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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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mit dem Kaiser zusammen zum Erben ein, und ich bekam ein gräfliches Erb¬
theil. Aber wie denn nun keiner niemals genug hat, so bekam ich Lust Ge¬
schäfte zu machen. Um es kurz zu machen, ich baute fünf Schiffe, lud Wein
(der war damals Gold werth) und ließ sie nach Rom abgehn. Als wenn ich
es so bestellt hätte, litten alle Schiffbruch. Ich erzähle euch kein Märchen,
sondern reine Wahrheit: an einem Tage schluckte der alte Neptun zwei Millio¬
nen. Ihr glaubt, das hätte mich auf den Sand gesetzt? Nein, wahrhaftig
nicht! ich kam durch den Verlust erst in Geschmack, es war mir als wäre
nichts geschehen, ich baute andre, größere, bessere und glücklichere. Ich lud
wieder Wein, Speck, Bohnen, Parfümeriewaaren, Sklaven. Dazumalen hat
sich meine Alte wie eine brave Frau betragen; sie verkaufte all ihren Schmuck
und ihre Kleider und steckte mir hundert Füchse in die Hand : das war der
Sauerteig für meine Groschen. Was die Götter wollen, das wird man schnell.
Bei einer Fahrt schlug ich mehr als eine halbe Million heraus. Nun kaufte
ich gleich alle Güter, die meinem Herrn gehört hatten, ich baute mir ein Wohn¬
haus, kaufte Zugvieh, was ich anrührte, wuchs wie ein Hefenkuchen. Als ich
mehr hatte als die ganze Provinz, aus der ich her bin, zusammengenommen,
ließ ich die Hand davon, zog mich aus dem Geschäft heraus und lieh Geld
auf Zinsen. Und da hat mir ein Sterngucker sehr guten Rath gegeben, der
zufällig an unsern Platz kam, Namens Serapa, nur so ein griechisches Kerl¬
chen, aber klug als wenn er im Rath der Götter gesessen hätte. Der hat mir
Dinge gesagt, die ich selbst lange vergessen hatte: von A bis Z hat er mir
alles erplicirt, er sah mir wahrhaftig bis in den Magen, es fehlte wenig, daß
er sagen konnte, was ich Tags zuvor zu Mittag gegessen hatte. Man hätte
glauben sollen, er habe fortwährend unter einem Dach mit mir gewohnt.
""Du bist nicht glücklich in der Wahl deiner Freunde; niemand weiß dir für
deine Wohlthaten rechten Dank; du besitzest große Ländereien; du nährst eine
Schlange an deinem Busen."" Und warum soll ich es nicht sagen: dreißig
Jahre, vier Monate und zwei Tage hab ich noch zu leben. Auch werde ich
bald eine Erbschaft thun. So sagt mein Horoskop. Komm ich noch so weit,
daß meine Güter an Apulien grenzen, dann habe ich es bei meinen Lebzeiten
weit genug gebracht. Unterdessen habe ich mit Mercurs Gunst dies Wohn¬
haus gebaut. Ihr wißt, es war eine Baracke, jetzt ist es ein Palais, hat
Vier Speisesäle, zwanzig Wohnzimmer, zwei marmorne Galerien, im Ober¬
stock Wirthschaftsräume, ein Schlafzimmer, in dem ich selbst schlafe, und eine
Stube für meine Alte, auch eine sehr gute Portierloge; und die Gastzimmer
" haben Raum für Gäste. Wenn Scaurus hergekommen ist, hat er nirgend
so gern absteigen wollen als bei mir, und er hat doch an der See ein Ab¬
steigequartier bei einem Freunde seines Hauses. Es ist noch vieles andre da,
was ich euch gleich zeigen will. Glaubt mir nur: wenn du einen Groschen


mit dem Kaiser zusammen zum Erben ein, und ich bekam ein gräfliches Erb¬
theil. Aber wie denn nun keiner niemals genug hat, so bekam ich Lust Ge¬
schäfte zu machen. Um es kurz zu machen, ich baute fünf Schiffe, lud Wein
(der war damals Gold werth) und ließ sie nach Rom abgehn. Als wenn ich
es so bestellt hätte, litten alle Schiffbruch. Ich erzähle euch kein Märchen,
sondern reine Wahrheit: an einem Tage schluckte der alte Neptun zwei Millio¬
nen. Ihr glaubt, das hätte mich auf den Sand gesetzt? Nein, wahrhaftig
nicht! ich kam durch den Verlust erst in Geschmack, es war mir als wäre
nichts geschehen, ich baute andre, größere, bessere und glücklichere. Ich lud
wieder Wein, Speck, Bohnen, Parfümeriewaaren, Sklaven. Dazumalen hat
sich meine Alte wie eine brave Frau betragen; sie verkaufte all ihren Schmuck
und ihre Kleider und steckte mir hundert Füchse in die Hand : das war der
Sauerteig für meine Groschen. Was die Götter wollen, das wird man schnell.
Bei einer Fahrt schlug ich mehr als eine halbe Million heraus. Nun kaufte
ich gleich alle Güter, die meinem Herrn gehört hatten, ich baute mir ein Wohn¬
haus, kaufte Zugvieh, was ich anrührte, wuchs wie ein Hefenkuchen. Als ich
mehr hatte als die ganze Provinz, aus der ich her bin, zusammengenommen,
ließ ich die Hand davon, zog mich aus dem Geschäft heraus und lieh Geld
auf Zinsen. Und da hat mir ein Sterngucker sehr guten Rath gegeben, der
zufällig an unsern Platz kam, Namens Serapa, nur so ein griechisches Kerl¬
chen, aber klug als wenn er im Rath der Götter gesessen hätte. Der hat mir
Dinge gesagt, die ich selbst lange vergessen hatte: von A bis Z hat er mir
alles erplicirt, er sah mir wahrhaftig bis in den Magen, es fehlte wenig, daß
er sagen konnte, was ich Tags zuvor zu Mittag gegessen hatte. Man hätte
glauben sollen, er habe fortwährend unter einem Dach mit mir gewohnt.
„„Du bist nicht glücklich in der Wahl deiner Freunde; niemand weiß dir für
deine Wohlthaten rechten Dank; du besitzest große Ländereien; du nährst eine
Schlange an deinem Busen."" Und warum soll ich es nicht sagen: dreißig
Jahre, vier Monate und zwei Tage hab ich noch zu leben. Auch werde ich
bald eine Erbschaft thun. So sagt mein Horoskop. Komm ich noch so weit,
daß meine Güter an Apulien grenzen, dann habe ich es bei meinen Lebzeiten
weit genug gebracht. Unterdessen habe ich mit Mercurs Gunst dies Wohn¬
haus gebaut. Ihr wißt, es war eine Baracke, jetzt ist es ein Palais, hat
Vier Speisesäle, zwanzig Wohnzimmer, zwei marmorne Galerien, im Ober¬
stock Wirthschaftsräume, ein Schlafzimmer, in dem ich selbst schlafe, und eine
Stube für meine Alte, auch eine sehr gute Portierloge; und die Gastzimmer
" haben Raum für Gäste. Wenn Scaurus hergekommen ist, hat er nirgend
so gern absteigen wollen als bei mir, und er hat doch an der See ein Ab¬
steigequartier bei einem Freunde seines Hauses. Es ist noch vieles andre da,
was ich euch gleich zeigen will. Glaubt mir nur: wenn du einen Groschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/397>, abgerufen am 23.07.2024.