Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nur im Einzelnen haben Berichtigungen stattgefunden. Von der wellenförmigen
Hauptrichtung des ganzen Gebirgszuges nach Westen zeigen sich hier und
da Abweichungen, indem das Gebirge einige schwache Arme nach Norden und
Süden aussendet, Verzweigungen, die sich mit den Hauptketten mannigfach
kreuzen und wilde Querthäler bilden. Solche Querthäler finden sich nament¬
lich in den Alpengauen Afghanistans und innerhalb des Solimansgebirgeö
(Salomonskette, Kuh joder Kohl^ Soliman) oder des indopersischen Grenz¬
gebirges.

Himalaya und Hindokuh sind sonach als Theile eines und desselben
Gebirgssystems zu betrachten, das der Hauptmasse nach aus Granit besteht.
Aber die Länder, welche an ihrem Fuße liegen, stehen in umgekehrtem Ver¬
hältniß. Während im Norden der letzten Kette des Himalaya die grasarmen
Hochebenen und sandigen Steppen Mittelasiens sich erstrecken, breiten sich
südlich von den Alpenlandschaften des Setledsch, des Dschumna und des
obern Flußgebietes deS Ganges die fruchtbaren Flachländer und Tiefebenen
Hindostans aus. Beim Hindokuh ist es umgekehrt. Während aus seiner
Nordseite das Land sich plötzlich senkt und zu den Movrflächen und Tief¬
ländern Turkestans übergeht, läuft an der südlichen Abdachung des Hindokuh
ein Gebirgösaum fort, um welchen sich die S---bOOO Fuß Meereshöhe errei¬
chenden Gebirgslandschaften Kabuls herumlagern, und welcher in der Sprache
der eingebornen Afghanen Kohl Daman genannt wird.

Wie die Gebirge, so dehnen sich auch die Wüsten über sehr große Gebiete
aus. Die Wüste von Turkestan und die chowaresmische Steppe verbinden
sich mit der Salzwüste von Khorassan, die von den Eingeborenen Kuwir ge¬
nannt wird, und diese läuft in einzelnen Strichen bis zum Meer hinab. Die
Natur hat diese einsamen und einförmigen Wüsteneien mit ewig grünen Oasen
geschmückt, deren üppige Fruchtbarkeit unbeschreiblich ist. Sie bieten gleichsam
einen Ersatz dar für die traurigen, öden und trocknen Landschaften rings umher.
Die ganze Gegend westlich vom Hindokuh ist höchst wasserarm. Die wenigsten
der Flüsse erreichen Steppenseen, der Attruck und Gurgan das kaspische Meer,
der Hilmenb (Hirmenb) den Sarah- (Zareh-) See; die übrigen Gewässer
werden von dem durstigen Sandboden der Wüste selbst aufgesaugt. Kaum
vermögen die Küstenflüßchen ihre geringen Wassermassen ins Meer zu ergießen.
Um die Flüsse nun setzen sich die erwähnten Oasen an, deren bedeutendste
die Umgegenden von Herat, Jesd, Tubbus, Farrah und Merw bilden.

Das Fürstenthum oder Khanat Herat liegt im nordwestlichen Afghanistan
und begreift den südöstlichen Theil der persischen Provinz Khorassan im wei¬
testen Sinne, nämlich nach dem Umfange, welchen die Bewohner Irans der
Landschaft Khorassan geben., ES wird im Westen von der jetzigen persischen
Provinz Khorassan, im Norden von den Steppen Turkestans, im Osten von


Grenzboten. 1. 18S7. 32

nur im Einzelnen haben Berichtigungen stattgefunden. Von der wellenförmigen
Hauptrichtung des ganzen Gebirgszuges nach Westen zeigen sich hier und
da Abweichungen, indem das Gebirge einige schwache Arme nach Norden und
Süden aussendet, Verzweigungen, die sich mit den Hauptketten mannigfach
kreuzen und wilde Querthäler bilden. Solche Querthäler finden sich nament¬
lich in den Alpengauen Afghanistans und innerhalb des Solimansgebirgeö
(Salomonskette, Kuh joder Kohl^ Soliman) oder des indopersischen Grenz¬
gebirges.

Himalaya und Hindokuh sind sonach als Theile eines und desselben
Gebirgssystems zu betrachten, das der Hauptmasse nach aus Granit besteht.
Aber die Länder, welche an ihrem Fuße liegen, stehen in umgekehrtem Ver¬
hältniß. Während im Norden der letzten Kette des Himalaya die grasarmen
Hochebenen und sandigen Steppen Mittelasiens sich erstrecken, breiten sich
südlich von den Alpenlandschaften des Setledsch, des Dschumna und des
obern Flußgebietes deS Ganges die fruchtbaren Flachländer und Tiefebenen
Hindostans aus. Beim Hindokuh ist es umgekehrt. Während aus seiner
Nordseite das Land sich plötzlich senkt und zu den Movrflächen und Tief¬
ländern Turkestans übergeht, läuft an der südlichen Abdachung des Hindokuh
ein Gebirgösaum fort, um welchen sich die S—-bOOO Fuß Meereshöhe errei¬
chenden Gebirgslandschaften Kabuls herumlagern, und welcher in der Sprache
der eingebornen Afghanen Kohl Daman genannt wird.

