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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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hast, wirst du einen Groschen gelten; habe was, so wirst du für was gehalten.
So ist euer Freund, der nur ein Wurm war, ein großer Herr geworden."

Auf dieselbe Art wie Ehrentrimalchio haben damals Hunderte von Grie¬
chen und Asiaten, die jung als Sklaven in vornehme oder reiche Häuser ka¬
men, Freiheit und Reichthum erlangt. Verschmitzt, gelehrig, schmiegsam, un¬
terwürfig, waren sie auf tausend Arten zu brauchen, besonders da ihnen selten
etwas zu schmuzig oder zu ehrlos war; auf tausend Arten wußten sie sich beliebt
unentbehrlich, und gelang es ihnen, die Geheimnisse des Hauses zu erfahren^
auch gefürchtet zu machen, und wenn das Glück gut war, setzte der Herr sie
wol zu Miterben des Kaisers ein. Die Sitte den Kaiser im Testament zu
bedenken, die schon zu Anfang der Monarchie aufkam, ist beiläufig gesagt für
jene Zeit charakteristisch. Sie konnte nicht leicht von jemandem umgangen
werden, der durch Rang und Vermögen eine hervorragende Stellung einnahm.
Häufig retteten Verurtheilte' ihren Hinterbliebenen die eine Hälfte ihres Ver¬
mögens dadurch, daß sie die andre dem Kaiser oder einem seiner Günstlinge
vermachten, und Tacitus berichtet von jenem Petron, der möglicherweise der
Verfasser unsers Romans ist, als Beweis seiner unabhängigen Denkweise, daß er
verschmäht habe, Nerv und seinen CreatUren auf diese Weise zu schmeicheln.
Diese erzwungenen Legate waren für den Fiscus eine bedeutende Quelle des
Einkommens, für dessen Steigerung die terroristischen Regierungen ohne alle
Bedenklichkeit in der Wahl der Mittel zu sorgen wußten. Cnligula brachte es
dahin, daß Personen, die mit ihm in gar keiner Beziehung standen, ihn mit
ihren Kindern zusammen als Erben einsetzten; er erklärte jedoch mit dem Witze
der Verrücktheit, daß sie sich über ihn nur lustig machten, da sie noch fort¬
führen zu leben, Und sendete ihnen vergiftete Ragouts. Uebrigens wurden in
den schlimmsten Zeiten des römischen Kaiserthums solche Legate nicht nur als
pflichtschuldige Abgabe an den Fiscus, sondern auch als eine der Majestät
deS Monarchen gebührende Huldigung gefordert.. Tacitus Schwiegervater, der
treffliche Agricola, konnte nicht umhin, den verabscheuten DvMitian zum Mit-
erben der besten Gattin und der zärtlichsten Tochter zu machen, und Domitian
war äußerst erfreut darüber, da er vermuthlich gefürchtet hatte, Agricola würde
wagen ihn zu übergehen. So verblendet und verschroben, sagt Tacitus, war
sein Sinn durH unaufhörliche Schmeichelei, daß er nicht wußte, ein guter
Väter setze nur einen schlechten Fürsten zum Erben ein. -- Die bessern Kaiser,
und auch die schlechtesten wie Tiber und Claudius im Anfänge ihrer Regierung"
lehnten wenigstens solche Vermächtnisse ab, die ihnen mit Umgebung naher
Verwandten oder Leibeserben legirt wären.

Dciß Trimalchio sich in seinen kaufmännischen Geschäften von einem Astro¬
logen berathen läßt, darf Man nicht für einen Aberglauben ansehen, der etwa
nur seines Gleichen anhaftete, vielmehr theilte er ihn mit den gebildetsten


hast, wirst du einen Groschen gelten; habe was, so wirst du für was gehalten.
So ist euer Freund, der nur ein Wurm war, ein großer Herr geworden."

Auf dieselbe Art wie Ehrentrimalchio haben damals Hunderte von Grie¬
chen und Asiaten, die jung als Sklaven in vornehme oder reiche Häuser ka¬
men, Freiheit und Reichthum erlangt. Verschmitzt, gelehrig, schmiegsam, un¬
terwürfig, waren sie auf tausend Arten zu brauchen, besonders da ihnen selten
etwas zu schmuzig oder zu ehrlos war; auf tausend Arten wußten sie sich beliebt
unentbehrlich, und gelang es ihnen, die Geheimnisse des Hauses zu erfahren^
auch gefürchtet zu machen, und wenn das Glück gut war, setzte der Herr sie
wol zu Miterben des Kaisers ein. Die Sitte den Kaiser im Testament zu
bedenken, die schon zu Anfang der Monarchie aufkam, ist beiläufig gesagt für
jene Zeit charakteristisch. Sie konnte nicht leicht von jemandem umgangen
werden, der durch Rang und Vermögen eine hervorragende Stellung einnahm.
Häufig retteten Verurtheilte' ihren Hinterbliebenen die eine Hälfte ihres Ver¬
mögens dadurch, daß sie die andre dem Kaiser oder einem seiner Günstlinge
vermachten, und Tacitus berichtet von jenem Petron, der möglicherweise der
Verfasser unsers Romans ist, als Beweis seiner unabhängigen Denkweise, daß er
verschmäht habe, Nerv und seinen CreatUren auf diese Weise zu schmeicheln.
Diese erzwungenen Legate waren für den Fiscus eine bedeutende Quelle des
Einkommens, für dessen Steigerung die terroristischen Regierungen ohne alle
Bedenklichkeit in der Wahl der Mittel zu sorgen wußten. Cnligula brachte es
dahin, daß Personen, die mit ihm in gar keiner Beziehung standen, ihn mit
ihren Kindern zusammen als Erben einsetzten; er erklärte jedoch mit dem Witze
der Verrücktheit, daß sie sich über ihn nur lustig machten, da sie noch fort¬
führen zu leben, Und sendete ihnen vergiftete Ragouts. Uebrigens wurden in
den schlimmsten Zeiten des römischen Kaiserthums solche Legate nicht nur als
pflichtschuldige Abgabe an den Fiscus, sondern auch als eine der Majestät
deS Monarchen gebührende Huldigung gefordert.. Tacitus Schwiegervater, der
treffliche Agricola, konnte nicht umhin, den verabscheuten DvMitian zum Mit-
erben der besten Gattin und der zärtlichsten Tochter zu machen, und Domitian
war äußerst erfreut darüber, da er vermuthlich gefürchtet hatte, Agricola würde
wagen ihn zu übergehen. So verblendet und verschroben, sagt Tacitus, war
sein Sinn durH unaufhörliche Schmeichelei, daß er nicht wußte, ein guter
Väter setze nur einen schlechten Fürsten zum Erben ein. — Die bessern Kaiser,
und auch die schlechtesten wie Tiber und Claudius im Anfänge ihrer Regierung»
lehnten wenigstens solche Vermächtnisse ab, die ihnen mit Umgebung naher
Verwandten oder Leibeserben legirt wären.

