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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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zufügen, ein mehr oder minder ausgedehntes Gastmahl, eine Geldvertheilung
oder beides zugleich. Gewöhnlich richtete sich die Art der Geldvertheilung
nach den Rangclassen der Einwohnerschaft. Sehr häufig erhielten die Decu-
rionen je drei, die Augustalen je zwei, die Bürger je einen Denar*), in klei¬
nern Städten sogar nur die Hälften dieser bescheidenen Summen; mitunter
kamen jedoch auch viel höhere Spenden vor. Ausnahmsweise empfingen auch
die Frauen ein Geldgeschenk, welches dann bedeutend geringer zu sein pflegte,
als das der Männer. Eine noch größere Last als diese Geldspenden waren
begreiflicherweise die Mahlzeiten, zu denen die halbe oder ganze Stadt geladen
werden mußte. Deshalb wurde auch statt der Speisen mitunter Geld gegeben,
oder nichts als Brot und Wein gereicht und Geld statt des Uebrigen. Wer
sich freigebiger zeigen wollte, ließ statt dieser beiden einfachsten Nahrungsmittel
Gebackenes und Meth (d. h. ein Gemisch aus Wein und Honig) reichen.
Diese Bewirthung ist in Italien Jahrhunderte hindurch bei öffentlichen Fest¬
lichkeiten üblich gewesen, und aus ihrer Häufigkeit darf man schließen, daß sie
äußerst beliebt war. Eine in der kleinen Stadt Ferentino im Kirchenstaat
noch erhaltene Inschrift verkündet: Mitbürger! Gebäck und Meth wird bis
zur Mittagsstunde auf Verlangen veredelt! werden. Wer zu spät kommt, hat
sich nur über seine eigne Trägheit zu beklagen. -- Fanden aber diese Festessen
an Tafeln statt, die ohne Zweifel meistens im Freien aufgeschlagen wurden,
so fehlte eS natürlich nicht an substanziellern Gerichten. Bei einer solchen
Mahlzeit in einer Stadt des jetzigen neapolitanischen Gebiets wurden (laut
der erhaltenen Inschrift) außer Brot und Wein zwei Ochsen und fünfzehn
Schöpfe verzehrt, waS auf mehre hundert Gäste schließen läßt; in einer
andern wurde an 217 Tischen gespeist, was, den Tisch zu neun Personen ge¬
rechnet (dies war die gewöhnliche Zahl) 19S3 Gäste gibt. Zu diesen Festessen
wurden Frauen häufig ungeladen, zuweilen veranstalteten die Honoratioren-
sraucn Mahlzeiten für das schöne Geschlecht allein, die dann auch mit Geld¬
vertheilungen an alle Theilnehmerinnen verbunden waren. In einer Stadt
im Neapolitanischen gab einmal eine Dame, deren Söhne mit Statuen geehrt
worden waren, ihren Mitbürgerinnen eine Mahlzeit und jede Geladene erhielt
noch außerdem einen Denar. In einem kleinen Wallfahrtsort in der Nähe
von Rom bestand ein Damenverein, über dessen Einrichtung und Bestimmung
wir sonst nichts Näheres wissen. Ein Gönner der Stadt, der sich für die Er¬
richtung einer Reiterstatue bei dem Gemeinderath und den Augustalen mit
Geld abfand, gab diesem Dcimenverein "eine doppelte Mahlzeit". Auf dem
Grabdenkmal einer Dame aus Veji liest die staunende Nachwelt Folgendes:
"Sie hat den Müttern, Schwestern und Töchtern der Gemeinderäthe und den'



^) Ein Denar ist etwa ein Frank.
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zufügen, ein mehr oder minder ausgedehntes Gastmahl, eine Geldvertheilung
oder beides zugleich. Gewöhnlich richtete sich die Art der Geldvertheilung
nach den Rangclassen der Einwohnerschaft. Sehr häufig erhielten die Decu-
rionen je drei, die Augustalen je zwei, die Bürger je einen Denar*), in klei¬
nern Städten sogar nur die Hälften dieser bescheidenen Summen; mitunter
kamen jedoch auch viel höhere Spenden vor. Ausnahmsweise empfingen auch
die Frauen ein Geldgeschenk, welches dann bedeutend geringer zu sein pflegte,
als das der Männer. Eine noch größere Last als diese Geldspenden waren
begreiflicherweise die Mahlzeiten, zu denen die halbe oder ganze Stadt geladen
werden mußte. Deshalb wurde auch statt der Speisen mitunter Geld gegeben,
oder nichts als Brot und Wein gereicht und Geld statt des Uebrigen. Wer
sich freigebiger zeigen wollte, ließ statt dieser beiden einfachsten Nahrungsmittel
Gebackenes und Meth (d. h. ein Gemisch aus Wein und Honig) reichen.
