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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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endlich, endlich wies unser Ochsenführer mit der Peitsche gerade vor sich hin
und sagte: da liegt Starik!

Klein und Groß streckte den Hals unter dem Zeltdach hervor und schaute
neugierig nach dem Paradies/ das uns so lange unerreichbar gewesen war.
Zum 42sten und letzten Mal fuhren wir durchs Wasser, sahen erst ein Dutzend
Bauernhäuser, endlich auch, was das Asyl der Kranken sein sollte. -- Ein
ungewöhnlicher Anblick! Um einen Platz, der ein unregelmäßiges Dreieck
bildet, abschüssig und mit verschiedenen Senkungen und Erhöhungen ausge¬
stattet ist, liegen mehre lange, niedrige Gebäude, oder besser Bretterverschläge
mit Schindeldächern und ganz kleinen Fenstern; in der ganzen Länge der¬
selben laufen schmale Galerien hin, dnrch die weit vorstehenden Dächer vor
dem Regen geschützt; eine Thüre steht gerade oder schief dicht neben der andern,
jede mit einer Nummer bezeichnet; alles hat eine dunkle, braungelbe Farbe,
wie sie die Zeit über Tannenholz zu streichen pflegt, und nichts unterbricht
die Einförmigkeit, als der überraschende Lichteffect einiger neuen Schindeln in
den Reihen der alten. Ein Fremder muß in den Buden Vorbereitungen zu
einem Jahrmarkt sehen/bei denen man mit Sicherheit darauf rechnet, daß der
Barometer nicht unter hö-rü-tixe fällt, seem-tixel Höhnendes Schicksal! Es
strömte schon wieder, als wir unsern Einzug hielten, die Berge, die das Thal
von allen Seiten eng einschließen, dampften Regen verkündend, das Wasser
des Starik wuchs von Stunde zu Stunde, und rauschte eine melancholische
Begleitung zu unsern Stoßseufzern; alles war trübe und kalt, wie ein
Herbsttag,

Ich hatte, um meine Familie leidlich unterzubringen, zwei "Nummern"
genommen; eine jede besteht aus zwei, etwa drei Quadratklaftern Flächenraum
enthaltenden Käfigen. Wir traten ein -- feuchte Luft wehte uns aus dem
Halbdunkel der ungastlichen Räume entgegen, deren kahle Breterwände den
Ankommenden zu verhöhnen scheinen. Aber für Möbel wurde gesorgt. Der
Aufseher oder Epiftat der Anstalt erschien mit vier Zimmerleuten, welche Säge,
Art und Breter trugen. Für jeden meiner Hausgenossen wurde ein Gerüst
von der Länge einer Matratze aufgeschlagen, -- ohne Anwendung des Hobels
dann wurden einige grob gezimmerte Tische und Bänke herbeigeschafft,
der Epistat hatte seine Pflicht der Gastfreundschaft erfüllt. Auch unsere
Ochsenführer mit dem Gepäck waren nach unerhörten Drangsalen am Abend
vor uns angelangt! Die gütige Vorsehung hatte mit Benutzung der Schilf¬
matten doch in etwas das Eindringen des Regens verhütet, wir konnten unsere
Einrichtung beginnen. Nach einigen Stunden angestrengter Arbeit gelang es,
den Menageriebehältern mit Hilfe der Vorhänge und Teppiche ein einigermaßen
wohnliches Ansehn zu geben; einige Spalten in den Wänden, durch die man
einem guten Freund draußen die Hand reichen konnte -- einige Defecte im


' Grcttzbote". I. 1837. , 19

endlich, endlich wies unser Ochsenführer mit der Peitsche gerade vor sich hin
und sagte: da liegt Starik!

Klein und Groß streckte den Hals unter dem Zeltdach hervor und schaute
neugierig nach dem Paradies/ das uns so lange unerreichbar gewesen war.
Zum 42sten und letzten Mal fuhren wir durchs Wasser, sahen erst ein Dutzend
Bauernhäuser, endlich auch, was das Asyl der Kranken sein sollte. — Ein
ungewöhnlicher Anblick! Um einen Platz, der ein unregelmäßiges Dreieck
bildet, abschüssig und mit verschiedenen Senkungen und Erhöhungen ausge¬
stattet ist, liegen mehre lange, niedrige Gebäude, oder besser Bretterverschläge
mit Schindeldächern und ganz kleinen Fenstern; in der ganzen Länge der¬
selben laufen schmale Galerien hin, dnrch die weit vorstehenden Dächer vor
dem Regen geschützt; eine Thüre steht gerade oder schief dicht neben der andern,
jede mit einer Nummer bezeichnet; alles hat eine dunkle, braungelbe Farbe,
wie sie die Zeit über Tannenholz zu streichen pflegt, und nichts unterbricht
die Einförmigkeit, als der überraschende Lichteffect einiger neuen Schindeln in
den Reihen der alten. Ein Fremder muß in den Buden Vorbereitungen zu
einem Jahrmarkt sehen/bei denen man mit Sicherheit darauf rechnet, daß der
Barometer nicht unter hö-rü-tixe fällt, seem-tixel Höhnendes Schicksal! Es
strömte schon wieder, als wir unsern Einzug hielten, die Berge, die das Thal
von allen Seiten eng einschließen, dampften Regen verkündend, das Wasser
des Starik wuchs von Stunde zu Stunde, und rauschte eine melancholische
Begleitung zu unsern Stoßseufzern; alles war trübe und kalt, wie ein
Herbsttag,

