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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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nach der Meinung der Orientalen unter den Gewässern Asiens nur von denen
Kaschmirs übertroffen wird. Von der Hauptstadt Herat sagt ein persischer
Dichter: "Khorassan ist die Muschel der Welt und Herat die Perle", und mit
Recht hat man letzterem den Beinamen der "Stadt mit hunderttausend Gärten"
gegeben, denn Buchenwälder, Gärten mit Obstbäumen, Blumen und Gemüsen,
Kornfelder und Weinberge umschlingen Herat mit einem grünen Kranze.
Selbst die Verheerungen, welche Timuriden und Sefi im Laufe der Zeit hier
anrichteten, waren nicht im Stande, die reizende Schönheit der fruchtgeseg¬
neten Umgebung von Herat zu zerstören.

Dieser nördliche Theil des Fürstenthums Herat hat eine niedrige Lage
im Vergleich zu den westlichen Gegenden des Plateaus von Iran, denn er hat
nur etwa 1800 Fuß Meereshöhe, aber er liegt doch immer bedeutend höher,
als Sedschestan, das wahrscheinlich kaum eine absolute Höhe von 300 Fuß
erreicht. Eine Folge dieses Höhenunterschiedes ist eine bedeutende klimatische
Verschiedenheit beider Hälften des Fürstenthums. Obgleich beide dem allge¬
meinen Kontinentalklima des Tafellandes von Iran angehören, so steht doch
Sedschestan schon fast ganz unter dem Einflüsse der Tropen rücksichtlich der
Temperatur. Bei Tage herrscht beständige Hitze und bei Nacht große Kühle
infolge der Wärmestrahlung, wozu noch die Verdampfung des stehenden Ge¬
wässers des Sarahsees kommt. Das Klima von Sedschestan übt daher einen
sehr nachtheiligen Einfluß auf die animalische Natur und ist nur erträglich
während der drei sogenannten kalten Monate, wo die Hitze weniger drückend
ist. Dagegen herrscht im Thale des Herirud und in der Nachbarschaft dessel¬
ben ein ewiger Frühling. Hier wird die Sonnenhitze durch die bedeutendere
Erhebung des Bodens gemildert, die strenge Winterkälte der höhern Platcau-
gegenden von Iran ist hier unbekannt, und es wölbt sich ein ewig heiterer
Himmel über Herats naturbeglücktem Boden, dessen vielgepriesene landschaftliche
Schönheit an die reizendsten Gefilde Italiens erinnert. Von den Fruchtbäumen
der wärmern Zonen gedeiht freilich keiner, weder die Orange und Citrone,
noch die Banane und Palme, aber um so üppiger entwickeln sich die Obstarten
des gemäßigten Himmelstrichs. Die Einwohner sind große Liebhaber dieser
Baumfrüchte und kaufen sie nicht auf dem Markte, sondern essen sie frisch von
den Bäumen weg. Höchst sonderbar ist die Art, wie man nach Conollys
Erzählung den Betrag des Geldes ermittelt, welches der Obstconsumenl zu
bezahlen hat. Man wiegt nämlich den Besucher eines Gartens beim Ein¬
treten in denselben und bei seinem Fortgehn und bestimmt dann die Größe der
von ihm für das genossene Obst zu bezahlenden Summe nach der Differenz
des Gewichts. -- In Sedschestan dagegen gedeihen, außer etwas Weizen,
Baumwolle, Reis und schlechtem Tabak, fast nur Wassermelonen, welche das
Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ausmachen; man erblickt kein Küchen-


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nach der Meinung der Orientalen unter den Gewässern Asiens nur von denen
Kaschmirs übertroffen wird. Von der Hauptstadt Herat sagt ein persischer
Dichter: „Khorassan ist die Muschel der Welt und Herat die Perle", und mit
Recht hat man letzterem den Beinamen der „Stadt mit hunderttausend Gärten"
gegeben, denn Buchenwälder, Gärten mit Obstbäumen, Blumen und Gemüsen,
Kornfelder und Weinberge umschlingen Herat mit einem grünen Kranze.
Selbst die Verheerungen, welche Timuriden und Sefi im Laufe der Zeit hier
anrichteten, waren nicht im Stande, die reizende Schönheit der fruchtgeseg¬
neten Umgebung von Herat zu zerstören.

