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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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gegeben wird. Und diese angeführten fünfzehn Schlachttage betreffen nur
einen der vielen englischen Cricketclubs. Von den namhafter" übrigen Clubs
verkündigten die folgenden ihre Kampftage: die Grafschaft Surrey 4., 3., 10.,
11., 17., 24. Juli; Grafschaft Susser 3., 17., 28. Juli, 18. August; Norlh-
kent 3, 4., 24., 25. Juli, 4., 3. August; und 29 andere Clubs bezeichnen
152 weitere Herausforderungen, denen an bereits festgestellten Tagen im
Juli und August, einigen wenigen noch im September, genügt werden wird.
Man kann nach dem Ueberblick dieser zwei bis zwei und einen halben Monate
ermessen, wie groß die Cricketsumme eines ganzen Jahres sein mag, und wie
wenig ein gewandter Spieler aus der Uebung zu kommen braucht.

Das Cricketspiel ist eins der Gesundheits- und Kräftigungsmittel der
englischen Nation, und wenn wir in den Bewegungen der Söhne Albions
so manche Elasticität und Gewandtheit wahrnehmen, die unserm Volke, trotz
dem vielen Militärdrillen, abgehen, so ist die Liebhaberei sür dies schöne Spiel
auf Englands Wiesenteppichen eine der vornehmsten Ursachen jener körperlichen
Ueberlegenheit. Wie wenige unserer jungen Leute erklimmen mit gleicher
Leichtigkeit die himmelhohen Sitze auf den Dächern der Omnibusse Londons,
wie es alte Herren mit schneeweißem Haupte dort täglich thun, zur Verwun¬
derung so manches Nichtengländers, der dabei im vierzigsten Jahre schon an
die Verfertigung seines Testamentes denkt.

Wenn man sieht, daß fast auf jeden Sommertag in England ein Rennen
oder ein Cricketfest gerechnet werden muß, so fragt man sich, wo nur noch Zeit
für die Segel- und Nuderwettstreite bleibt. Dennoch ist eine Jnselbevölkerung
begreiflicherweise von alten Zeiten her mit allem, was auf süßem oder salzigem
Wasser betrieben wird, gut bekannt, und nirgend findet man so viele, die auf
der "klaren Woge" heimisch sind, wie grabe im kreidefelsigen England. Sehr
viele Gentryfamilien haben ihre Landsitze an den Ufern der Themse, dort, wo
die Flut schon einen gemischten Geschmack annimmt; auch die Seeküsten selbst
sind nicht ohne ähnliche Feenschlösser, von deren Altären Abends die schlanken
Töchter Altcnglands mit ihren durchsichtig zarten Farben und langen Hänge-
lvckcn, ihren langbewimperten Augen hinausschauen in das purpurne Meer,
das ewig veränderlich ihre stolze Heimath umwogt. Leichte, buntbewimpelte
Nächten rollen unstet in der Nähe des Ufers hin und her, wo sie bei gutem
Wetter in einiger Entfernung vom Lande vor Anker liegen; zu anderer Zeit
werden sie auf den Strand gezogen oder dem Schutze der nächsten Bucht an¬
vertraut. Besuche in der Umgegend, auch wol ein Trip über den Kanal
werden in diesen Nächten mit der ganzen Bequemlichkeit, welche eigne Fahr¬
gelegenheit bietet, gemacht. Auch in die Nord- und Ostsee wagen sie sich
hinein, und kommt der Sohn des Hauses in der Ferienzeit aus der Midship-
manSschule nach Hause, da vertraut sich der Herr Vater oder die muthigste


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gegeben wird. Und diese angeführten fünfzehn Schlachttage betreffen nur
einen der vielen englischen Cricketclubs. Von den namhafter» übrigen Clubs
verkündigten die folgenden ihre Kampftage: die Grafschaft Surrey 4., 3., 10.,
11., 17., 24. Juli; Grafschaft Susser 3., 17., 28. Juli, 18. August; Norlh-
kent 3, 4., 24., 25. Juli, 4., 3. August; und 29 andere Clubs bezeichnen
152 weitere Herausforderungen, denen an bereits festgestellten Tagen im
Juli und August, einigen wenigen noch im September, genügt werden wird.
Man kann nach dem Ueberblick dieser zwei bis zwei und einen halben Monate
ermessen, wie groß die Cricketsumme eines ganzen Jahres sein mag, und wie
wenig ein gewandter Spieler aus der Uebung zu kommen braucht.

Das Cricketspiel ist eins der Gesundheits- und Kräftigungsmittel der
englischen Nation, und wenn wir in den Bewegungen der Söhne Albions
so manche Elasticität und Gewandtheit wahrnehmen, die unserm Volke, trotz
dem vielen Militärdrillen, abgehen, so ist die Liebhaberei sür dies schöne Spiel
auf Englands Wiesenteppichen eine der vornehmsten Ursachen jener körperlichen
Ueberlegenheit. Wie wenige unserer jungen Leute erklimmen mit gleicher
Leichtigkeit die himmelhohen Sitze auf den Dächern der Omnibusse Londons,
wie es alte Herren mit schneeweißem Haupte dort täglich thun, zur Verwun¬
derung so manches Nichtengländers, der dabei im vierzigsten Jahre schon an
die Verfertigung seines Testamentes denkt.

Wenn man sieht, daß fast auf jeden Sommertag in England ein Rennen
oder ein Cricketfest gerechnet werden muß, so fragt man sich, wo nur noch Zeit
für die Segel- und Nuderwettstreite bleibt. Dennoch ist eine Jnselbevölkerung
begreiflicherweise von alten Zeiten her mit allem, was auf süßem oder salzigem
Wasser betrieben wird, gut bekannt, und nirgend findet man so viele, die auf
der „klaren Woge" heimisch sind, wie grabe im kreidefelsigen England. Sehr
viele Gentryfamilien haben ihre Landsitze an den Ufern der Themse, dort, wo
die Flut schon einen gemischten Geschmack annimmt; auch die Seeküsten selbst
sind nicht ohne ähnliche Feenschlösser, von deren Altären Abends die schlanken
Töchter Altcnglands mit ihren durchsichtig zarten Farben und langen Hänge-
lvckcn, ihren langbewimperten Augen hinausschauen in das purpurne Meer,
das ewig veränderlich ihre stolze Heimath umwogt. Leichte, buntbewimpelte
Nächten rollen unstet in der Nähe des Ufers hin und her, wo sie bei gutem
Wetter in einiger Entfernung vom Lande vor Anker liegen; zu anderer Zeit
werden sie auf den Strand gezogen oder dem Schutze der nächsten Bucht an¬
vertraut. Besuche in der Umgegend, auch wol ein Trip über den Kanal
werden in diesen Nächten mit der ganzen Bequemlichkeit, welche eigne Fahr¬
gelegenheit bietet, gemacht. Auch in die Nord- und Ostsee wagen sie sich
hinein, und kommt der Sohn des Hauses in der Ferienzeit aus der Midship-
manSschule nach Hause, da vertraut sich der Herr Vater oder die muthigste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/315>, abgerufen am 25.08.2024.