Wie die Gebirge, so dehnen sich auch die Wüsten über sehr große Gebiete
aus. Die Wüste von Turkestan und die chowaresmische Steppe verbinden
sich mit der Salzwüste von Khorassan, die von den Eingeborenen Kuwir ge¬
nannt wird, und diese läuft in einzelnen Strichen bis zum Meer hinab. Die
Natur hat diese einsamen und einförmigen Wüsteneien mit ewig grünen Oasen
geschmückt, deren üppige Fruchtbarkeit unbeschreiblich ist. Sie bieten gleichsam
einen Ersatz dar für die traurigen, öden und trocknen Landschaften rings umher.
Die ganze Gegend westlich vom Hindokuh ist höchst wasserarm. Die wenigsten
der Flüsse erreichen Steppenseen, der Attruck und Gurgan das kaspische Meer,
der Hilmenb (Hirmenb) den Sarah- (Zareh-) See; die übrigen Gewässer
werden von dem durstigen Sandboden der Wüste selbst aufgesaugt. Kaum
vermögen die Küstenflüßchen ihre geringen Wassermassen ins Meer zu ergießen.
Um die Flüsse nun setzen sich die erwähnten Oasen an, deren bedeutendste
die Umgegenden von Herat, Jesd, Tubbus, Farrah und Merw bilden.

Das Fürstenthum oder Khanat Herat liegt im nordwestlichen Afghanistan
und begreift den südöstlichen Theil der persischen Provinz Khorassan im wei¬
testen Sinne, nämlich nach dem Umfange, welchen die Bewohner Irans der
Landschaft Khorassan geben., ES wird im Westen von der jetzigen persischen
Provinz Khorassan, im Norden von den Steppen Turkestans, im Osten von