Diese Bewirthung ist in Italien Jahrhunderte hindurch bei öffentlichen Fest¬
lichkeiten üblich gewesen, und aus ihrer Häufigkeit darf man schließen, daß sie
äußerst beliebt war. Eine in der kleinen Stadt Ferentino im Kirchenstaat
noch erhaltene Inschrift verkündet: Mitbürger! Gebäck und Meth wird bis
zur Mittagsstunde auf Verlangen veredelt! werden. Wer zu spät kommt, hat
sich nur über seine eigne Trägheit zu beklagen. — Fanden aber diese Festessen
an Tafeln statt, die ohne Zweifel meistens im Freien aufgeschlagen wurden,
so fehlte eS natürlich nicht an substanziellern Gerichten. Bei einer solchen
Mahlzeit in einer Stadt des jetzigen neapolitanischen Gebiets wurden (laut
der erhaltenen Inschrift) außer Brot und Wein zwei Ochsen und fünfzehn
Schöpfe verzehrt, waS auf mehre hundert Gäste schließen läßt; in einer
andern wurde an 217 Tischen gespeist, was, den Tisch zu neun Personen ge¬
rechnet (dies war die gewöhnliche Zahl) 19S3 Gäste gibt. Zu diesen Festessen
wurden Frauen häufig ungeladen, zuweilen veranstalteten die Honoratioren-
sraucn Mahlzeiten für das schöne Geschlecht allein, die dann auch mit Geld¬
vertheilungen an alle Theilnehmerinnen verbunden waren. In einer Stadt
im Neapolitanischen gab einmal eine Dame, deren Söhne mit Statuen geehrt
worden waren, ihren Mitbürgerinnen eine Mahlzeit und jede Geladene erhielt
noch außerdem einen Denar. In einem kleinen Wallfahrtsort in der Nähe
von Rom bestand ein Damenverein, über dessen Einrichtung und Bestimmung
wir sonst nichts Näheres wissen. Ein Gönner der Stadt, der sich für die Er¬
richtung einer Reiterstatue bei dem Gemeinderath und den Augustalen mit
Geld abfand, gab diesem Dcimenverein „eine doppelte Mahlzeit". Auf dem
Grabdenkmal einer Dame aus Veji liest die staunende Nachwelt Folgendes:
„Sie hat den Müttern, Schwestern und Töchtern der Gemeinderäthe und den'



^) Ein Denar ist etwa ein Frank.
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[0411] zufügen, ein mehr oder minder ausgedehntes Gastmahl, eine Geldvertheilung oder beides zugleich. Gewöhnlich richtete sich die Art der Geldvertheilung nach den Rangclassen der Einwohnerschaft. Sehr häufig erhielten die Decu- rionen je drei, die Augustalen je zwei, die Bürger je einen Denar*), in klei¬ nern Städten sogar nur die Hälften dieser bescheidenen Summen; mitunter kamen jedoch auch viel höhere Spenden vor. Ausnahmsweise empfingen auch die Frauen ein Geldgeschenk, welches dann bedeutend geringer zu sein pflegte, als das der Männer. Eine noch größere Last als diese Geldspenden waren begreiflicherweise die Mahlzeiten, zu denen die halbe oder ganze Stadt geladen werden mußte. Deshalb wurde auch statt der Speisen mitunter Geld gegeben, oder nichts als Brot und Wein gereicht und Geld statt des Uebrigen. Wer sich freigebiger zeigen wollte, ließ statt dieser beiden einfachsten Nahrungsmittel Gebackenes und Meth (d. h. ein Gemisch aus Wein und Honig) reichen. Diese Bewirthung ist in Italien Jahrhunderte hindurch bei öffentlichen Fest¬ lichkeiten üblich gewesen, und aus ihrer Häufigkeit darf man schließen, daß sie äußerst beliebt war. Eine in der kleinen Stadt Ferentino im Kirchenstaat noch erhaltene Inschrift verkündet: Mitbürger! Gebäck und Meth wird bis zur Mittagsstunde auf Verlangen veredelt! werden. Wer zu spät kommt, hat sich nur über seine eigne Trägheit zu beklagen. — Fanden aber diese Festessen an Tafeln statt, die ohne Zweifel meistens im Freien aufgeschlagen wurden, so fehlte eS natürlich nicht an substanziellern Gerichten. Bei einer solchen Mahlzeit in einer Stadt des jetzigen neapolitanischen Gebiets wurden (laut der erhaltenen Inschrift) außer Brot und Wein zwei Ochsen und fünfzehn Schöpfe verzehrt, waS auf mehre hundert Gäste schließen läßt; in einer andern wurde an 217 Tischen gespeist, was, den Tisch zu neun Personen ge¬ rechnet (dies war die gewöhnliche Zahl) 19S3 Gäste gibt. Zu diesen Festessen wurden Frauen häufig ungeladen, zuweilen veranstalteten die Honoratioren- sraucn Mahlzeiten für das schöne Geschlecht allein, die dann auch mit Geld¬ vertheilungen an alle Theilnehmerinnen verbunden waren. In einer Stadt im Neapolitanischen gab einmal eine Dame, deren Söhne mit Statuen geehrt worden waren, ihren Mitbürgerinnen eine Mahlzeit und jede Geladene erhielt noch außerdem einen Denar. In einem kleinen Wallfahrtsort in der Nähe von Rom bestand ein Damenverein, über dessen Einrichtung und Bestimmung wir sonst nichts Näheres wissen. Ein Gönner der Stadt, der sich für die Er¬ richtung einer Reiterstatue bei dem Gemeinderath und den Augustalen mit Geld abfand, gab diesem Dcimenverein „eine doppelte Mahlzeit". Auf dem Grabdenkmal einer Dame aus Veji liest die staunende Nachwelt Folgendes: „Sie hat den Müttern, Schwestern und Töchtern der Gemeinderäthe und den' ^) Ein Denar ist etwa ein Frank. 31 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/411>, abgerufen am 23.07.2024.