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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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der Schwestern dem jungen Nautiker wol aus einen Ausflug nach Oporto,
wenn nicht gar nach Gibraltar, und es kommen Fälle vor, wo die Wasser¬
rattennatur der Jnselbewohner sie verführt, bis nach Madeira zu steuern, um
daheim den selbst herübergebrachten Sect bei der nächsten Sirmer-pgrt^ auf¬
tischen zu können. Der Lurus in diesen Familienjachten übersteigt nicht
selten den eines Boudoirs der Chaussee d'Artim. Der Boden ist mit den
seltensten Holzarten ausgelegt, die festgeschraubten Möbel sind von der ausge¬
suchtesten Arbeit, man hat weder Vergoldung gespart, noch irgend ein Mittel
des Comforts vergessen, welches tausendjährige Erfahrung dem Seedienste zu¬
geeignet und für seefest erklärt hat. Dabei ist die Fertigkeit im Aufbewahren
von Gemüsen und Speisen aller Art so weit gediehen, daß in den luftdichten
Büchsen der Borrathskabine die Stoffe zu hundert und aberhundert auser¬
lesenen Mahlzeiten verborgen liegen, Keime, welche zu ihrer glänzendsten Ent¬
faltung nur den pfropsensprengendeN Arm des Stewards bedürfen. Die
Königin Victoria geht mit gutem Beispiel voran. Sie liebt Seefahrten und
zieht natürlich ein zahlreiches Gefolge nach sich, obschon es größtentheils aus
Freiwilligen gebildet ist. Jeder Unterthan, dem ein Kiel und was der Kiel
trägt, vom Schicksal beschert worden, sucht Gelegenheit, die Eigenschaften
seiner Seenire vor den Augen der huldreichen Fürstin glänzen zu lassen, und
mancher, der vergebens auf der Rennbahn oder in Hydepark nach Beachtung
strebte, bringt plötzlich das Taschenteleskop der hohen Frau in Bewegung,
wenn er mit den baumwollenen Segeln seines Klippers um die Kante von
Sandrockspring hervorschießt. Der Sommeraufenthalt des Hofes auf der
Insel Wight gibt endlosen Anlaß zum Heraussordern derartiger Sonnenblicke
des Unterthanenglücks; nicht minder aber dienen dazu die Wettfahrten, die
sogenannten Regattas, welche sich häufig der Anwesenheit der Königin er¬
freuen.

Hier sind abermals, wie beim Cricket, daS Clubwesen und die Herausforderun¬
gen vorherrschend; der Adel hält Segelwettfahrten und vermehrt dabei von Jahr
Jahr den Erfahrungsschatz der Schiffsbaukunde, so daß man bereits zu Geschwin¬
digkeiten gelangt ist, welche noch vor einigen Jahrzehnten sür ebenso unglaub¬
lich erklärt wurden, als vor einigen Jahrhunderten die Erfindung der Luft¬
schiffahrt. Schiffscapitäne, Nautiker aller Art betheiligen sich bei solchen Re¬
gatten, Frankreichs beste Segler treten mitbewerbend aus; selbst Amerika er¬
scheint nicht selben auf dem vielbeweglicher Kampfplatze, und durch alle
Staaten der modernen Republik wiederhallts von Freudensalven, wenn John
Bull durch Jonathan geschlagen wurde, wie das vor einigen Jahren durch
den ersten Klipper, welchen Europa sah, in so launiger Weise geschehen ist. Aber
auch an Ruderregatten fehlt eS nicht, und hier gibt es die zahlreichsten Spiel¬
arten; von der parfümirten Jugend der Piccadilly- und Charingcroßpaläste,


der Schwestern dem jungen Nautiker wol aus einen Ausflug nach Oporto,
wenn nicht gar nach Gibraltar, und es kommen Fälle vor, wo die Wasser¬
rattennatur der Jnselbewohner sie verführt, bis nach Madeira zu steuern, um
daheim den selbst herübergebrachten Sect bei der nächsten Sirmer-pgrt^ auf¬
tischen zu können. Der Lurus in diesen Familienjachten übersteigt nicht
selten den eines Boudoirs der Chaussee d'Artim. Der Boden ist mit den
seltensten Holzarten ausgelegt, die festgeschraubten Möbel sind von der ausge¬
suchtesten Arbeit, man hat weder Vergoldung gespart, noch irgend ein Mittel
des Comforts vergessen, welches tausendjährige Erfahrung dem Seedienste zu¬
geeignet und für seefest erklärt hat. Dabei ist die Fertigkeit im Aufbewahren
von Gemüsen und Speisen aller Art so weit gediehen, daß in den luftdichten
Büchsen der Borrathskabine die Stoffe zu hundert und aberhundert auser¬
lesenen Mahlzeiten verborgen liegen, Keime, welche zu ihrer glänzendsten Ent¬
faltung nur den pfropsensprengendeN Arm des Stewards bedürfen. Die
Königin Victoria geht mit gutem Beispiel voran. Sie liebt Seefahrten und
zieht natürlich ein zahlreiches Gefolge nach sich, obschon es größtentheils aus
Freiwilligen gebildet ist. Jeder Unterthan, dem ein Kiel und was der Kiel
trägt, vom Schicksal beschert worden, sucht Gelegenheit, die Eigenschaften
seiner Seenire vor den Augen der huldreichen Fürstin glänzen zu lassen, und
mancher, der vergebens auf der Rennbahn oder in Hydepark nach Beachtung
strebte, bringt plötzlich das Taschenteleskop der hohen Frau in Bewegung,
wenn er mit den baumwollenen Segeln seines Klippers um die Kante von
Sandrockspring hervorschießt. Der Sommeraufenthalt des Hofes auf der
Insel Wight gibt endlosen Anlaß zum Heraussordern derartiger Sonnenblicke
des Unterthanenglücks; nicht minder aber dienen dazu die Wettfahrten, die
sogenannten Regattas, welche sich häufig der Anwesenheit der Königin er¬
freuen.

