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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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geschehn, wenn sie sich bisweilen das Gesicht mit dem Schleier verhüllt habe
"ut endlich stehe es beim Publicum, über sie zu lachen, keineswegs aber habe
sie ein Lachen erregen wollen.

Darauf erläßt Goethe am 12. Zum den Bescheid:

"Da der Frevel, dessen sich die Hofschauspielerin Silie bei der letzten
Aufführung des Othello schuldig gemacht, in deren Vertheidigung durch keine
hinlänglichen Gründe von derselben entschuldigt werden konnte, so sieht die Com¬
mission des Hoftheaters sich genöthigt, dieselbe mit einer halbwöchentlichen Gage¬
strafe vorerst zu belegen mit dem Vorbehalt, daß im Fall sie gedachte Rolle bei
der nächsten Aufführung des Stückes in Lauchstädt zum Nachtheil ihrer und des
Theaters Ehre geflissentlich verderben werde, ihr eine von den Wochengagen
nochmals abzuziehende Strafe von 20 Thalern unabänderlich zuerkannt werden
soll."

Er schreibt sogar ein besonderes Billet an Kirms:

"Die Verordnung wegen der Strafe von Mlle. Silie bitte nicht zu ver¬
gessen. Es ist so ein grobes Vergehn auf unserm Theater noch nicht vor¬
gekommen."

Außerordentlich häufig kommen Strafverordnungen gegen Schauspieler
vor, welche sich weigerten oder versäumten, Statistenrollen (wie es contractlich
ihre Verpflichtung war) zu übernehmen. So lauiet eine Meldung vom
6. December 1803 "daß Mao. Becker und Mlle. Blunuiu sich ohne Entschul¬
digung in der Vorstellung der Oper "die drei Sultaninnen" von den Statisten
ausgeschlossen", und es erfolgt sofort: "Verordnung an den Theatercassirer den
genannten Frauenzimmern jeder einen Thaler von ihren Gagen abzuziehen."

Weimar, 3. Decbr. 1805.


G.

Der Schauspieler Heide war am 27. Februar 1803 in dem Schauspiel
"die Höhen" im 3. SIct nach seinem Stichwort ziemlich spät erschienen, und dafür
ZU 1 Thaler Strafe verurtheilt worden. Er vertheidigte sich unter andern,
damit, daß es nicht mehr wie sonst ein sacrarium gebe, daß das Stichwort
lehr klein sei, ein Wort, das sich öfter wiederhole; auch sei es seit zwölf Jahren
das erste Mal, und man möge ihm deshalb die Strafe erlassen.

Darauf schreibt Goethe an Kirms: Möchten Ew. Wohlgeb. doch den
Herrn Heide spreche", und ihn von der Unmöglichkeit überzeugen, in der wir
uns befinden, seinen Wunsch zu gewähren. Sie können ihm alsdann manches
sagen, was man in einer commissarischen Resolution nicht aufnehmen kann.

Der Zuschauer, vom ersten bis zum letzten, kann fordern, daß eine Vor¬
stellung ununterbrochen fortgehe. Es ist das daS erste Erfordernis), und wenn
irgend eine Art von Illusion beim Zuschauer stattfindet, so wird sie durch
das Außenbleiben eines Acteurs auf das Grausamste unterbrochen. Die
Direction hat also zu sorgen, daß es nicht vorfalle.


geschehn, wenn sie sich bisweilen das Gesicht mit dem Schleier verhüllt habe
»ut endlich stehe es beim Publicum, über sie zu lachen, keineswegs aber habe
sie ein Lachen erregen wollen.

Darauf erläßt Goethe am 12. Zum den Bescheid:

„Da der Frevel, dessen sich die Hofschauspielerin Silie bei der letzten
Aufführung des Othello schuldig gemacht, in deren Vertheidigung durch keine
hinlänglichen Gründe von derselben entschuldigt werden konnte, so sieht die Com¬
mission des Hoftheaters sich genöthigt, dieselbe mit einer halbwöchentlichen Gage¬
strafe vorerst zu belegen mit dem Vorbehalt, daß im Fall sie gedachte Rolle bei
der nächsten Aufführung des Stückes in Lauchstädt zum Nachtheil ihrer und des
Theaters Ehre geflissentlich verderben werde, ihr eine von den Wochengagen
nochmals abzuziehende Strafe von 20 Thalern unabänderlich zuerkannt werden
soll."

Er schreibt sogar ein besonderes Billet an Kirms:

„Die Verordnung wegen der Strafe von Mlle. Silie bitte nicht zu ver¬
gessen. Es ist so ein grobes Vergehn auf unserm Theater noch nicht vor¬
gekommen."

Außerordentlich häufig kommen Strafverordnungen gegen Schauspieler
vor, welche sich weigerten oder versäumten, Statistenrollen (wie es contractlich
ihre Verpflichtung war) zu übernehmen. So lauiet eine Meldung vom
6. December 1803 „daß Mao. Becker und Mlle. Blunuiu sich ohne Entschul¬
digung in der Vorstellung der Oper „die drei Sultaninnen" von den Statisten
ausgeschlossen", und es erfolgt sofort: „Verordnung an den Theatercassirer den
genannten Frauenzimmern jeder einen Thaler von ihren Gagen abzuziehen."

Weimar, 3. Decbr. 1805.


G.

Der Schauspieler Heide war am 27. Februar 1803 in dem Schauspiel
»die Höhen" im 3. SIct nach seinem Stichwort ziemlich spät erschienen, und dafür
ZU 1 Thaler Strafe verurtheilt worden. Er vertheidigte sich unter andern,
damit, daß es nicht mehr wie sonst ein sacrarium gebe, daß das Stichwort
lehr klein sei, ein Wort, das sich öfter wiederhole; auch sei es seit zwölf Jahren
das erste Mal, und man möge ihm deshalb die Strafe erlassen.

Darauf schreibt Goethe an Kirms: Möchten Ew. Wohlgeb. doch den
Herrn Heide spreche», und ihn von der Unmöglichkeit überzeugen, in der wir
uns befinden, seinen Wunsch zu gewähren. Sie können ihm alsdann manches
sagen, was man in einer commissarischen Resolution nicht aufnehmen kann.

Der Zuschauer, vom ersten bis zum letzten, kann fordern, daß eine Vor¬
stellung ununterbrochen fortgehe. Es ist das daS erste Erfordernis), und wenn
irgend eine Art von Illusion beim Zuschauer stattfindet, so wird sie durch
das Außenbleiben eines Acteurs auf das Grausamste unterbrochen. Die
Direction hat also zu sorgen, daß es nicht vorfalle.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/133>, abgerufen am 22.12.2024.