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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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die noblessö Ah rode sich in ihrer Unabhängigkeit durchweg als eineMlhrerin
des dritten Standes betrachtete. Die letzten etats xeriöraux, die Frankreich
gesehen hat, die von -I61S, hatten zwar keine unmittelbare Wirkung, aber sie
sind von Wichtigkeit, insofern sie das Programm der neuen Bewegung fest¬
stellten, die mit 1789 ihren Abschluß fand. -- Richelieu überflügelte in seinen
Neuerungsbestrebungen an Kühnheit bei weitem den ihm vorangegangenen
König. Er unternahm es, die Bewegung nach bürgerlicher Einheit und Gleich¬
heit so weit zu treiben, daß fernerhin ein Rückschritt unmöglich war. Sein
Augenmerk war aus drei Dinge gerichtet: daß der hohe Adel ein für alle Mal
zum Gehorsam gegen den König und das Gesetz gezwungen wurde, daß der
Protestantismus aufhörte, eine bewaffnete Partei im Staate zu sein, daß
Frankreich ungehindert in seinem und dem europäischen Unabhängigkeitsinteresse
seine Verbündeten wählen konnte. Um alles auf dieselbe Linie der Ordnung
zurückzuführen, erhob er das Königthum über die Familienbande und die von
den Vorfahren übertragenen Verpflichtungen; er vereinzelte es in seiner Sphäre
wie eine reine Idee, die lebendige Idee der öffentlichen Wohlfahrt und deS
nationalen Interesses. "Wir, die wir die fernen Früchte seiner mühevollen
Geistesarbeitrn und seiner patriotischen Hingebung gepflückt haben, wir können
uns nur beugen vor diesem Manne der Revolution, welcher den Weg zur
neuen Gesellschaft gebahnt Hai."

Man wird einigermaßen überrascht, wenn auch die Regierung Ludwigs XIV.
sich als ein ununterbrochener Fortschritt deS Bürgerstandes darstellt. Es zeigt
sich in der That, daß unser Geschichtschreiber in seinem Optimismus zu weit
geht. Als die Hauptsache stellt er die Unterstützung dar, die den Wissenschaften
und Künsten zu Theil wurde, im Grunde kommt aber auch hier wieder alles
darauf heraus, daß die neue Regierung alle Standesunterschiede nivellirte.
"Von dem socialen Gesichtspunkte aus betrachtet, bestand der Geist seiner
Negierung darin, durch jede Art von Mitteln nach der Annäherung der Classen
zu streben. Sie vollendete friedlich den Ruin der Unabhängigkeit des Adels,
sie hielt ohne augenscheinlichen Zwang die großen Herren zum Hofleben und
dem regelmäßigen Dienste in der Armee an; und überall, selbst am Hofe, gab
sie der Function, der Beamlenstelle, für die Ehrenbezeigungen den Vorrang vor
der Geburt. In der Armee war für die verschiedenen Grade kein Vorzug des
hohen Adels vor dem niedern, noch des letztern vor dem Bürgerstand; das
Dienstalter gab das Recht zum Vorrücken, und man folgte streng der Ordnung
der Liste, ausgenommen in Fällen von besonders hervorragendem Verdienste
und außerordentlicher königlicher Gunstbezeigung. . . Ein ebenso geistreicher
als von Rayenstolz durchdrungener Mann nennt die Regierung Ludwigs XIV.
eine Regierung des gemeinen Bürgerthums, Worte, deren Schärfe beweist,
daß sich, nach Richelieu und dem Sturz der Fronde, etwas zum Vortheil der


die noblessö Ah rode sich in ihrer Unabhängigkeit durchweg als eineMlhrerin
des dritten Standes betrachtete. Die letzten etats xeriöraux, die Frankreich
gesehen hat, die von -I61S, hatten zwar keine unmittelbare Wirkung, aber sie
sind von Wichtigkeit, insofern sie das Programm der neuen Bewegung fest¬
stellten, die mit 1789 ihren Abschluß fand. — Richelieu überflügelte in seinen
Neuerungsbestrebungen an Kühnheit bei weitem den ihm vorangegangenen
König. Er unternahm es, die Bewegung nach bürgerlicher Einheit und Gleich¬
heit so weit zu treiben, daß fernerhin ein Rückschritt unmöglich war. Sein
Augenmerk war aus drei Dinge gerichtet: daß der hohe Adel ein für alle Mal
zum Gehorsam gegen den König und das Gesetz gezwungen wurde, daß der
Protestantismus aufhörte, eine bewaffnete Partei im Staate zu sein, daß
Frankreich ungehindert in seinem und dem europäischen Unabhängigkeitsinteresse
seine Verbündeten wählen konnte. Um alles auf dieselbe Linie der Ordnung
zurückzuführen, erhob er das Königthum über die Familienbande und die von
den Vorfahren übertragenen Verpflichtungen; er vereinzelte es in seiner Sphäre
wie eine reine Idee, die lebendige Idee der öffentlichen Wohlfahrt und deS
nationalen Interesses. „Wir, die wir die fernen Früchte seiner mühevollen
Geistesarbeitrn und seiner patriotischen Hingebung gepflückt haben, wir können
uns nur beugen vor diesem Manne der Revolution, welcher den Weg zur
neuen Gesellschaft gebahnt Hai."

Man wird einigermaßen überrascht, wenn auch die Regierung Ludwigs XIV.
sich als ein ununterbrochener Fortschritt deS Bürgerstandes darstellt. Es zeigt
sich in der That, daß unser Geschichtschreiber in seinem Optimismus zu weit
geht. Als die Hauptsache stellt er die Unterstützung dar, die den Wissenschaften
und Künsten zu Theil wurde, im Grunde kommt aber auch hier wieder alles
darauf heraus, daß die neue Regierung alle Standesunterschiede nivellirte.
„Von dem socialen Gesichtspunkte aus betrachtet, bestand der Geist seiner
Negierung darin, durch jede Art von Mitteln nach der Annäherung der Classen
zu streben. Sie vollendete friedlich den Ruin der Unabhängigkeit des Adels,
sie hielt ohne augenscheinlichen Zwang die großen Herren zum Hofleben und
dem regelmäßigen Dienste in der Armee an; und überall, selbst am Hofe, gab
sie der Function, der Beamlenstelle, für die Ehrenbezeigungen den Vorrang vor
der Geburt. In der Armee war für die verschiedenen Grade kein Vorzug des
hohen Adels vor dem niedern, noch des letztern vor dem Bürgerstand; das
Dienstalter gab das Recht zum Vorrücken, und man folgte streng der Ordnung
der Liste, ausgenommen in Fällen von besonders hervorragendem Verdienste
und außerordentlicher königlicher Gunstbezeigung. . . Ein ebenso geistreicher
als von Rayenstolz durchdrungener Mann nennt die Regierung Ludwigs XIV.
eine Regierung des gemeinen Bürgerthums, Worte, deren Schärfe beweist,
daß sich, nach Richelieu und dem Sturz der Fronde, etwas zum Vortheil der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/106>, abgerufen am 22.12.2024.