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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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namentlich die Unterhandlungen Alexanders mit den persischen Prinzessinnen
nur Verwunderung.


Statira.

Nicht ganz untrüglich schien mir stets der Richterstuhl
Des eignen Herzens: sinnig und erfindungsreich
Berückt es uns, umschleiert unser wahres Bild;
Vor Augen stellt es schmeichelnd uns und kunstgewandt
El" Seelenabbild, welches zaubrisch wol uns malt
Den höchsten Ruf, die Male, deuen wir gefolgt,
Wenn wirklich eines Gottes Stimm' uns zieht empor;
Doch wie in Wahrheit wir gestaltet, zeigt es nicht.
Hast du nicht selbst geboten, daß ein Bildner nur
Dich meißeln dürf, und hat er wol dich ganz durchschaut?
Untrüglich blickt der Himmel nur dir tief ins Herz
Und sagt, ob Du mit reinem Sinne jetzt erschienst.


Alexander.

Wenn unsre wahre Bildung nur die Götter schaun,
So gibt ihr Urtheil uns der Wahrheit volles Licht.
Dem Himmel ist der Menschen Weisheit kein Gesetz:
Nach andrem Maßstab messen sich Entschlüsse dort,
Nicht nach Phantomen, sondern nach des Schicksals Schluß,
Und Göftermahnnng lenkte meinen Schritt zu dir,
Z" sagen, daß ein höhrer Ruf an dich ergeht. , .... '
Nie zwang das Herz ich, wo nur Ueberzeugung gilt:
Nnsrichtge Diener sind allein die Freunde mir.
Die Kunst der Herrschaft übt' ich nimmer als Tyrann.
Das Reich, in dem ich walte, fordert Seel' und Geist;
Sie will ich pflegen, nicht ersticken dnrch Befehl......


Statira.

Ich kenne Herrscher dnrch des Volkes Liebe nur,
Und ihre Wurzel hat Gewaltthat überall
Zerstört, wo du erschienen in der Fürsten Haus,
Das jedem Volk durch Götterordnung angehört u. s. w.

Diese Unterredungen wird man mit den Gewohnheiten eines orientalischen
Hofes kaum in Einklang bringen können, und sie sind andererseits nicht be¬
deutend genug, um uns für diese historische Unwahrheit zu entschädigen. Noch
wunderlicher wird uns zu Muth, wenn diese Rhetorik ins naturphilosophische
übergeht:


Statira.

Hast nie die Seele sinnend du versenkt ins All?
Hat sein Geheimniß nimmer dir es offenbart?
Blick aus zum Himmel, schau der Erde weiten Raum:
Zeig ein Gestirn, zeig eines Wesens Bildung mir,
Das fest in sich geschlossen, nicht sich selbst gehört.
Schau dort die Rose, liebst du nicht als Rose sie?
Was bleibt dir, wenn vergehend sie ins Nichts zerfließt?


namentlich die Unterhandlungen Alexanders mit den persischen Prinzessinnen
nur Verwunderung.


Statira.

Nicht ganz untrüglich schien mir stets der Richterstuhl
Des eignen Herzens: sinnig und erfindungsreich
Berückt es uns, umschleiert unser wahres Bild;
Vor Augen stellt es schmeichelnd uns und kunstgewandt
El» Seelenabbild, welches zaubrisch wol uns malt
Den höchsten Ruf, die Male, deuen wir gefolgt,
Wenn wirklich eines Gottes Stimm' uns zieht empor;
Doch wie in Wahrheit wir gestaltet, zeigt es nicht.
Hast du nicht selbst geboten, daß ein Bildner nur
Dich meißeln dürf, und hat er wol dich ganz durchschaut?
Untrüglich blickt der Himmel nur dir tief ins Herz
Und sagt, ob Du mit reinem Sinne jetzt erschienst.


Alexander.

Wenn unsre wahre Bildung nur die Götter schaun,
So gibt ihr Urtheil uns der Wahrheit volles Licht.
Dem Himmel ist der Menschen Weisheit kein Gesetz:
Nach andrem Maßstab messen sich Entschlüsse dort,
Nicht nach Phantomen, sondern nach des Schicksals Schluß,
Und Göftermahnnng lenkte meinen Schritt zu dir,
Z» sagen, daß ein höhrer Ruf an dich ergeht. , .... '
Nie zwang das Herz ich, wo nur Ueberzeugung gilt:
Nnsrichtge Diener sind allein die Freunde mir.
Die Kunst der Herrschaft übt' ich nimmer als Tyrann.
Das Reich, in dem ich walte, fordert Seel' und Geist;
Sie will ich pflegen, nicht ersticken dnrch Befehl......