Hier sind abermals, wie beim Cricket, daS Clubwesen und die Herausforderun¬
gen vorherrschend; der Adel hält Segelwettfahrten und vermehrt dabei von Jahr
Jahr den Erfahrungsschatz der Schiffsbaukunde, so daß man bereits zu Geschwin¬
digkeiten gelangt ist, welche noch vor einigen Jahrzehnten sür ebenso unglaub¬
lich erklärt wurden, als vor einigen Jahrhunderten die Erfindung der Luft¬
schiffahrt. Schiffscapitäne, Nautiker aller Art betheiligen sich bei solchen Re¬
gatten, Frankreichs beste Segler treten mitbewerbend aus; selbst Amerika er¬
scheint nicht selben auf dem vielbeweglicher Kampfplatze, und durch alle
Staaten der modernen Republik wiederhallts von Freudensalven, wenn John
Bull durch Jonathan geschlagen wurde, wie das vor einigen Jahren durch
den ersten Klipper, welchen Europa sah, in so launiger Weise geschehen ist. Aber
auch an Ruderregatten fehlt eS nicht, und hier gibt es die zahlreichsten Spiel¬
arten; von der parfümirten Jugend der Piccadilly- und Charingcroßpaläste,


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[0316] der Schwestern dem jungen Nautiker wol aus einen Ausflug nach Oporto, wenn nicht gar nach Gibraltar, und es kommen Fälle vor, wo die Wasser¬ rattennatur der Jnselbewohner sie verführt, bis nach Madeira zu steuern, um daheim den selbst herübergebrachten Sect bei der nächsten Sirmer-pgrt^ auf¬ tischen zu können. Der Lurus in diesen Familienjachten übersteigt nicht selten den eines Boudoirs der Chaussee d'Artim. Der Boden ist mit den seltensten Holzarten ausgelegt, die festgeschraubten Möbel sind von der ausge¬ suchtesten Arbeit, man hat weder Vergoldung gespart, noch irgend ein Mittel des Comforts vergessen, welches tausendjährige Erfahrung dem Seedienste zu¬ geeignet und für seefest erklärt hat. Dabei ist die Fertigkeit im Aufbewahren von Gemüsen und Speisen aller Art so weit gediehen, daß in den luftdichten Büchsen der Borrathskabine die Stoffe zu hundert und aberhundert auser¬ lesenen Mahlzeiten verborgen liegen, Keime, welche zu ihrer glänzendsten Ent¬ faltung nur den pfropsensprengendeN Arm des Stewards bedürfen. Die Königin Victoria geht mit gutem Beispiel voran. Sie liebt Seefahrten und zieht natürlich ein zahlreiches Gefolge nach sich, obschon es größtentheils aus Freiwilligen gebildet ist. Jeder Unterthan, dem ein Kiel und was der Kiel trägt, vom Schicksal beschert worden, sucht Gelegenheit, die Eigenschaften seiner Seenire vor den Augen der huldreichen Fürstin glänzen zu lassen, und mancher, der vergebens auf der Rennbahn oder in Hydepark nach Beachtung strebte, bringt plötzlich das Taschenteleskop der hohen Frau in Bewegung, wenn er mit den baumwollenen Segeln seines Klippers um die Kante von Sandrockspring hervorschießt. Der Sommeraufenthalt des Hofes auf der Insel Wight gibt endlosen Anlaß zum Heraussordern derartiger Sonnenblicke des Unterthanenglücks; nicht minder aber dienen dazu die Wettfahrten, die sogenannten Regattas, welche sich häufig der Anwesenheit der Königin er¬ freuen. Hier sind abermals, wie beim Cricket, daS Clubwesen und die Herausforderun¬ gen vorherrschend; der Adel hält Segelwettfahrten und vermehrt dabei von Jahr Jahr den Erfahrungsschatz der Schiffsbaukunde, so daß man bereits zu Geschwin¬ digkeiten gelangt ist, welche noch vor einigen Jahrzehnten sür ebenso unglaub¬ lich erklärt wurden, als vor einigen Jahrhunderten die Erfindung der Luft¬ schiffahrt. Schiffscapitäne, Nautiker aller Art betheiligen sich bei solchen Re¬ gatten, Frankreichs beste Segler treten mitbewerbend aus; selbst Amerika er¬ scheint nicht selben auf dem vielbeweglicher Kampfplatze, und durch alle Staaten der modernen Republik wiederhallts von Freudensalven, wenn John Bull durch Jonathan geschlagen wurde, wie das vor einigen Jahren durch den ersten Klipper, welchen Europa sah, in so launiger Weise geschehen ist. Aber auch an Ruderregatten fehlt eS nicht, und hier gibt es die zahlreichsten Spiel¬ arten; von der parfümirten Jugend der Piccadilly- und Charingcroßpaläste,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/316>, abgerufen am 23.07.2024.