sich schon der Platzbediente des Hotel d'Angleterre auf den Weg nach dem Bil¬ derhändler. Die Kammerzofe der jungen Misses überbietet sich noch in vergeb¬ lichen Anstrengungen, ohne Verletzung des guten Anstands von dem hohen Dien ersitz hinter dem Reisewagen auf römisches Pflaster herabzusteigen, als der Antiquar schon alle Minen ladet, welche die Vor- und Umsicht des dilettantischen Kenners in die Lust sprengen sollen. Am selben Nachmittage noch müssen sie die Probe bestehen. Der Eng¬ länder ist kein Neuling in diesen Geschäften. Er hat in Paris den Amel-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/44>, abgerufen am 22.07.2024.