Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.den Felsenöden des Paropcunisus (Hazareh, Hasarah, eigentlich ein Vorgebirge den Felsenöden des Paropcunisus (Hazareh, Hasarah, eigentlich ein Vorgebirge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103391"/> <p xml:id="ID_907" prev="#ID_906" next="#ID_908"> den Felsenöden des Paropcunisus (Hazareh, Hasarah, eigentlich ein Vorgebirge<lb/> des Paropamisus) und vom Königreiche Kabul und im Süden von den<lb/> großen Salzwüsten des innern Iran und von Beludschistan begrenzt. Das<lb/> heutige Fürstenthum Herat bildet wahrscheinlich die tiefste Stelle in dem großen<lb/> Tafellande von Iran, gleichsam eine Einsenkung, die sich in zwei Hälften<lb/> spaltet. Die eine dieser Hälften, im nördlichen Theile des Landes, wir» durch<lb/> daS Thal deS Herirud, die andere, im südlichen Theile, durch das Becken des<lb/> Hannen bezeichnet, jenes großen Binnensees ohne Abfluß, der uns am geläu¬<lb/> figsten unter dem im Lande selbst unbekannten Namen des Zareh ist, und<lb/> welcher die meisten fließenden Gewässer des südwestlichen Hindokuh aufnimmt z. B.<lb/> den bereits genannten Hilmend. Mit Ausnahme des Hilmendthales uno bei<lb/> Thäler der übrigen kleinern Flüsse, als Khasch und Farrah-Rud, ist der ganze<lb/> südliche Theil deS Fürstenthums Herat, welcher die alte Landschaft Seistan<lb/> oder Sedschestan bildet, eine Steppe oder Wüste, die ostwärts und südwärts bis<lb/> Kandahar und ins Gebiet der Beludschen sich fortsetzt und auf der Westseite<lb/> mit der großen persischen Salzwüste in innigem Zusammenhange steht. Sie<lb/> wird von dieser nur durch die Kette des Kohl Bundau abgesondert, jenes<lb/> Bergzuges, welcher auf der Westgrenze Hcrats von Nordnordost nach Südsüdwest<lb/> streicht und eine Etage in dem Tafellande auszumachen scheint. Lange Zeit<lb/> hindurch haben die Thalweitungen des Hilmend und der übrigen Flüsse des<lb/> Binnenbeckens von Seistan in dem Ruf höchster Fruchtbarkeit gestanden, die<lb/> man sogar mit der des Nilthals in Aegypten verglichen hat; aber dieser Ruf<lb/> ist verloren gegangen infolge der unaufhörlichen innern Zerrissenheit und bür¬<lb/> gerlichen Zwietracht, von welcher diese Landschaft heimgesucht wurde, wie noch<lb/> heutzutage Khorassan und Afghanistan das Land wilder Verwirrung sind, wo<lb/> halbnackte, nach Raub und Mord dürstende Nomaden herumschweifen, wo<lb/> Stammhäuptlinge und kleine Tyrannen aus Blutrache und Herrschsucht sich<lb/> gegenseitig die Hälse brechen. Durch diese zwieträchtige Verwirrung sind die<lb/> großen Bewässerungswerke, vermöge deren die Gewässer des Hilmend zu einem<lb/> befruchtenden Princip in dieser baumlosen Wüste wurden, der Vernachlässigung<lb/> und endlich der Zerstörung anheimgefallen, und die Wüste strebt ihre Herr¬<lb/> schaft von Tag zu Tag mehr selbst auf die Thäler auszudehnen. Aber der<lb/> nördliche Theil des Khanats Herat, nämlich derjenige, welcher innerhalb der<lb/> Grenzen des alten KhorassanS liegt, ist eine sehr fruchtbare Landschaft; daS<lb/> von Osten nach Westen streichende weite Längenthal des im Sande der Tur-<lb/> komanenwüste sich verlierenden Herirud, welches ihren Mittelpunkt bildet, liegt<lb/> oasenartig zwischen den trockenen Tasellandschaften und hat eine Breite von<lb/> vier und eine Länge von achthalb Meilen. Die Bewässerung dieses geseg¬<lb/> neten Striches ist überreich, denn überall rauschen und sprudeln Bäche,<lb/> Quellen und Springbrunnen, deren Frische, Kühle und stärkende Labung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