Ich hatte, um meine Familie leidlich unterzubringen, zwei „Nummern"
genommen; eine jede besteht aus zwei, etwa drei Quadratklaftern Flächenraum
enthaltenden Käfigen. Wir traten ein — feuchte Luft wehte uns aus dem
Halbdunkel der ungastlichen Räume entgegen, deren kahle Breterwände den
Ankommenden zu verhöhnen scheinen. Aber für Möbel wurde gesorgt. Der
Aufseher oder Epiftat der Anstalt erschien mit vier Zimmerleuten, welche Säge,
Art und Breter trugen. Für jeden meiner Hausgenossen wurde ein Gerüst
von der Länge einer Matratze aufgeschlagen, — ohne Anwendung des Hobels
dann wurden einige grob gezimmerte Tische und Bänke herbeigeschafft,
der Epistat hatte seine Pflicht der Gastfreundschaft erfüllt. Auch unsere
Ochsenführer mit dem Gepäck waren nach unerhörten Drangsalen am Abend
vor uns angelangt! Die gütige Vorsehung hatte mit Benutzung der Schilf¬
matten doch in etwas das Eindringen des Regens verhütet, wir konnten unsere
Einrichtung beginnen. Nach einigen Stunden angestrengter Arbeit gelang es,
den Menageriebehältern mit Hilfe der Vorhänge und Teppiche ein einigermaßen
wohnliches Ansehn zu geben; einige Spalten in den Wänden, durch die man
einem guten Freund draußen die Hand reichen konnte — einige Defecte im


' Grcttzbote». I. 1837. , 19
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[0153] endlich, endlich wies unser Ochsenführer mit der Peitsche gerade vor sich hin und sagte: da liegt Starik! Klein und Groß streckte den Hals unter dem Zeltdach hervor und schaute neugierig nach dem Paradies/ das uns so lange unerreichbar gewesen war. Zum 42sten und letzten Mal fuhren wir durchs Wasser, sahen erst ein Dutzend Bauernhäuser, endlich auch, was das Asyl der Kranken sein sollte. — Ein ungewöhnlicher Anblick! Um einen Platz, der ein unregelmäßiges Dreieck bildet, abschüssig und mit verschiedenen Senkungen und Erhöhungen ausge¬ stattet ist, liegen mehre lange, niedrige Gebäude, oder besser Bretterverschläge mit Schindeldächern und ganz kleinen Fenstern; in der ganzen Länge der¬ selben laufen schmale Galerien hin, dnrch die weit vorstehenden Dächer vor dem Regen geschützt; eine Thüre steht gerade oder schief dicht neben der andern, jede mit einer Nummer bezeichnet; alles hat eine dunkle, braungelbe Farbe, wie sie die Zeit über Tannenholz zu streichen pflegt, und nichts unterbricht die Einförmigkeit, als der überraschende Lichteffect einiger neuen Schindeln in den Reihen der alten. Ein Fremder muß in den Buden Vorbereitungen zu einem Jahrmarkt sehen/bei denen man mit Sicherheit darauf rechnet, daß der Barometer nicht unter hö-rü-tixe fällt, seem-tixel Höhnendes Schicksal! Es strömte schon wieder, als wir unsern Einzug hielten, die Berge, die das Thal von allen Seiten eng einschließen, dampften Regen verkündend, das Wasser des Starik wuchs von Stunde zu Stunde, und rauschte eine melancholische Begleitung zu unsern Stoßseufzern; alles war trübe und kalt, wie ein Herbsttag, Ich hatte, um meine Familie leidlich unterzubringen, zwei „Nummern" genommen; eine jede besteht aus zwei, etwa drei Quadratklaftern Flächenraum enthaltenden Käfigen. Wir traten ein — feuchte Luft wehte uns aus dem Halbdunkel der ungastlichen Räume entgegen, deren kahle Breterwände den Ankommenden zu verhöhnen scheinen. Aber für Möbel wurde gesorgt. Der Aufseher oder Epiftat der Anstalt erschien mit vier Zimmerleuten, welche Säge, Art und Breter trugen. Für jeden meiner Hausgenossen wurde ein Gerüst von der Länge einer Matratze aufgeschlagen, — ohne Anwendung des Hobels dann wurden einige grob gezimmerte Tische und Bänke herbeigeschafft, der Epistat hatte seine Pflicht der Gastfreundschaft erfüllt. Auch unsere Ochsenführer mit dem Gepäck waren nach unerhörten Drangsalen am Abend vor uns angelangt! Die gütige Vorsehung hatte mit Benutzung der Schilf¬ matten doch in etwas das Eindringen des Regens verhütet, wir konnten unsere Einrichtung beginnen. Nach einigen Stunden angestrengter Arbeit gelang es, den Menageriebehältern mit Hilfe der Vorhänge und Teppiche ein einigermaßen wohnliches Ansehn zu geben; einige Spalten in den Wänden, durch die man einem guten Freund draußen die Hand reichen konnte — einige Defecte im ' Grcttzbote». I. 1837. , 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/153>, abgerufen am 22.12.2024.