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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Frauen von jedem Stande ein Gastmahl gegeben, und an den Tagen, wo ihr
Mann öffentliche Schauspiele veranstaltete, ein Bad nebst unentgeltlichen Oel."
So streng wie in dieser Inschrift die gemeinderäthlichen Damen von den
Erdentöchtern niedern Ranges geschieden sind, waren sie es auch bei Tafel,
und ohne Zweifel hätte um alle Schätze der Welt keine von ihnen mit den
Augustalenfrauen an einem Tische gegessen. Die Benutzung eines Bades und
das zur Salbung unerläßliche Oel war übrigens ein sehr beliebtes und bei
feierlichen Gelegenheiten nicht selten "ertheiltes Geschenk. In Turin eristirt
ein Monument, laut welchem ein Bürger der Stadt bei der Errichtung zweier
Statuen, die ihm die Unteroffiziere einer von ihm im jüdischen Kriege unter
Vespasian kommandirten Schwadron der afrikanischen Cavalerie setzten, an die
Bürgerschaft beiderlei Geschlechts Oel vertheilen ließ. Agrippa, Augusts
Freund und Schwiegersohn, stellte während seiner durch ihre fürstliche Frei¬
gebigkeit berühmten Aedilität die sämmtlichen Bäder Roms Männern und
Frauen zur Benutzung frei, und ließ nicht blos Oel vertheilen -- sondern
bezahlte auch die Barbiere.

Aber auch an Geburtssesten und bei andern freudigen und festlichen Er¬
eignissen, die innerhalb der Honoratiorenfamilien stattfanden, erhielten die
Mitbürger ihren Antheil. Diese Sitte bestand nicht blos in Italien, sondern
vermuthlich in allen Städten des römischen Reichs, und zwar in einer solchen
Ausdehnung, daß sie den Regierungen Besorgnisse einflößen konnte. Der
jüngere Plinius schreibt als Statthalter einer Provinz in Kleinasien an den
Kaiser Trajan: in seiner Provinz sei die Sitte bei Anlegung der Männertoga,
(die Ceremonie, die den Eintritt des jungen Mannes in das bürgerliche Leben
bezeichnete), bei Hochzeiten, bei Antritt eines Amts oder bei Einweihung eines
öffentlichen Baues den ganzen Gemeinderath und auch aus der Bürgerschaft
eine nicht geringe Zahl einzuladen und jedem Einzelnen Geldgeschenke zu
geben, im Betrage von ein bis zwei Denar. Diese Einladungen umfaßten
manchmal tausend Personen, mitunter noch mehr^ Er fragt an, ob und wie
weit diese Festlichkeiten zu gestatten seien, und der Kaiser empfiehlt eine Be¬
schränkung.

Diese lange Abschweifung war nothwendig, um zu zeigen, welche gesell¬
schaftliche Stellung ein Trimalchio an seinem Wohnort einnahm, welche Aus¬
zeichnungen ihm durch seinen Stand verschlossen blieben, welche andere dagegen
sein Vermögen ihm verschaffen konnte. Gemeinderath werden oder gar eins
der obern Communalämter bekleiden konnte er nicht, er mußte sich begnügen
"Vorstand der Augustalen" hinter seinen Namen zu schreiben. Dagegen hatte
er reichliche Gelegenheit, mit seinem Gelde großzuthun. Entweder konnte er
seine Freigebigkeit in Unterstützung öffentlicher Bauten oder nützlicher Institute
oder in Veranstaltung eines großen Volksfestes zeigen, in beiden Fällen war


Frauen von jedem Stande ein Gastmahl gegeben, und an den Tagen, wo ihr
Mann öffentliche Schauspiele veranstaltete, ein Bad nebst unentgeltlichen Oel."
So streng wie in dieser Inschrift die gemeinderäthlichen Damen von den
Erdentöchtern niedern Ranges geschieden sind, waren sie es auch bei Tafel,
und ohne Zweifel hätte um alle Schätze der Welt keine von ihnen mit den
Augustalenfrauen an einem Tische gegessen. Die Benutzung eines Bades und
das zur Salbung unerläßliche Oel war übrigens ein sehr beliebtes und bei
feierlichen Gelegenheiten nicht selten «ertheiltes Geschenk. In Turin eristirt
ein Monument, laut welchem ein Bürger der Stadt bei der Errichtung zweier
Statuen, die ihm die Unteroffiziere einer von ihm im jüdischen Kriege unter
Vespasian kommandirten Schwadron der afrikanischen Cavalerie setzten, an die
Bürgerschaft beiderlei Geschlechts Oel vertheilen ließ. Agrippa, Augusts
Freund und Schwiegersohn, stellte während seiner durch ihre fürstliche Frei¬
gebigkeit berühmten Aedilität die sämmtlichen Bäder Roms Männern und
Frauen zur Benutzung frei, und ließ nicht blos Oel vertheilen — sondern
bezahlte auch die Barbiere.

Aber auch an Geburtssesten und bei andern freudigen und festlichen Er¬
eignissen, die innerhalb der Honoratiorenfamilien stattfanden, erhielten die
Mitbürger ihren Antheil. Diese Sitte bestand nicht blos in Italien, sondern
vermuthlich in allen Städten des römischen Reichs, und zwar in einer solchen
Ausdehnung, daß sie den Regierungen Besorgnisse einflößen konnte. Der
jüngere Plinius schreibt als Statthalter einer Provinz in Kleinasien an den
Kaiser Trajan: in seiner Provinz sei die Sitte bei Anlegung der Männertoga,
(die Ceremonie, die den Eintritt des jungen Mannes in das bürgerliche Leben
bezeichnete), bei Hochzeiten, bei Antritt eines Amts oder bei Einweihung eines
öffentlichen Baues den ganzen Gemeinderath und auch aus der Bürgerschaft
eine nicht geringe Zahl einzuladen und jedem Einzelnen Geldgeschenke zu
geben, im Betrage von ein bis zwei Denar. Diese Einladungen umfaßten
manchmal tausend Personen, mitunter noch mehr^ Er fragt an, ob und wie
weit diese Festlichkeiten zu gestatten seien, und der Kaiser empfiehlt eine Be¬
schränkung.

Diese lange Abschweifung war nothwendig, um zu zeigen, welche gesell¬
schaftliche Stellung ein Trimalchio an seinem Wohnort einnahm, welche Aus¬
zeichnungen ihm durch seinen Stand verschlossen blieben, welche andere dagegen
sein Vermögen ihm verschaffen konnte. Gemeinderath werden oder gar eins
der obern Communalämter bekleiden konnte er nicht, er mußte sich begnügen
„Vorstand der Augustalen" hinter seinen Namen zu schreiben. Dagegen hatte
er reichliche Gelegenheit, mit seinem Gelde großzuthun. Entweder konnte er
seine Freigebigkeit in Unterstützung öffentlicher Bauten oder nützlicher Institute
oder in Veranstaltung eines großen Volksfestes zeigen, in beiden Fällen war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/412>, abgerufen am 23.07.2024.