Dieser nördliche Theil des Fürstenthums Herat hat eine niedrige Lage
im Vergleich zu den westlichen Gegenden des Plateaus von Iran, denn er hat
nur etwa 1800 Fuß Meereshöhe, aber er liegt doch immer bedeutend höher,
als Sedschestan, das wahrscheinlich kaum eine absolute Höhe von 300 Fuß
erreicht. Eine Folge dieses Höhenunterschiedes ist eine bedeutende klimatische
Verschiedenheit beider Hälften des Fürstenthums. Obgleich beide dem allge¬
meinen Kontinentalklima des Tafellandes von Iran angehören, so steht doch
Sedschestan schon fast ganz unter dem Einflüsse der Tropen rücksichtlich der
Temperatur. Bei Tage herrscht beständige Hitze und bei Nacht große Kühle
infolge der Wärmestrahlung, wozu noch die Verdampfung des stehenden Ge¬
wässers des Sarahsees kommt. Das Klima von Sedschestan übt daher einen
sehr nachtheiligen Einfluß auf die animalische Natur und ist nur erträglich
während der drei sogenannten kalten Monate, wo die Hitze weniger drückend
ist. Dagegen herrscht im Thale des Herirud und in der Nachbarschaft dessel¬
ben ein ewiger Frühling. Hier wird die Sonnenhitze durch die bedeutendere
Erhebung des Bodens gemildert, die strenge Winterkälte der höhern Platcau-
gegenden von Iran ist hier unbekannt, und es wölbt sich ein ewig heiterer
Himmel über Herats naturbeglücktem Boden, dessen vielgepriesene landschaftliche
Schönheit an die reizendsten Gefilde Italiens erinnert. Von den Fruchtbäumen
der wärmern Zonen gedeiht freilich keiner, weder die Orange und Citrone,
noch die Banane und Palme, aber um so üppiger entwickeln sich die Obstarten
des gemäßigten Himmelstrichs. Die Einwohner sind große Liebhaber dieser
Baumfrüchte und kaufen sie nicht auf dem Markte, sondern essen sie frisch von
den Bäumen weg. Höchst sonderbar ist die Art, wie man nach Conollys
Erzählung den Betrag des Geldes ermittelt, welches der Obstconsumenl zu
bezahlen hat. Man wiegt nämlich den Besucher eines Gartens beim Ein¬
treten in denselben und bei seinem Fortgehn und bestimmt dann die Größe der
von ihm für das genossene Obst zu bezahlenden Summe nach der Differenz
des Gewichts. — In Sedschestan dagegen gedeihen, außer etwas Weizen,
Baumwolle, Reis und schlechtem Tabak, fast nur Wassermelonen, welche das
Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ausmachen; man erblickt kein Küchen-


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[0259] nach der Meinung der Orientalen unter den Gewässern Asiens nur von denen Kaschmirs übertroffen wird. Von der Hauptstadt Herat sagt ein persischer Dichter: „Khorassan ist die Muschel der Welt und Herat die Perle", und mit Recht hat man letzterem den Beinamen der „Stadt mit hunderttausend Gärten" gegeben, denn Buchenwälder, Gärten mit Obstbäumen, Blumen und Gemüsen, Kornfelder und Weinberge umschlingen Herat mit einem grünen Kranze. Selbst die Verheerungen, welche Timuriden und Sefi im Laufe der Zeit hier anrichteten, waren nicht im Stande, die reizende Schönheit der fruchtgeseg¬ neten Umgebung von Herat zu zerstören. Dieser nördliche Theil des Fürstenthums Herat hat eine niedrige Lage im Vergleich zu den westlichen Gegenden des Plateaus von Iran, denn er hat nur etwa 1800 Fuß Meereshöhe, aber er liegt doch immer bedeutend höher, als Sedschestan, das wahrscheinlich kaum eine absolute Höhe von 300 Fuß erreicht. Eine Folge dieses Höhenunterschiedes ist eine bedeutende klimatische Verschiedenheit beider Hälften des Fürstenthums. Obgleich beide dem allge¬ meinen Kontinentalklima des Tafellandes von Iran angehören, so steht doch Sedschestan schon fast ganz unter dem Einflüsse der Tropen rücksichtlich der Temperatur. Bei Tage herrscht beständige Hitze und bei Nacht große Kühle infolge der Wärmestrahlung, wozu noch die Verdampfung des stehenden Ge¬ wässers des Sarahsees kommt. Das Klima von Sedschestan übt daher einen sehr nachtheiligen Einfluß auf die animalische Natur und ist nur erträglich während der drei sogenannten kalten Monate, wo die Hitze weniger drückend ist. Dagegen herrscht im Thale des Herirud und in der Nachbarschaft dessel¬ ben ein ewiger Frühling. Hier wird die Sonnenhitze durch die bedeutendere Erhebung des Bodens gemildert, die strenge Winterkälte der höhern Platcau- gegenden von Iran ist hier unbekannt, und es wölbt sich ein ewig heiterer Himmel über Herats naturbeglücktem Boden, dessen vielgepriesene landschaftliche Schönheit an die reizendsten Gefilde Italiens erinnert. Von den Fruchtbäumen der wärmern Zonen gedeiht freilich keiner, weder die Orange und Citrone, noch die Banane und Palme, aber um so üppiger entwickeln sich die Obstarten des gemäßigten Himmelstrichs. Die Einwohner sind große Liebhaber dieser Baumfrüchte und kaufen sie nicht auf dem Markte, sondern essen sie frisch von den Bäumen weg. Höchst sonderbar ist die Art, wie man nach Conollys Erzählung den Betrag des Geldes ermittelt, welches der Obstconsumenl zu bezahlen hat. Man wiegt nämlich den Besucher eines Gartens beim Ein¬ treten in denselben und bei seinem Fortgehn und bestimmt dann die Größe der von ihm für das genossene Obst zu bezahlenden Summe nach der Differenz des Gewichts. — In Sedschestan dagegen gedeihen, außer etwas Weizen, Baumwolle, Reis und schlechtem Tabak, fast nur Wassermelonen, welche das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ausmachen; man erblickt kein Küchen- 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/259>, abgerufen am 25.08.2024.