Statira.

Ich kenne Herrscher dnrch des Volkes Liebe nur,
Und ihre Wurzel hat Gewaltthat überall
Zerstört, wo du erschienen in der Fürsten Haus,
Das jedem Volk durch Götterordnung angehört u. s. w.

Diese Unterredungen wird man mit den Gewohnheiten eines orientalischen
Hofes kaum in Einklang bringen können, und sie sind andererseits nicht be¬
deutend genug, um uns für diese historische Unwahrheit zu entschädigen. Noch
wunderlicher wird uns zu Muth, wenn diese Rhetorik ins naturphilosophische
übergeht:


Statira.

Hast nie die Seele sinnend du versenkt ins All?
Hat sein Geheimniß nimmer dir es offenbart?
Blick aus zum Himmel, schau der Erde weiten Raum:
Zeig ein Gestirn, zeig eines Wesens Bildung mir,
Das fest in sich geschlossen, nicht sich selbst gehört.
Schau dort die Rose, liebst du nicht als Rose sie?
Was bleibt dir, wenn vergehend sie ins Nichts zerfließt?


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[0293] namentlich die Unterhandlungen Alexanders mit den persischen Prinzessinnen nur Verwunderung. Statira. Nicht ganz untrüglich schien mir stets der Richterstuhl Des eignen Herzens: sinnig und erfindungsreich Berückt es uns, umschleiert unser wahres Bild; Vor Augen stellt es schmeichelnd uns und kunstgewandt El» Seelenabbild, welches zaubrisch wol uns malt Den höchsten Ruf, die Male, deuen wir gefolgt, Wenn wirklich eines Gottes Stimm' uns zieht empor; Doch wie in Wahrheit wir gestaltet, zeigt es nicht. Hast du nicht selbst geboten, daß ein Bildner nur Dich meißeln dürf, und hat er wol dich ganz durchschaut? Untrüglich blickt der Himmel nur dir tief ins Herz Und sagt, ob Du mit reinem Sinne jetzt erschienst. Alexander. Wenn unsre wahre Bildung nur die Götter schaun, So gibt ihr Urtheil uns der Wahrheit volles Licht. Dem Himmel ist der Menschen Weisheit kein Gesetz: Nach andrem Maßstab messen sich Entschlüsse dort, Nicht nach Phantomen, sondern nach des Schicksals Schluß, Und Göftermahnnng lenkte meinen Schritt zu dir, Z» sagen, daß ein höhrer Ruf an dich ergeht. , .... ' Nie zwang das Herz ich, wo nur Ueberzeugung gilt: Nnsrichtge Diener sind allein die Freunde mir. Die Kunst der Herrschaft übt' ich nimmer als Tyrann. Das Reich, in dem ich walte, fordert Seel' und Geist; Sie will ich pflegen, nicht ersticken dnrch Befehl...... Statira. Ich kenne Herrscher dnrch des Volkes Liebe nur, Und ihre Wurzel hat Gewaltthat überall Zerstört, wo du erschienen in der Fürsten Haus, Das jedem Volk durch Götterordnung angehört u. s. w. Diese Unterredungen wird man mit den Gewohnheiten eines orientalischen Hofes kaum in Einklang bringen können, und sie sind andererseits nicht be¬ deutend genug, um uns für diese historische Unwahrheit zu entschädigen. Noch wunderlicher wird uns zu Muth, wenn diese Rhetorik ins naturphilosophische übergeht: Statira. Hast nie die Seele sinnend du versenkt ins All? Hat sein Geheimniß nimmer dir es offenbart? Blick aus zum Himmel, schau der Erde weiten Raum: Zeig ein Gestirn, zeig eines Wesens Bildung mir, Das fest in sich geschlossen, nicht sich selbst gehört. Schau dort die Rose, liebst du nicht als Rose sie? Was bleibt dir, wenn vergehend sie ins Nichts zerfließt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/293>, abgerufen am 23.07.2024.