Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Genrestückchen, die allenthalben, wo Nacktheiten und classischer Ernst nicht
Zutritt haben, sich als Salonverzierung empfehlen.

Kümmel kam etwa 1833 nach Rom, vielleicht nicht früh genug, um aus
dem Hinundherschwanken zwischen allen denkbaren Richtungen sich noch zu
retten und sich für eine mit Bestimmtheit auszusprechen.

In Julius Troschels Werkstatt sahen wir meistens nur Gvpsmo-
delle, von denen wenige ganz frei von Manier und Süßlichkeit waren, u. a.
Bacchus als Kind in einer Muschel, Hercules und Bacchus, eine badende
Venus mit Spiegel in. Weniger gesucht erscheint sein für die Prinzessin Al¬
bert von Preußen ausgeführter Perseus; auch das badende Mädchen, nach oben
entblößt, mit etwas übertriebenen Brüsten, ist nicht ohne Geschmack erfunden;
wir vermuthen es ist dasselbe, das für die berliner Akademie gearbeitet wurde.
Eine Tänzerin mit unglaublich bewegtem Körper, mitten im Sprung zu Mar¬
mor metamorphosirt, angeblich nach F. Elster, gehört dahin, wo jene Ballet-
sprüngc für Kunst gelten. Wenn übrigens der Künstler hin und wieder den
Anforderungen des Neisepublicums mehr als billig nachgibt, so ist doch Bega¬
bung an seinen Arbeiten nicht zu verkennen, wovon freilich die' eigentliche
Weihe ernsten Kunststrebens noch zu unterscheiden ist. Für den König von
Preußen arbeitete Troschel drei Grazien, eine entschlummernde Spinnerin für
die Königin von England u. s. w.

Wagners Sculpturen sind längst bekannt und gewürdigt. Da in letzter Zeit
nichts Neues hinzugekommen ist, und der Eremit der Villa ti Malta sich nur noch
mit Federzeichnungen beschäftigt, so brauchen wir seiner hier nur im Vorbei¬
gehen zu gedenken. Diese letztern Compositionen durch den Stich verbreitet zu
sehen, wäre der Wunsch, den wir wiederholt aussprechen. Sie sind zum größten
Theil von der edelsten Art und von homerischer Jugendsriscke. Wagner steht
an der Schwelle der Achtziger.

Sein Schüler sah oepf meißelt im Atelier des alten Meisters und ist dem
Besucher ein freundlicher Führer. Wir sahen von ihm eine halb fertige Bac¬
chantin mit Trauben und Gefäß, sie steht hintenübergebogen, wie halb berauscht
und im dämmernden Halbbewußtsein. Sie hätte dem Feste des Dionys keine
Schande gemacht. Schoepf hatte sie für einen vorzüglich schönen Marmorblock,
der ihm eben zur Hand war, eigens componirt. , Gleichzeitig hatte er -- so
contrastiren Pflicht und Neigung -- eine bestellte Madonna mit Kind im over-
beckschen Stil für Baron LoSbeck in Arbeit. Der Marmor war dies Mal,
wie sich erst bei der Arbeit zeigte, inwendig unrein und das Gesicht der Ma¬
donna entstellte eine dunkle Ader.

Wolf aus Berlin, wie es scheint durch manche Aufträge des Königs
von Preußen begünstigt, hat in seinem geräumigen Atelier eine große Aus¬
wahl solcher Gegenstände, welche der Salongeschmack heischt und die deshalb


Grenzboten. III. -1866. g

Genrestückchen, die allenthalben, wo Nacktheiten und classischer Ernst nicht
Zutritt haben, sich als Salonverzierung empfehlen.

Kümmel kam etwa 1833 nach Rom, vielleicht nicht früh genug, um aus
dem Hinundherschwanken zwischen allen denkbaren Richtungen sich noch zu
retten und sich für eine mit Bestimmtheit auszusprechen.

In Julius Troschels Werkstatt sahen wir meistens nur Gvpsmo-
delle, von denen wenige ganz frei von Manier und Süßlichkeit waren, u. a.
Bacchus als Kind in einer Muschel, Hercules und Bacchus, eine badende
Venus mit Spiegel in. Weniger gesucht erscheint sein für die Prinzessin Al¬
bert von Preußen ausgeführter Perseus; auch das badende Mädchen, nach oben
entblößt, mit etwas übertriebenen Brüsten, ist nicht ohne Geschmack erfunden;
wir vermuthen es ist dasselbe, das für die berliner Akademie gearbeitet wurde.
Eine Tänzerin mit unglaublich bewegtem Körper, mitten im Sprung zu Mar¬
mor metamorphosirt, angeblich nach F. Elster, gehört dahin, wo jene Ballet-
sprüngc für Kunst gelten. Wenn übrigens der Künstler hin und wieder den
Anforderungen des Neisepublicums mehr als billig nachgibt, so ist doch Bega¬
bung an seinen Arbeiten nicht zu verkennen, wovon freilich die' eigentliche
Weihe ernsten Kunststrebens noch zu unterscheiden ist. Für den König von
Preußen arbeitete Troschel drei Grazien, eine entschlummernde Spinnerin für
die Königin von England u. s. w.