Grenzboten. 1. 18S7. 32
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103390"/>
          <p xml:id="ID_903" prev="#ID_902"> nur im Einzelnen haben Berichtigungen stattgefunden. Von der wellenförmigen<lb/>
Hauptrichtung des ganzen Gebirgszuges nach Westen zeigen sich hier und<lb/>
da Abweichungen, indem das Gebirge einige schwache Arme nach Norden und<lb/>
Süden aussendet, Verzweigungen, die sich mit den Hauptketten mannigfach<lb/>
kreuzen und wilde Querthäler bilden. Solche Querthäler finden sich nament¬<lb/>
lich in den Alpengauen Afghanistans und innerhalb des Solimansgebirgeö<lb/>
(Salomonskette, Kuh joder Kohl^ Soliman) oder des indopersischen Grenz¬<lb/>
gebirges.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_904"> Himalaya und Hindokuh sind sonach als Theile eines und desselben<lb/>
Gebirgssystems zu betrachten, das der Hauptmasse nach aus Granit besteht.<lb/>
Aber die Länder, welche an ihrem Fuße liegen, stehen in umgekehrtem Ver¬<lb/>
hältniß. Während im Norden der letzten Kette des Himalaya die grasarmen<lb/>
Hochebenen und sandigen Steppen Mittelasiens sich erstrecken, breiten sich<lb/>
südlich von den Alpenlandschaften des Setledsch, des Dschumna und des<lb/>
obern Flußgebietes deS Ganges die fruchtbaren Flachländer und Tiefebenen<lb/>
Hindostans aus. Beim Hindokuh ist es umgekehrt. Während aus seiner<lb/>
Nordseite das Land sich plötzlich senkt und zu den Movrflächen und Tief¬<lb/>
ländern Turkestans übergeht, läuft an der südlichen Abdachung des Hindokuh<lb/>
ein Gebirgösaum fort, um welchen sich die S&#x2014;-bOOO Fuß Meereshöhe errei¬<lb/>
chenden Gebirgslandschaften Kabuls herumlagern, und welcher in der Sprache<lb/>
der eingebornen Afghanen Kohl Daman genannt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_905"> Wie die Gebirge, so dehnen sich auch die Wüsten über sehr große Gebiete<lb/>
aus. Die Wüste von Turkestan und die chowaresmische Steppe verbinden<lb/>
sich mit der Salzwüste von Khorassan, die von den Eingeborenen Kuwir ge¬<lb/>
nannt wird, und diese läuft in einzelnen Strichen bis zum Meer hinab. Die<lb/>
Natur hat diese einsamen und einförmigen Wüsteneien mit ewig grünen Oasen<lb/>
geschmückt, deren üppige Fruchtbarkeit unbeschreiblich ist. Sie bieten gleichsam<lb/>
einen Ersatz dar für die traurigen, öden und trocknen Landschaften rings umher.<lb/>
Die ganze Gegend westlich vom Hindokuh ist höchst wasserarm. Die wenigsten<lb/>
der Flüsse erreichen Steppenseen, der Attruck und Gurgan das kaspische Meer,<lb/>
der Hilmenb (Hirmenb) den Sarah- (Zareh-) See; die übrigen Gewässer<lb/>
werden von dem durstigen Sandboden der Wüste selbst aufgesaugt. Kaum<lb/>
vermögen die Küstenflüßchen ihre geringen Wassermassen ins Meer zu ergießen.<lb/>
Um die Flüsse nun setzen sich die erwähnten Oasen an, deren bedeutendste<lb/>
die Umgegenden von Herat, Jesd, Tubbus, Farrah und Merw bilden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_906" next="#ID_907"> Das Fürstenthum oder Khanat Herat liegt im nordwestlichen Afghanistan<lb/>
und begreift den südöstlichen Theil der persischen Provinz Khorassan im wei¬<lb/>
testen Sinne, nämlich nach dem Umfange, welchen die Bewohner Irans der<lb/>
Landschaft Khorassan geben., ES wird im Westen von der jetzigen persischen<lb/>
Provinz Khorassan, im Norden von den Steppen Turkestans, im Osten von</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. 1. 18S7. 32</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] nur im Einzelnen haben Berichtigungen stattgefunden. Von der wellenförmigen Hauptrichtung des ganzen Gebirgszuges nach Westen zeigen sich hier und da Abweichungen, indem das Gebirge einige schwache Arme nach Norden und Süden aussendet, Verzweigungen, die sich mit den Hauptketten mannigfach kreuzen und wilde Querthäler bilden. Solche Querthäler finden sich nament¬ lich in den Alpengauen Afghanistans und innerhalb des Solimansgebirgeö (Salomonskette, Kuh joder Kohl^ Soliman) oder des indopersischen Grenz¬ gebirges. Himalaya und Hindokuh sind sonach als Theile eines und desselben Gebirgssystems zu betrachten, das der Hauptmasse nach aus Granit besteht. Aber die Länder, welche an ihrem Fuße liegen, stehen in umgekehrtem Ver¬ hältniß. Während im Norden der letzten Kette des Himalaya die grasarmen Hochebenen und sandigen Steppen Mittelasiens sich erstrecken, breiten sich südlich von den Alpenlandschaften des Setledsch, des Dschumna und des obern Flußgebietes deS Ganges die fruchtbaren Flachländer und Tiefebenen Hindostans aus. Beim Hindokuh ist es umgekehrt. Während aus seiner Nordseite das Land sich plötzlich senkt und zu den Movrflächen und Tief¬ ländern Turkestans übergeht, läuft an der südlichen Abdachung des Hindokuh ein Gebirgösaum fort, um welchen sich die S—-bOOO Fuß Meereshöhe errei¬ chenden Gebirgslandschaften Kabuls herumlagern, und welcher in der Sprache der eingebornen Afghanen Kohl Daman genannt wird. Wie die Gebirge, so dehnen sich auch die Wüsten über sehr große Gebiete aus. Die Wüste von Turkestan und die chowaresmische Steppe verbinden sich mit der Salzwüste von Khorassan, die von den Eingeborenen Kuwir ge¬ nannt wird, und diese läuft in einzelnen Strichen bis zum Meer hinab. Die Natur hat diese einsamen und einförmigen Wüsteneien mit ewig grünen Oasen geschmückt, deren üppige Fruchtbarkeit unbeschreiblich ist. Sie bieten gleichsam einen Ersatz dar für die traurigen, öden und trocknen Landschaften rings umher. Die ganze Gegend westlich vom Hindokuh ist höchst wasserarm. Die wenigsten der Flüsse erreichen Steppenseen, der Attruck und Gurgan das kaspische Meer, der Hilmenb (Hirmenb) den Sarah- (Zareh-) See; die übrigen Gewässer werden von dem durstigen Sandboden der Wüste selbst aufgesaugt. Kaum vermögen die Küstenflüßchen ihre geringen Wassermassen ins Meer zu ergießen. Um die Flüsse nun setzen sich die erwähnten Oasen an, deren bedeutendste die Umgegenden von Herat, Jesd, Tubbus, Farrah und Merw bilden. Das Fürstenthum oder Khanat Herat liegt im nordwestlichen Afghanistan und begreift den südöstlichen Theil der persischen Provinz Khorassan im wei¬ testen Sinne, nämlich nach dem Umfange, welchen die Bewohner Irans der Landschaft Khorassan geben., ES wird im Westen von der jetzigen persischen Provinz Khorassan, im Norden von den Steppen Turkestans, im Osten von Grenzboten. 1. 18S7. 32

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/257>, abgerufen am 22.12.2024.