Dciß Trimalchio sich in seinen kaufmännischen Geschäften von einem Astro¬
logen berathen läßt, darf Man nicht für einen Aberglauben ansehen, der etwa
nur seines Gleichen anhaftete, vielmehr theilte er ihn mit den gebildetsten


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[0398] hast, wirst du einen Groschen gelten; habe was, so wirst du für was gehalten. So ist euer Freund, der nur ein Wurm war, ein großer Herr geworden." Auf dieselbe Art wie Ehrentrimalchio haben damals Hunderte von Grie¬ chen und Asiaten, die jung als Sklaven in vornehme oder reiche Häuser ka¬ men, Freiheit und Reichthum erlangt. Verschmitzt, gelehrig, schmiegsam, un¬ terwürfig, waren sie auf tausend Arten zu brauchen, besonders da ihnen selten etwas zu schmuzig oder zu ehrlos war; auf tausend Arten wußten sie sich beliebt unentbehrlich, und gelang es ihnen, die Geheimnisse des Hauses zu erfahren^ auch gefürchtet zu machen, und wenn das Glück gut war, setzte der Herr sie wol zu Miterben des Kaisers ein. Die Sitte den Kaiser im Testament zu bedenken, die schon zu Anfang der Monarchie aufkam, ist beiläufig gesagt für jene Zeit charakteristisch. Sie konnte nicht leicht von jemandem umgangen werden, der durch Rang und Vermögen eine hervorragende Stellung einnahm. Häufig retteten Verurtheilte' ihren Hinterbliebenen die eine Hälfte ihres Ver¬ mögens dadurch, daß sie die andre dem Kaiser oder einem seiner Günstlinge vermachten, und Tacitus berichtet von jenem Petron, der möglicherweise der Verfasser unsers Romans ist, als Beweis seiner unabhängigen Denkweise, daß er verschmäht habe, Nerv und seinen CreatUren auf diese Weise zu schmeicheln. Diese erzwungenen Legate waren für den Fiscus eine bedeutende Quelle des Einkommens, für dessen Steigerung die terroristischen Regierungen ohne alle Bedenklichkeit in der Wahl der Mittel zu sorgen wußten. Cnligula brachte es dahin, daß Personen, die mit ihm in gar keiner Beziehung standen, ihn mit ihren Kindern zusammen als Erben einsetzten; er erklärte jedoch mit dem Witze der Verrücktheit, daß sie sich über ihn nur lustig machten, da sie noch fort¬ führen zu leben, Und sendete ihnen vergiftete Ragouts. Uebrigens wurden in den schlimmsten Zeiten des römischen Kaiserthums solche Legate nicht nur als pflichtschuldige Abgabe an den Fiscus, sondern auch als eine der Majestät deS Monarchen gebührende Huldigung gefordert.. Tacitus Schwiegervater, der treffliche Agricola, konnte nicht umhin, den verabscheuten DvMitian zum Mit- erben der besten Gattin und der zärtlichsten Tochter zu machen, und Domitian war äußerst erfreut darüber, da er vermuthlich gefürchtet hatte, Agricola würde wagen ihn zu übergehen. So verblendet und verschroben, sagt Tacitus, war sein Sinn durH unaufhörliche Schmeichelei, daß er nicht wußte, ein guter Väter setze nur einen schlechten Fürsten zum Erben ein. — Die bessern Kaiser, und auch die schlechtesten wie Tiber und Claudius im Anfänge ihrer Regierung» lehnten wenigstens solche Vermächtnisse ab, die ihnen mit Umgebung naher Verwandten oder Leibeserben legirt wären. Dciß Trimalchio sich in seinen kaufmännischen Geschäften von einem Astro¬ logen berathen läßt, darf Man nicht für einen Aberglauben ansehen, der etwa nur seines Gleichen anhaftete, vielmehr theilte er ihn mit den gebildetsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/398>, abgerufen am 22.12.2024.