Wagners Sculpturen sind längst bekannt und gewürdigt. Da in letzter Zeit
nichts Neues hinzugekommen ist, und der Eremit der Villa ti Malta sich nur noch
mit Federzeichnungen beschäftigt, so brauchen wir seiner hier nur im Vorbei¬
gehen zu gedenken. Diese letztern Compositionen durch den Stich verbreitet zu
sehen, wäre der Wunsch, den wir wiederholt aussprechen. Sie sind zum größten
Theil von der edelsten Art und von homerischer Jugendsriscke. Wagner steht
an der Schwelle der Achtziger.

Sein Schüler sah oepf meißelt im Atelier des alten Meisters und ist dem
Besucher ein freundlicher Führer. Wir sahen von ihm eine halb fertige Bac¬
chantin mit Trauben und Gefäß, sie steht hintenübergebogen, wie halb berauscht
und im dämmernden Halbbewußtsein. Sie hätte dem Feste des Dionys keine
Schande gemacht. Schoepf hatte sie für einen vorzüglich schönen Marmorblock,
der ihm eben zur Hand war, eigens componirt. , Gleichzeitig hatte er — so
contrastiren Pflicht und Neigung — eine bestellte Madonna mit Kind im over-
beckschen Stil für Baron LoSbeck in Arbeit. Der Marmor war dies Mal,
wie sich erst bei der Arbeit zeigte, inwendig unrein und das Gesicht der Ma¬
donna entstellte eine dunkle Ader.

Wolf aus Berlin, wie es scheint durch manche Aufträge des Königs
von Preußen begünstigt, hat in seinem geräumigen Atelier eine große Aus¬
wahl solcher Gegenstände, welche der Salongeschmack heischt und die deshalb


