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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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helfen, der dem Handel seines Vaterlandes so nachtheilig sei. Jetzt sei man
einmal leider durch einen Vertrag gebunden, so verderblich derselbe auch wirke,
aber seit 1821 hätten die Tarifsätze beständig gewechselt und seien fast jedes
Mal erhöht;'aber wenn der Zoll an sich schon höchst lästig sei, so wirke die
Willkürlichkeit und Strenge, mit der derselbe erhoben werde, doppelt verderblich
auf den Handel. Herr Hutt forderte, indem er zahlreiche Einzelnheiten und
Beispiele als Belege anführte, Einschreiten der englischen Regierung gegen den
Staber Zoll. Lord Palmerston antwortete, wie er es bei unbequemen Inter¬
pellationen zu thun pflegt, indem er bereitwillig die Unbill anerkannte, er¬
wähnte, daß seine Fürsorge bereits Unterhandlungen mit Hannover über die
Sache angeknüpft habe und daß er hoffe, Abhilfe schaffen zu können. Die
einzige directe Folge dieser Debatte war die Verminderung einiger Zollsätze
auf englische Manufacturen und höflichere Behandlung der englischen Capitäne
in Stade. Indessen mochte mittelbar diese Erörterung so wie die lebhafte Be¬
sprechung, welche die Sache von Zeit zu Zeit in der englischen und deutschen
Presse fand, doch einen gewissen Eindruck auf die hannoversche Regierung
gemacht haben und ihr das Gefühl geben, daß sie die Saiten nicht über¬
spannen dürfe. Als die Commissäre der Elbschiffahrtscommission sich 18i/c
wieder in Dresden versammelten, gab der hannoversche Bevollmächtigte still¬
schweigend die frühere Prätension des Seezolles auf und erkannte die
Kompetenz der Commission'an. Nach langen Debatten kam am 13. April ein
Staatsvertrag zu Stande, der die Verhältnisse des Staber Zolles und seinen
Tarif regelte. Es ist sehr scharf darüber gestritten, ob die Uferstaaten recht¬
gethan, sich in dieser Weise zu binden und durch vertragsmäßige Anerkennung
das Uebel zu verewigen, aber vom Gesichtspunkt des Erreichbaren und des
praktischen Staatsmannes, der nicht auf allgemeine Umwälzungen zählen darf,
war der Vertrag wol gerechtfertigt, und daß er nach den gegebenen Verhält¬
nissen nicht zu günstig für Hannover war, beweist der Umstand, daß die
Einnahmen aus dem Zoll, trotz des gewaltig zunehmenden Handelsverkehrs auf
der Elbe, nicht gestiegen sind; immerhin sind sie noch bedeutend genug, nach
Lehzen (der Staatshaushalt deS Königreichs Hannover I. S. 213--219) be¬
tragen sie zusammen mit den kleinern Zöllen von Bleckede und Schnackenburg
noch über 300,000 Thlr., die Hannover ohne das geringste Aequivalent einstreicht.

In der neuern Zeit hat sich wieder eine lebhafte Agitation gegen den
Staber Zoll wie gegen den Sundzoll gewendet. Bereitwillig müssen wir an¬
erkennen, daß beide Fälle durchaus verschieden sind, seit Hannover den Staber
Zoll als Flußzoll anerkannt hat, der Grundsatz des "freien Meeres", mit dem
man Dänemark entgegengetreten ist, kann hier also nicht gelten. Vom national¬
ökonomischen und allgemein "völkerrechtlichen Gesichtspunkte dagegen wird
sich schwerlich etwas für den Zoll sagen' lassen. Hannover besitzt nicht beide


helfen, der dem Handel seines Vaterlandes so nachtheilig sei. Jetzt sei man
einmal leider durch einen Vertrag gebunden, so verderblich derselbe auch wirke,
aber seit 1821 hätten die Tarifsätze beständig gewechselt und seien fast jedes
Mal erhöht;'aber wenn der Zoll an sich schon höchst lästig sei, so wirke die
Willkürlichkeit und Strenge, mit der derselbe erhoben werde, doppelt verderblich
auf den Handel. Herr Hutt forderte, indem er zahlreiche Einzelnheiten und
Beispiele als Belege anführte, Einschreiten der englischen Regierung gegen den
Staber Zoll. Lord Palmerston antwortete, wie er es bei unbequemen Inter¬
pellationen zu thun pflegt, indem er bereitwillig die Unbill anerkannte, er¬
wähnte, daß seine Fürsorge bereits Unterhandlungen mit Hannover über die
Sache angeknüpft habe und daß er hoffe, Abhilfe schaffen zu können. Die
einzige directe Folge dieser Debatte war die Verminderung einiger Zollsätze
auf englische Manufacturen und höflichere Behandlung der englischen Capitäne
in Stade. Indessen mochte mittelbar diese Erörterung so wie die lebhafte Be¬
sprechung, welche die Sache von Zeit zu Zeit in der englischen und deutschen
Presse fand, doch einen gewissen Eindruck auf die hannoversche Regierung
gemacht haben und ihr das Gefühl geben, daß sie die Saiten nicht über¬
spannen dürfe. Als die Commissäre der Elbschiffahrtscommission sich 18i/c
wieder in Dresden versammelten, gab der hannoversche Bevollmächtigte still¬
schweigend die frühere Prätension des Seezolles auf und erkannte die
Kompetenz der Commission'an. Nach langen Debatten kam am 13. April ein
Staatsvertrag zu Stande, der die Verhältnisse des Staber Zolles und seinen
Tarif regelte. Es ist sehr scharf darüber gestritten, ob die Uferstaaten recht¬
gethan, sich in dieser Weise zu binden und durch vertragsmäßige Anerkennung
das Uebel zu verewigen, aber vom Gesichtspunkt des Erreichbaren und des
praktischen Staatsmannes, der nicht auf allgemeine Umwälzungen zählen darf,
war der Vertrag wol gerechtfertigt, und daß er nach den gegebenen Verhält¬
nissen nicht zu günstig für Hannover war, beweist der Umstand, daß die
Einnahmen aus dem Zoll, trotz des gewaltig zunehmenden Handelsverkehrs auf
der Elbe, nicht gestiegen sind; immerhin sind sie noch bedeutend genug, nach
Lehzen (der Staatshaushalt deS Königreichs Hannover I. S. 213—219) be¬
tragen sie zusammen mit den kleinern Zöllen von Bleckede und Schnackenburg
noch über 300,000 Thlr., die Hannover ohne das geringste Aequivalent einstreicht.

In der neuern Zeit hat sich wieder eine lebhafte Agitation gegen den
Staber Zoll wie gegen den Sundzoll gewendet. Bereitwillig müssen wir an¬
erkennen, daß beide Fälle durchaus verschieden sind, seit Hannover den Staber
Zoll als Flußzoll anerkannt hat, der Grundsatz des „freien Meeres", mit dem
man Dänemark entgegengetreten ist, kann hier also nicht gelten. Vom national¬
ökonomischen und allgemein «völkerrechtlichen Gesichtspunkte dagegen wird
sich schwerlich etwas für den Zoll sagen' lassen. Hannover besitzt nicht beide


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/253>, abgerufen am 22.07.2024.