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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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verzögerte sich bis 1819. Die Berathungen nahmen einen langsamen Fort>
gang, es fehlte der liberaleren Meinung an einem Anhalt, wie man ihn für
den Rhein an der Rheinschiffahrtsoctroi hatte, keiner der Uferstaaten war ge¬
willt, seine Einnahme aus den Zöllen zu verkürzen. Indessen groß war das
Erstaunen der Mitglieder der Conferenz, als der hannoversche Bevollmächtigte
erklärte, der Staber Zoll sei gar kein Fluß- sondern ein Seezoll, da er nur von
Gütern, die aus See kämen, erhoben weiden sollte. Dies war eine Sophi¬
sterei, die ein würdiges Seitenstück zu dem holländischen ju-squ'ü, in, nor bildete,
ja es noch übertraf; Holland nämlich hatte die Schiffahrt auf der Scheide für
vollkommen frei erklärt, und erhob darauf einen Zoll grade vor der Mündung
der Scheide, mit der Behauptung, dies sei kein Fluß-, sondern ein Seezoll.
Stade aber liegt nicht einmal an der Mündung der Elbe. So willkürlicher
Auslegung hielt man entgegen, daß die Artikel der wiener Acte ausdrücklich
sich auf den ganzen Lauf des Stroms bezögen "Kieler Wut co qui s rapport,
K naviZMon", daß alle Schiffahrt auf der Elbe, möge sie kommen woher
sie wolle, Flußschiffahrt bleibe, daß Hannover auf dem Congresse keine Vor¬
behalte hinsichtlich des Staber Zolles gemacht und daß, wenn daS Endziel einer
allgemein freien Stromschiffahrt erreicht werden solle, keine Ausnahmen gemacht
werden könnten. Hannover hatte selbst in verschiedenen Erlassen des 18. Jahr¬
hunderts den Zoll "seinen Elbzoll zu Stade" genannt, es blieb nichts desto
weniger jetzt dabei , daß es ein Seezoll sei und versprach nur, den Tarif mit¬
zutheilen und denselben ohne Zustimmung der Uferstaaten nicht zu erhöhen.
Bei der damaligen Schlaffheit kam es damit wirklich durch, außerdem ward
der versprochene Tarif, trotz der Reklamationen von Hamburg und Dänemark,
nicht sobald mitgetheilt. Beide letztem Regierungen protestirten, als Hannover
endlich damit herausrückte, gegen die Willkürlichkeit der Zollsätze, die für manche
Artikel Vs, ^/s ja 5 Pr. waren, und forderten nachdrücklich die Herstellung
der Sätze des Vertrages von 169-1, der Via Pr- vom Werth der Waaren fest¬
stellte. Obgleich diese Proteste keinen unmittelbaren Erfolg hatten, so war die
Last für den allgemeinen Handel doch zu bedeutend, als daß der Zoll hätte
unangefochten bleiben können, die Angriffe der deutschen Presse wiederholten
sich und brachten alles Material zusammen, um die UnHaltbarkeit der hanno-
verschen Prätensionen offen darzulegen. Im Jahre 1839 lenkte Herr Hutt,
Abgeordneter für Hull, die Aufmerksamkeit der britischen Regierung auf den
Schaden, den dieser Zoll dem britischen Handel verursache. Er zeigte, daß
der König von Hannover diese ungerechtfertigte Abgabe ohne irgend ein Aequi-
valent erhebe, da Hamburg es sei, welches alle Schiffahrtsanstalien, Leucht¬
feuer, Braten in. bis zur Elbmündung unterhalte. Nie könne er das Be¬
nehmen Lord, Castlereaghs ohne Tadel erwähnen, der, um seinem Souverän
und dessen Börse sich gefällig zu bezeigen, in Wien einen Zoll habe schützen


verzögerte sich bis 1819. Die Berathungen nahmen einen langsamen Fort>
gang, es fehlte der liberaleren Meinung an einem Anhalt, wie man ihn für
den Rhein an der Rheinschiffahrtsoctroi hatte, keiner der Uferstaaten war ge¬
willt, seine Einnahme aus den Zöllen zu verkürzen. Indessen groß war das
Erstaunen der Mitglieder der Conferenz, als der hannoversche Bevollmächtigte
erklärte, der Staber Zoll sei gar kein Fluß- sondern ein Seezoll, da er nur von
Gütern, die aus See kämen, erhoben weiden sollte. Dies war eine Sophi¬
sterei, die ein würdiges Seitenstück zu dem holländischen ju-squ'ü, in, nor bildete,
ja es noch übertraf; Holland nämlich hatte die Schiffahrt auf der Scheide für
vollkommen frei erklärt, und erhob darauf einen Zoll grade vor der Mündung
der Scheide, mit der Behauptung, dies sei kein Fluß-, sondern ein Seezoll.
Stade aber liegt nicht einmal an der Mündung der Elbe. So willkürlicher
Auslegung hielt man entgegen, daß die Artikel der wiener Acte ausdrücklich
sich auf den ganzen Lauf des Stroms bezögen „Kieler Wut co qui s rapport,
K naviZMon", daß alle Schiffahrt auf der Elbe, möge sie kommen woher
sie wolle, Flußschiffahrt bleibe, daß Hannover auf dem Congresse keine Vor¬
behalte hinsichtlich des Staber Zolles gemacht und daß, wenn daS Endziel einer
allgemein freien Stromschiffahrt erreicht werden solle, keine Ausnahmen gemacht
werden könnten. Hannover hatte selbst in verschiedenen Erlassen des 18. Jahr¬
hunderts den Zoll „seinen Elbzoll zu Stade" genannt, es blieb nichts desto
weniger jetzt dabei , daß es ein Seezoll sei und versprach nur, den Tarif mit¬
zutheilen und denselben ohne Zustimmung der Uferstaaten nicht zu erhöhen.
Bei der damaligen Schlaffheit kam es damit wirklich durch, außerdem ward
der versprochene Tarif, trotz der Reklamationen von Hamburg und Dänemark,
nicht sobald mitgetheilt. Beide letztem Regierungen protestirten, als Hannover
endlich damit herausrückte, gegen die Willkürlichkeit der Zollsätze, die für manche
Artikel Vs, ^/s ja 5 Pr. waren, und forderten nachdrücklich die Herstellung
der Sätze des Vertrages von 169-1, der Via Pr- vom Werth der Waaren fest¬
stellte. Obgleich diese Proteste keinen unmittelbaren Erfolg hatten, so war die
Last für den allgemeinen Handel doch zu bedeutend, als daß der Zoll hätte
unangefochten bleiben können, die Angriffe der deutschen Presse wiederholten
sich und brachten alles Material zusammen, um die UnHaltbarkeit der hanno-
verschen Prätensionen offen darzulegen. Im Jahre 1839 lenkte Herr Hutt,
Abgeordneter für Hull, die Aufmerksamkeit der britischen Regierung auf den
Schaden, den dieser Zoll dem britischen Handel verursache. Er zeigte, daß
der König von Hannover diese ungerechtfertigte Abgabe ohne irgend ein Aequi-
valent erhebe, da Hamburg es sei, welches alle Schiffahrtsanstalien, Leucht¬
feuer, Braten in. bis zur Elbmündung unterhalte. Nie könne er das Be¬
nehmen Lord, Castlereaghs ohne Tadel erwähnen, der, um seinem Souverän
und dessen Börse sich gefällig zu bezeigen, in Wien einen Zoll habe schützen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/252>, abgerufen am 23.07.2024.