Grenzboten. III. -1866. g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102668"/>
          <p xml:id="ID_220" prev="#ID_219"> Genrestückchen, die allenthalben, wo Nacktheiten und classischer Ernst nicht<lb/>
Zutritt haben, sich als Salonverzierung empfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_221"> Kümmel kam etwa 1833 nach Rom, vielleicht nicht früh genug, um aus<lb/>
dem Hinundherschwanken zwischen allen denkbaren Richtungen sich noch zu<lb/>
retten und sich für eine mit Bestimmtheit auszusprechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_222"> In Julius Troschels Werkstatt sahen wir meistens nur Gvpsmo-<lb/>
delle, von denen wenige ganz frei von Manier und Süßlichkeit waren, u. a.<lb/>
Bacchus als Kind in einer Muschel, Hercules und Bacchus, eine badende<lb/>
Venus mit Spiegel in. Weniger gesucht erscheint sein für die Prinzessin Al¬<lb/>
bert von Preußen ausgeführter Perseus; auch das badende Mädchen, nach oben<lb/>
entblößt, mit etwas übertriebenen Brüsten, ist nicht ohne Geschmack erfunden;<lb/>
wir vermuthen es ist dasselbe, das für die berliner Akademie gearbeitet wurde.<lb/>
Eine Tänzerin mit unglaublich bewegtem Körper, mitten im Sprung zu Mar¬<lb/>
mor metamorphosirt, angeblich nach F. Elster, gehört dahin, wo jene Ballet-<lb/>
sprüngc für Kunst gelten. Wenn übrigens der Künstler hin und wieder den<lb/>
Anforderungen des Neisepublicums mehr als billig nachgibt, so ist doch Bega¬<lb/>
bung an seinen Arbeiten nicht zu verkennen, wovon freilich die' eigentliche<lb/>
Weihe ernsten Kunststrebens noch zu unterscheiden ist. Für den König von<lb/>
Preußen arbeitete Troschel drei Grazien, eine entschlummernde Spinnerin für<lb/>
die Königin von England u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_223"> Wagners Sculpturen sind längst bekannt und gewürdigt. Da in letzter Zeit<lb/>
nichts Neues hinzugekommen ist, und der Eremit der Villa ti Malta sich nur noch<lb/>
mit Federzeichnungen beschäftigt, so brauchen wir seiner hier nur im Vorbei¬<lb/>
gehen zu gedenken. Diese letztern Compositionen durch den Stich verbreitet zu<lb/>
sehen, wäre der Wunsch, den wir wiederholt aussprechen. Sie sind zum größten<lb/>
Theil von der edelsten Art und von homerischer Jugendsriscke. Wagner steht<lb/>
an der Schwelle der Achtziger.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_224"> Sein Schüler sah oepf meißelt im Atelier des alten Meisters und ist dem<lb/>
Besucher ein freundlicher Führer. Wir sahen von ihm eine halb fertige Bac¬<lb/>
chantin mit Trauben und Gefäß, sie steht hintenübergebogen, wie halb berauscht<lb/>
und im dämmernden Halbbewußtsein. Sie hätte dem Feste des Dionys keine<lb/>
Schande gemacht. Schoepf hatte sie für einen vorzüglich schönen Marmorblock,<lb/>
der ihm eben zur Hand war, eigens componirt. , Gleichzeitig hatte er &#x2014; so<lb/>
contrastiren Pflicht und Neigung &#x2014; eine bestellte Madonna mit Kind im over-<lb/>
beckschen Stil für Baron LoSbeck in Arbeit. Der Marmor war dies Mal,<lb/>
wie sich erst bei der Arbeit zeigte, inwendig unrein und das Gesicht der Ma¬<lb/>
donna entstellte eine dunkle Ader.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_225" next="#ID_226"> Wolf aus Berlin, wie es scheint durch manche Aufträge des Königs<lb/>
von Preußen begünstigt, hat in seinem geräumigen Atelier eine große Aus¬<lb/>
wahl solcher Gegenstände, welche der Salongeschmack heischt und die deshalb</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. -1866. g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] Genrestückchen, die allenthalben, wo Nacktheiten und classischer Ernst nicht Zutritt haben, sich als Salonverzierung empfehlen. Kümmel kam etwa 1833 nach Rom, vielleicht nicht früh genug, um aus dem Hinundherschwanken zwischen allen denkbaren Richtungen sich noch zu retten und sich für eine mit Bestimmtheit auszusprechen. In Julius Troschels Werkstatt sahen wir meistens nur Gvpsmo- delle, von denen wenige ganz frei von Manier und Süßlichkeit waren, u. a. Bacchus als Kind in einer Muschel, Hercules und Bacchus, eine badende Venus mit Spiegel in. Weniger gesucht erscheint sein für die Prinzessin Al¬ bert von Preußen ausgeführter Perseus; auch das badende Mädchen, nach oben entblößt, mit etwas übertriebenen Brüsten, ist nicht ohne Geschmack erfunden; wir vermuthen es ist dasselbe, das für die berliner Akademie gearbeitet wurde. Eine Tänzerin mit unglaublich bewegtem Körper, mitten im Sprung zu Mar¬ mor metamorphosirt, angeblich nach F. Elster, gehört dahin, wo jene Ballet- sprüngc für Kunst gelten. Wenn übrigens der Künstler hin und wieder den Anforderungen des Neisepublicums mehr als billig nachgibt, so ist doch Bega¬ bung an seinen Arbeiten nicht zu verkennen, wovon freilich die' eigentliche Weihe ernsten Kunststrebens noch zu unterscheiden ist. Für den König von Preußen arbeitete Troschel drei Grazien, eine entschlummernde Spinnerin für die Königin von England u. s. w. Wagners Sculpturen sind längst bekannt und gewürdigt. Da in letzter Zeit nichts Neues hinzugekommen ist, und der Eremit der Villa ti Malta sich nur noch mit Federzeichnungen beschäftigt, so brauchen wir seiner hier nur im Vorbei¬ gehen zu gedenken. Diese letztern Compositionen durch den Stich verbreitet zu sehen, wäre der Wunsch, den wir wiederholt aussprechen. Sie sind zum größten Theil von der edelsten Art und von homerischer Jugendsriscke. Wagner steht an der Schwelle der Achtziger. Sein Schüler sah oepf meißelt im Atelier des alten Meisters und ist dem Besucher ein freundlicher Führer. Wir sahen von ihm eine halb fertige Bac¬ chantin mit Trauben und Gefäß, sie steht hintenübergebogen, wie halb berauscht und im dämmernden Halbbewußtsein. Sie hätte dem Feste des Dionys keine Schande gemacht. Schoepf hatte sie für einen vorzüglich schönen Marmorblock, der ihm eben zur Hand war, eigens componirt. , Gleichzeitig hatte er — so contrastiren Pflicht und Neigung — eine bestellte Madonna mit Kind im over- beckschen Stil für Baron LoSbeck in Arbeit. Der Marmor war dies Mal, wie sich erst bei der Arbeit zeigte, inwendig unrein und das Gesicht der Ma¬ donna entstellte eine dunkle Ader. Wolf aus Berlin, wie es scheint durch manche Aufträge des Königs von Preußen begünstigt, hat in seinem geräumigen Atelier eine große Aus¬ wahl solcher Gegenstände, welche der Salongeschmack heischt und die deshalb Grenzboten. III. -1866. g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/73
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/73>, abgerufen am 23.07.2024.