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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Denkmal ist ihm errichtet; und ich habe leider vielen Grund zu glauben, daß
sein Name hier zum ersten Mal - in deutscher Sprache -- gedruckt zu
l'eher ist.

Starik gehörte also jetzt der Regierung; die Moldau freute sich. Aber
von 1860 bis 1831, elf lange Jahre, geschah gar nichts; es war voraus-
zusehn, daß sehr bald alle ohnehin elenden Baulichkeiten einstürzen würden;
Fürst Gregor Gila beschloß also, die Badeanstalt der Kirche des heiligen
Spiridvn in Jassy zu schenken, die ein sehr bedeutendes Vermögen besitzt,
und deren geistliche und weltliche Vorsteher sich gewiß einer so äußerst wich¬
tigen Sache annehmen würden, die außer erfüllter Christenpflicht noch, bei
gehöriger Verwaltung, eine gute Summe jährlich abwerfen müßte. Seit fünf
Jahren ist nun Starik in den frommen Händen, und wieder geschieht so gut
wie nichts. Die waldbewachsenen Höhen ringsumher werden verwüstet, die
Häuser bleiben verfallen, einige neu aufgenagelte Schindeln abgerechnet, und
die Bäder sind in dem pitoyabelsten Zustande!

ES ist schwer, einen solchen Unfug gleichgiltig mit anzusehn. Tiefgebeugt
und traurig über ein Stück Bockfleisch, das ich hatte verzehren müssen, weil
noch zu wenig Badegäste da waren, um Hornvieh schlachten zu können, suchte
ich ein düsteres, von hohen Tannen rings umschlossenes Plätzchen ans, und
streckte die Arme klagend nach der Höhe: "Heiliger Epiridvn!" rief ich, "sieh
herab auf den Scandal! Du hast schöne irdische Landgüter in der gesegneten
Moldau, und Deine Pächter tragen Tausende und aber Tausende von Ducaten
M Deine Schatzkammer in Jassu; Deiner Capitalien sind zahllose in verschiedenen
Händen, und Du läßt Dir zahlen zehn Procent, wie es Landessitte für gut
findet - wirf einen väterlichen Blick herab auf dieses Nest, das die Leute mit
Deinem Namen schmücken! Erleuchte den Geist der Verwalter Deines irdischen
Vermögens! Sage ihnen, daß der Heiland vor allen andern dem Kranken seinen
göttlichen Beistand verlieh --- wärmer steigt das Gebet aus dem Herzen, wenn
ein Weh durch den armen siechen Körper zuckt. Du hast schöne Mittel in
Händen, heiliger Spiridon, solltest du die Kranken verlassen in Jammer und
dem Zähneklappen, das da täglich ertönt in Deinen Breterbuden! Du weißt
vielleicht nicht, daß ein Fremdling sich erboten hat, für 8000 Ducaten eine
Chaussee zu bauen von der Stadt Okna bis hierher; daß ein anderer Fremd¬
ling eS übernehmen will, die Anstalt auf einen europäischen Fuß zu setzen,
wenn man sich verpflichten wollte, ihm auf einige wenige Jahre die Einkünfte
zu überlassen. Warum geschieht das nicht? Für wen sammeln Deine Ver¬
walter? Für wen häufen sie Capitalien an? Die Kirche hat keine andern
Kinder, als uns. Frage nur die Seelen derer, die Deiner Kirche in Jassy
die reichen Schenkungen hinterlassen, sie werden Dir antworten, daß natürlich
die Geistlichkeit reichlich bedacht werden muß, um durch ihr Gebet unsern


Denkmal ist ihm errichtet; und ich habe leider vielen Grund zu glauben, daß
sein Name hier zum ersten Mal - in deutscher Sprache — gedruckt zu
l'eher ist.

Starik gehörte also jetzt der Regierung; die Moldau freute sich. Aber
von 1860 bis 1831, elf lange Jahre, geschah gar nichts; es war voraus-
zusehn, daß sehr bald alle ohnehin elenden Baulichkeiten einstürzen würden;
Fürst Gregor Gila beschloß also, die Badeanstalt der Kirche des heiligen
Spiridvn in Jassy zu schenken, die ein sehr bedeutendes Vermögen besitzt,
und deren geistliche und weltliche Vorsteher sich gewiß einer so äußerst wich¬
tigen Sache annehmen würden, die außer erfüllter Christenpflicht noch, bei
gehöriger Verwaltung, eine gute Summe jährlich abwerfen müßte. Seit fünf
Jahren ist nun Starik in den frommen Händen, und wieder geschieht so gut
wie nichts. Die waldbewachsenen Höhen ringsumher werden verwüstet, die
Häuser bleiben verfallen, einige neu aufgenagelte Schindeln abgerechnet, und
die Bäder sind in dem pitoyabelsten Zustande!

ES ist schwer, einen solchen Unfug gleichgiltig mit anzusehn. Tiefgebeugt
und traurig über ein Stück Bockfleisch, das ich hatte verzehren müssen, weil
noch zu wenig Badegäste da waren, um Hornvieh schlachten zu können, suchte
ich ein düsteres, von hohen Tannen rings umschlossenes Plätzchen ans, und
streckte die Arme klagend nach der Höhe: „Heiliger Epiridvn!" rief ich, „sieh
herab auf den Scandal! Du hast schöne irdische Landgüter in der gesegneten
Moldau, und Deine Pächter tragen Tausende und aber Tausende von Ducaten
M Deine Schatzkammer in Jassu; Deiner Capitalien sind zahllose in verschiedenen
Händen, und Du läßt Dir zahlen zehn Procent, wie es Landessitte für gut
findet - wirf einen väterlichen Blick herab auf dieses Nest, das die Leute mit
Deinem Namen schmücken! Erleuchte den Geist der Verwalter Deines irdischen
Vermögens! Sage ihnen, daß der Heiland vor allen andern dem Kranken seinen
göttlichen Beistand verlieh —- wärmer steigt das Gebet aus dem Herzen, wenn
ein Weh durch den armen siechen Körper zuckt. Du hast schöne Mittel in
Händen, heiliger Spiridon, solltest du die Kranken verlassen in Jammer und
dem Zähneklappen, das da täglich ertönt in Deinen Breterbuden! Du weißt
vielleicht nicht, daß ein Fremdling sich erboten hat, für 8000 Ducaten eine
Chaussee zu bauen von der Stadt Okna bis hierher; daß ein anderer Fremd¬
ling eS übernehmen will, die Anstalt auf einen europäischen Fuß zu setzen,
wenn man sich verpflichten wollte, ihm auf einige wenige Jahre die Einkünfte
zu überlassen. Warum geschieht das nicht? Für wen sammeln Deine Ver¬
walter? Für wen häufen sie Capitalien an? Die Kirche hat keine andern
Kinder, als uns. Frage nur die Seelen derer, die Deiner Kirche in Jassy
die reichen Schenkungen hinterlassen, sie werden Dir antworten, daß natürlich
die Geistlichkeit reichlich bedacht werden muß, um durch ihr Gebet unsern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/157>, abgerufen am 23.07.2024.