den Felsenöden des Paropcunisus (Hazareh, Hasarah, eigentlich ein Vorgebirge
des Paropamisus) und vom Königreiche Kabul und im Süden von den
großen Salzwüsten des innern Iran und von Beludschistan begrenzt. Das
heutige Fürstenthum Herat bildet wahrscheinlich die tiefste Stelle in dem großen
Tafellande von Iran, gleichsam eine Einsenkung, die sich in zwei Hälften
spaltet. Die eine dieser Hälften, im nördlichen Theile des Landes, wir» durch
daS Thal deS Herirud, die andere, im südlichen Theile, durch das Becken des
Hannen bezeichnet, jenes großen Binnensees ohne Abfluß, der uns am geläu¬
figsten unter dem im Lande selbst unbekannten Namen des Zareh ist, und
welcher die meisten fließenden Gewässer des südwestlichen Hindokuh aufnimmt z. B.
den bereits genannten Hilmend. Mit Ausnahme des Hilmendthales uno bei
Thäler der übrigen kleinern Flüsse, als Khasch und Farrah-Rud, ist der ganze
südliche Theil deS Fürstenthums Herat, welcher die alte Landschaft Seistan
oder Sedschestan bildet, eine Steppe oder Wüste, die ostwärts und südwärts bis
Kandahar und ins Gebiet der Beludschen sich fortsetzt und auf der Westseite
mit der großen persischen Salzwüste in innigem Zusammenhange steht. Sie
wird von dieser nur durch die Kette des Kohl Bundau abgesondert, jenes
Bergzuges, welcher auf der Westgrenze Hcrats von Nordnordost nach Südsüdwest
streicht und eine Etage in dem Tafellande auszumachen scheint. Lange Zeit
hindurch haben die Thalweitungen des Hilmend und der übrigen Flüsse des
Binnenbeckens von Seistan in dem Ruf höchster Fruchtbarkeit gestanden, die
man sogar mit der des Nilthals in Aegypten verglichen hat; aber dieser Ruf
ist verloren gegangen infolge der unaufhörlichen innern Zerrissenheit und bür¬
gerlichen Zwietracht, von welcher diese Landschaft heimgesucht wurde, wie noch
heutzutage Khorassan und Afghanistan das Land wilder Verwirrung sind, wo
halbnackte, nach Raub und Mord dürstende Nomaden herumschweifen, wo
Stammhäuptlinge und kleine Tyrannen aus Blutrache und Herrschsucht sich
gegenseitig die Hälse brechen. Durch diese zwieträchtige Verwirrung sind die
großen Bewässerungswerke, vermöge deren die Gewässer des Hilmend zu einem
befruchtenden Princip in dieser baumlosen Wüste wurden, der Vernachlässigung
und endlich der Zerstörung anheimgefallen, und die Wüste strebt ihre Herr¬
schaft von Tag zu Tag mehr selbst auf die Thäler auszudehnen. Aber der
nördliche Theil des Khanats Herat, nämlich derjenige, welcher innerhalb der
Grenzen des alten KhorassanS liegt, ist eine sehr fruchtbare Landschaft; daS
von Osten nach Westen streichende weite Längenthal des im Sande der Tur-
komanenwüste sich verlierenden Herirud, welches ihren Mittelpunkt bildet, liegt
oasenartig zwischen den trockenen Tasellandschaften und hat eine Breite von
vier und eine Länge von achthalb Meilen. Die Bewässerung dieses geseg¬
neten Striches ist überreich, denn überall rauschen und sprudeln Bäche,
Quellen und Springbrunnen, deren Frische, Kühle und stärkende Labung
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